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Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland deutlich gesunken - vor allem aus demografischen Gründen

Pressemitteilung vom 8. Mai 2013

Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zufolge auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken. Zwischen 2005 und 2012 hat sich die Anzahl der Erwerbslosen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren im Land mehr als halbiert. Während die Jugendarbeitslosigkeit in anderen europäischen Ländern wie Spanien und Griechenland auf Rekordwerte von über 50 Prozent stieg, sank sie in Deutschland auf acht Prozent – den tiefsten Stand in ganz Europa. Ein Grund zum Jubel sei das aber nicht, mahnt DIW-Arbeitsmarkt-Experte Karl Brenke. „Die Arbeitslosigkeit sinkt vor allem aus demografischen Gründen und nicht, weil mehr Arbeits- oder Ausbildungsplätze mit Jugendlichen besetzt wurden.“ In vielen Regionen sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche weiterhin sehr schwierig: Während es in Süddeutschland Gebiete mit nur zwei Prozent Jugendarbeitslosigkeit gibt, liegt in manchen altindustriellen westdeutschen Regionen und in Teilen Ostdeutschlands die Arbeitslosenquote der Jugendlichen bei 12 bis 15 Prozent. Für die Politik sei die gesunkene Jugendarbeitslosigkeit kein Grund zum Ausruhen, urteilt Brenke: „Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist weiterhin vor allem ein Qualifikationsproblem, mehr als die Hälfte aller arbeitslosen Jugendlichen im Jahr 2010 hatte keinen Berufsabschluss. Weil es in Deutschland immer weniger Jugendliche gibt, ist die Gesellschaft noch stärker als früher darauf angewiesen, dass die jüngste Generation möglichst gut ausgebildet ist und Zugang zum Arbeitsmarkt findet.“
Für Jugendliche hängen ihre Berufschancen immer stärker von ihrem Wohnort ab. „Während sich die Situation insgesamt verbessert, verstärken sich die regionalen Unterschiede“, erläutert Arbeitsmarktexperte Brenke seine Forschungsergebnisse. Die niedrigste Arbeitslosigkeit gibt es in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz, wo die Quote unter fünf Prozent liegt. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hingegen liegt sie teils deutlich über zehn Prozent. „Es gibt offensichtlich eine sehr geringe Mobilität bei den Jugendlichen, obwohl insbesondere in vielen südlichen Regionen ein Überhang an Lehrstellen besteht und die Lage in vielen altindustriellen westdeutschen Regionen und Ostdeutschland hingegen sehr düster ist.“  

Besonders negativ sticht Berlin hervor: Die Stadt kommt auf die höchste Jugendarbeitslosenquote sowie auf die geringste Ausbildungsquote unter den deutschen Bundesländern, und es besteht ein erheblicher Lehrstellenmangel. Zugleich gibt es eine hohe Quote bei den Ausbildungsabbrüchen und einen relativ großen Anteil an Jugendlichen, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. „Ist Arbeitslosigkeit in einer Region stark verbreitet, können Gewöhnungseffekte eintreten, da sie häufig im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis anzutreffen ist“, meint Brenke. Auch die Sozialstruktur spielt eine Rolle. Es entsteht ein Teufelskreis: Eine angespannte Lage auf dem Arbeits- und Lehrstellenmarkt führt zu einem Verhalten mancher Jugendlicher, das die Qualifizierung und die Besetzung von Arbeitsplätzen mit Fachkräften erschwert – und somit die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten einer Region bremst.

Angesichts der Tatsache, dass die nachwachsenden Alterskohorten kleiner werden, kann es sich Deutschland nicht erlauben, dass Jugendliche ohne Berufsausbildung bleiben. „Lange Zeit gab es im gesamten Bundesgebiet einen erheblichen Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Für die Unternehmen gab es keine Notwendigkeit zu vermehrter Ausbildung, sie konnten aus einem hinreichenden Potential an Arbeitskräften schöpfen“, berichtet Brenke. Wegen der demografisch bedingt geringer gewordenen Nachfrage sei das Lehrstellenangebot zwar inzwischen fast ausreichend, ein immer noch erheblicher Teil der Jugendlichen befindet sich aber im Übergangsbereich zwischen Schule und Berufsausbildung. „Auch bei den Lehrstellenbewerbern konnten die Ausbildungsbetriebe wählerisch sein, so dass bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen nicht selten ein Fachhochschulabschluss oder Abitur vorausgesetzt wurde.“ In Zukunft sollte jedoch vermehrt auch solchen Jugendlichen eine Chance gegeben werden, die einen Realschul- oder einen Hauptschulabschluss besitzen. „Insbesondere in Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit dürften die Betriebe vermehrt um die Lehrstellenbewerber konkurrieren“, prognostiziert der Arbeitsmarktforscher. Es wäre daher hilfreich, Jugendliche aus Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit und immer noch unzureichendem Lehrstellenangebot abzuwerben.
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