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Arbeitslosigkeit schwächt auch die psychische Gesundheit des Lebensgefährten

Pressemitteilung vom 27. Mai 2014

DIW-Experte warnt: Die Gesundheitskosten von Arbeitslosigkeit werden unterschätzt – Studie zeigt, dass die Psyche beider Partner in nahezu gleichem Maße leidet, wenn einer der beiden arbeitslos wird – Weiterer Teil der Gesundheitsserie im DIW Wochenbericht

Unfreiwillige Arbeitslosigkeit schadet nicht nur der eigenen Psyche, sondern auch der des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Wird ein Lebensgefährte arbeitslos, so leidet die psychische Gesundheit beider Partner in nahezu gleichem Umfang, fand DIW-Gesundheitsexperte Jan Marcus heraus. Ob der Mann oder die Frau den Arbeitsplatz verliert, macht dabei keinen großen Unterschied. „Beide Partner leiden deutlich. Da Berechnungen aber bislang nur die negativen Folgen für den Arbeitslosen selbst, nicht aber für den Lebenspartner berücksichtigen, werden die im Gesundheitssystem entstehenden Kosten systematisch unterschätzt“, warnt der Fachmann für Bildungs- und Gesundheitsökonomie.

Stichwort SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist am DIW Berlin angesiedelt und wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in etwa 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, leben ungesünder, rauchen häufiger, lassen sich öfter scheiden und sterben früher. Das haben viele wissenschaftliche Studien gezeigt. Nahezu alle dieser Studien konzentrieren sich dabei allerdings auf den Arbeitslosen selbst und nicht auf seinen mit ihm im selben Haushalt lebenden Partner. DIW-Forscher Jan Marcus hat Daten der am DIW Berlin angesiedelten Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) ausgewertet, um auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit des Lebenspartners zu untersuchen. Für seine Analyse nutzte Marcus ein in der medizinischen Forschung entwickeltes Maß der psychischen Gesundheit, die Mental Component Summary Scale (MCS).

Um auszuschließen, dass es nicht die schlechtere Gesundheit ist, die die Arbeitslosigkeit verursacht hat, hat Marcus die Analysen auf Menschen beschränkt, die auf Grund von Betriebsschließungen arbeitslos geworden sind, und deren psychische Gesundheit vor und nach der Betriebsschließung verglichen. „Das Ergebnis ist eindeutig: Die Arbeitslosigkeit beeinträchtigt die psychische Gesundheit des Lebenspartners nahezu genauso stark wie die des Arbeitslosen selbst“, fasst Marcus zusammen. Die Auswirkungen sind insgesamt etwas stärker, wenn der Mann seinen Arbeitsplatz verliert, in beiden Fällen leiden die Partner aber etwa gleich stark.

Mit der Studie konnten allerdings nur die kurzfristigen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit erfaßt werden, die innerhalb von im Schnitt elf Monaten nach Arbeitsplatzverlust auftreten. „Weitere Forschung wäre sicherlich sinnvoll und wünschenswert, um zu klären, ob diese Effekte bei anhaltender Arbeitslosigkeit eher zunehmen oder sich abschwächen“, so der Forscher. Auch bei der Berechnung der Kosten von Arbeitslosigkeit sollte dieser Zusammenhang berücksichtigt werden. „Unsere Studie zeigt eindeutig, dass Arbeitslosigkeit nicht nur die Arbeitslosen selbst, sondern auch die Menschen in ihrem Umfeld beeinträchtigt. Das sollte beim Kosten-Nutzen-Vergleich von Arbeitsmarkt- und Bildungsmaßnahmen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Ansonsten werden die im Gesundheitssystem entstehenden Kosten systematisch unterschätzt.“

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