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Fußball-WM bringt Südafrika kaum wirtschaftlichen Nutzen

Pressemitteilung vom 10. Juni 2010

DIW Berlin: „Die Weltmeisterschaft kann höchstens einen Beitrag zum Nation Building leisten“

Der größte Ertrag der Fußball-Weltmeisterschaft könnte für Südafrika auf der gesellschaftlichen Ebene liegen. Eine neue Untersuchung des DIW Berlin zeigt, dass die Hoffnungen auf einen ökonomischen Aufschwung wahrscheinlich enttäuscht werden. „Der einzige Akteur, der garantiert an der WM verdienen wird, ist die FIFA“, sagt DIW-Ökonom Gert G. Wagner. Besonders die Investitionen in neue Stadien seien für Südafrika mit einem großen Risiko verbunden.

„Die Ausrichtung einer Fußball-WM ist für jedes Land eine große Aufgabe, aber besonders für ein so junges Land wie Südafrika“, sagt DIW-Experte Gert G. Wagner. Gemeinsam mit seinem Kollegen Denis Huschka vom Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Rhodes University in Südafrika hat er die wirtschaftlichen Auswirkungen der Weltmeisterschaft in Südafrika untersucht.

Eine ähnliche Analyse hatte Wagner bereits 2006 nach der WM in Deutschland gemacht. „Wir haben damals keine unmittelbaren positiven Effekte finden können“, sagt er. Für Südafrika könnte sich das Turnier ein bisschen mehr lohnen. „Viele Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit waren längst überfällig. Gleichzeitig wurde aber auch viel Geld ausgegeben, das nun an anderer Stelle gravierend fehlt – etwa in der Bildung.“

Vor allem Wohlhabende profitieren von WM-Investitionen – meist Weiße

Bei aller Euphorie über die beginnende WM dürfe man nicht vergessen, dass Südafrika in vielen Punkten zur Dritten Welt gehöre, so die Autoren. „Mehr als ein Fünftel der Südafrikaner lebt unterhalb der Armutsgrenze“, sagt Denis Huschka. Entscheidend für das Einkommen ist auch Jahre nach dem Ende der Apartheid die Hautfarbe: Weiße Südafrikaner verdienen im Durchschnitt fast das Zehnfache der schwarzen Bevölkerung. Besonders die Gutgestellten profitieren jetzt von den Investitionen im Vorfeld der WM – ein Beispiel dafür ist der neu gebaute Gautrain, eine Zugverbindung zwischen Johannesburg und Pretoria, die vor allem von weißen Pendlern genutzt wird. Die hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Townships wurden in die Linienführung nicht eingebunden. „Die WM droht die Ungleichheit in Südafrika noch zu zementieren“, sagt Gert G. Wagner.

Bau von Stadien mit erheblichen Risiken verbunden

Insgesamt hat der Aus- und Neubau der zehn WM-Stadien mehr als eine Milliarde Euro gekostet, achtmal mehr als ursprünglich geplant. Damit bewegten sich die Kosten in der gleichen Dimension wie vor vier Jahren in Deutschland – mit dem großen Unterschied, dass es in Südafrika kaum private Investoren gab und deshalb fast alle Kosten vom Staat getragen werden mussten. Schon jetzt gibt es Pläne, die Stadien nach der WM wieder zu verkleinern – was erneut mit Kosten verbunden wäre.

Eine weitere wirtschaftliche Hoffnung in Bezug auf die Fußball-WM ist der Tourismus: Zur WM erwartet Südafrika etwa 750.000 internationale Besucher. Das würde eine Steigerung des Touristenverkehrs um etwa sieben Prozent bedeuten. Für Gert G. Wagner ist die prognostizierte Besucherzahl aber mit Vorsicht zu genießen: „Ich rechne angesichts des schleppenden internationalen Ticketverkaufs mit deutlich weniger Besuchern.“ Außerdem hätte die Erfahrung mit der Rugby-WM 1995 gezeigt, dass derartige Effekte meist nicht von langfristiger Dauer seien.

Positive Effekte hat die WM eher für die Gesellschaft

Der positive WM-Effekt für Südafrika kann für die Wissenschaftler nur in einer beschleunigten Identitätsfindung dieser noch immer sozial und ethnisch gespaltenen Nation liegen. „Bei der Rubgy-WM 1995 wurde ein messbares Wir-Gefühl geboren. Das hat sich freilich inzwischen an den harten Realitäten wieder etwas abgenutzt“, sagt der Soziologe Denis Huschka. „Wenn die Fußball-WM reibungslos verläuft und das südafrikanische Team einige gute Spiele abliefert, kann die WM dazu beitragen, das Gemeinschaftsgefühl wieder zu beleben.“

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