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Jugendliche in Europa haben trotz geringerer Arbeitslosigkeit weiterhin große Probleme auf dem Arbeitsmarkt

Pressemitteilung vom 2. November 2017

Arbeitslosenquote der 15 bis 24-Jährigen ist viel höher als die der älteren Personen – Abbau der Arbeitslosigkeit ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zahl der jungen Leute schrumpft und immer mehr davon länger im Bildungswesen bleiben – Politische Maßnahmen haben wenig gebracht

Obwohl die Jugendarbeitslosenquote in der EU in den letzten Jahren kräftig zurückgegangen ist, fällt es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach wie vor schwer, eine Beschäftigung zu finden. So ist die Arbeitslosenquote in der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren nach wie vor zweieinhalb Mal so hoch wie die der älteren Personen. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist überwiegend auf die demografische Entwicklung sowie eine geringere Erwerbsbeteiligung zurückzuführen – vor allem, weil immer mehr junge Menschen studieren und deshalb erst später in den Arbeitsmarkt eintreten. Ein Effekt politischer Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wie die „Jugendgarantie“ der EU ist nicht erkennbar. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Bei den neu entstandenen Arbeitsplätzen für junge Leute handelt es sich fast ausschließlich um befristete Jobs; auch die Teilzeittätigkeiten haben stark zugenommen. Aufgrund ihrer praxisnäheren Ausbildung haben junge Menschen in Mitteleuropa im Vergleich zu den Personen ab 25 Jahren nicht so ausgeprägte Beschäftigungsprobleme, wie das in anderen Teilen Europas – etwa im Süden – der Fall ist.

Erwerbspersonenpotential der Jugendlichen schrumpft

Im Frühjahr 2013 hatte die Jugendarbeitslosigkeit in Europa infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit 5,5 Millionen ihren Höhepunkt erreicht. Die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen daraufhin Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit – vor allem die sogenannte Jugendgarantie, die jedem arbeitslosen Jugendlichen innerhalb von vier Monaten eine Beschäftigungsstelle oder eine Qualifizierungsmöglichkeit verschaffen sollte. Im weiteren Verlauf ging die Jugendarbeitslosigkeit bis zum zweiten Quartal 2017 um mehr als ein Drittel auf 3,8 Millionen zurück; die Arbeitslosenquote sank deutlich von 23,5 auf 16,9 Prozent.

Dabei spielte allerdings die konjunkturelle Entwicklung eine große Rolle, denn auch bei den Erwachsenen sanken Arbeitslosenzahl und -quote. Entgegen dem allgemeinen Trend hat sich aber bei den Jugendlichen das Erwerbspersonenpotential verringert. Dies geht zum einen auf die demografische Entwicklung – eine geringere Zahl von Jugendlichen – und zum anderen auf ein geändertes Erwerbs- und Bildungsverhalten zurück: Wegen der schlechten Arbeitsmarktlage blieben viele länger in der Ausbildung. Dies war insbesondere in Spanien der Fall, wo immer mehr Jugendliche dem Arbeitsmarkt den Rücken gekehrt haben dürften. Insgesamt ist heute die Zahl der jugendlichen Erwerbstätigen in der EU immer noch um fast 20 Prozent geringer als vor der Krise. Bei den über 25-Jährigen ist die Zahl der Erwerbstätigen dagegen inzwischen sogar wieder etwas höher als vor der Krise.

Den Hebel bei den Berufsbildungssystemen ansetzen

„Die politischen Maßnahmen haben wenig gebracht“, sagt DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke. „Wahrscheinlich wurden die Möglichkeiten der sogenannten aktiven Arbeitsmarktpolitik einmal mehr überschätzt. Nach aller Erfahrung können damit keine Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden.“ Der Hebel müsste vielmehr bei den Berufsbildungssystemen angesetzt werden. In weiten Teilen Europas ist die Berufsbildung von der betrieblichen Praxis abgekoppelt. Ohne praktische Kenntnisse und Erfahrungen wird Jugendlichen dort der Zugang zum Arbeitsmarkt stark erschwert – anders als in den mitteleuropäischen Ländern mit ihren dualen Ausbildungssystemen.

Hinzu kommt, dass 90 Prozent aller zusätzlichen Stellen für junge Leute nur befristete Stellen sind, 40 Prozent sind Teilzeitjobs. Inzwischen hat fast jeder dritte erwerbstätige Jugendliche in der EU einen Teilzeitjob, bei den Erwachsenen sind es 19 Prozent. Noch größer sind die Unterschiede bei der Befristung: 44 Prozent der Jugendlichen, aber nur zwölf Prozent der Erwachsenen haben einen befristeten Job. In manchen Ländern wie Polen und Spanien haben sogar um die 70 Prozent der jungen Erwerbstätigen einen befristeten Job.

Links

Interview mit Karl Brenke: "Die Berufsausbildung der jungen Menschen sollte praxisnäher werden" (Print (PDF, 0.94 MB) und
O-Ton von Karl Brenke
Die Berufsausbildung der jungen Menschen sollte praxisnäher werden - Interview mit Karl Brenke
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