Pressemitteilung vom 3. November 2011
„Die Lage wurde durch das Vorhaben von Ministerpräsident Papandreou eine Volksabstimmung durchzuführen noch mal zugespitzt“, so DIW-Chef Gert G. Wagner. „Wenn Papandreous Plan gelingt, ist es aber umso leichter, das notwendige Paket an Maßnahmen tatsächlich umzusetzen. Papandreou spielt mit einem enormen Risiko. Europas Politiker dürfen gerade deswegen jetzt nicht die Nerven verlieren.“
Für Griechenland sei der ausgehandelte Schuldenschnitt eine große Erleichterung, urteilt Ferdinand Fichtner, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin. „Er reduziert die Zahllast des Landes und verschafft finanzielle Spielräume für Reformen.“ Um die Schulden Griechenlands langfristig auf dem anvisierten Stand von 120 Prozent zu halten, werde ein einmaliger Schuldenschnitt allein aber nicht reichen. „Fraglich bleibt auch, ob die vorgesehene Hebelung dem Rettungsschirm im Ernstfall genug Finanzstärke verleiht, um neben eventuellen Bankenrekapitalisierungen auch weitere Euroländer abzusichern“, sagt Konjunkturexperte Simon Junker.
Finanzmarktexpertin Dorothea Schäfer warnt davor, die Risiken der Beschlüsse auf die leichte Schulter zu nehmen. Unter anderem sei die Gefahr von Zweitrundeneffekten nicht gebannt. „Die Begrenzung des Schuldenschnitts auf etwa 27 Prozent der Gesamtschuld und die freiwillige Beteiligung der Banken und Versicherungen mindern allerdings die Wahrscheinlichkeit dafür. Die Beschlüsse können allenfalls als erste, vielversprechende Maßnahmen gewertet werden, keinesfalls jedoch als vollständige Lösung. Jetzt brauchen die Griechen eine Streckung ihrer Restschuld und strukturelle Reformen. Die Privatisierung von Staatsunternehmen sollte vorangetrieben und auch eine Abschlagssteuer auf griechische Auslandsvermögen in Betracht gezogen werden. Ein guter Partner könnte dabei die EFSF sein.“
Auch beim Schuldenschnitt selbst gebe es noch viele offene Fragen. „Die Details müssen jetzt schnellstmöglich geklärt werden“, sagt Schäfer. „Notwendig sind auch lange Laufzeiten bei der Restschuld und ein niedriger Zinssatz, also eine deutliche Schuldenstreckung, um die Belastung der griechischen Volkswirtschaft zu minimieren.“ Bei zügiger Umsetzung, so urteilen die DIW-Experten, sind die Gipfelbeschlüsse – wenn sie richtig flankiert werden und verbindlich gelten – durchaus geeignet, die Planungssicherheit für Anleger, Politiker und Bürger zu erhöhen und so dem Übergreifen der Eurokrise auf die Realwirtschaft entgegenzuwirken. Auch in diesem Fall dürfe man jedoch nicht auf eine allzu schnelle Sanierung Griechenlands hoffen: „Selbst bei optimistischen Annahmen zu Wachstum und Haushaltsdisziplin wird für die Sanierung mehr als ein Jahrzehnt notwendig sein. In dieser Zeit braucht Griechenland voraussichtlich stetige Hilfe der anderen Eurostaaten“, so die Experten.