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DIW Berlin spricht sich gegen zwei Preiszonen im Strommarkt aus

Pressemitteilung vom 25. Februar 2015

Modellanalyse zeigt: Zwei Zonen mit unterschiedlichen Preisen in Abhängigkeit von der Höhe der Stromproduktion und -nachfrage sind nicht geeignet, Engpässe im Stromnetz zu verringern

Wie lassen sich Engpässe im Stromnetz, die infolge der Energiewende durch die witterungsbedingt stark schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien regelmäßig auftreten, abmildern? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat ein mögliches Instrument untersucht: Die Einrichtung zweier Preiszonen, in denen die Verbraucher abhängig von der Nachfrage und der Erzeugungskapazität in einer Region unterschiedlich hohe Strompreise zahlen würden, also beispielsweise im durch Wind- und Kohlekraft produktionsstärkeren Norddeutschland weniger als im nachfragestärkeren Süddeutschland. Den Energieökonomen des DIW Berlin zufolge ist ein solcher Mechanismus jedoch nicht geeignet, das sogenannte Engpassmanagement zu verbessern. Im Gegenteil: „Es wäre sogar zu befürchten, dass die Einführung von zwei Preiszonen die Marktliquidität senkt und die Marktunsicherheit erhöht“, schreiben Claudia Kemfert, Christian von Hirschhausen und Jonas Egerer vom DIW Berlin sowie Jens Weibezahn von der Technischen Universität Berlin in ihrer Studie, die im DIW Wochenbericht erschienen ist. Die zu erwartenden Preisunterschiede zwischen den Zonen wären gering und damit fielen die Anreize für bedarfsgerechtere Investitionen in Kraftwerkskapazitäten, einen effizienteren Kraftwerkseinsatz und eine bessere Integration erneuerbarer Energien entsprechend gering aus. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist von der Einführung zweier Preiszonen in Deutschland daher abzuraten“, so die Studienautoren. Stattdessen sprechen sie sich dafür aus, eine gezielte engpassorientierte Preisbildung für das gesamte deutsche Stromsystem zu prüfen, ein sogenanntes Nodalpreissystem: Dabei handelt es sich um ein marktbasiertes Engpassmanagement, das gleichwohl den Kraftwerkseinsatz zentral steuern und die Betriebskosten des Stromsystems erheblich reduzieren würde.

Preisunterschiede zwischen den Zonen wären gering

Die Energieökonomen von DIW Berlin und TU Berlin haben die Auswirkungen zweier Preiszonen in Deutschland anhand eines quantitativen Stromsektormodells analysiert. Dabei wählten sie eine Grenze, die an der nördlichen Landesgrenze Bayerns und auf der Höhe Frankfurts nach Westen bis an die deutsch-belgische Grenze verläuft. Dadurch würde Nord- und Mitteldeutschland, wo die Stromerzeugungskapazitäten wegen zahlreich vorhandener Kohle- und Windkraftwerke hoch sind, vom nachfragestärkeren Süddeutschland, wo die Erzeugungskapazitäten schon heute niedriger sind und durch die sukzessive Abschaltung von Kernkraftwerken weiter sinken werden, getrennt. In der Theorie ergäben sich dadurch unterschiedliche Preise, die von der Stromerzeugung und dem Stromverbrauch abhängen würden. Dies wiederum könnte die Abschaltung ineffizienter Kraftwerke einerseits und Investitionen in effizientere Kraftwerkskapazitäten andererseits nach sich ziehen, erneuerbare Energien besser integrieren und die Systemsicherheit des Stromnetzes erhöhen.

In der Praxis sähe es den Forschern zufolge aber anders aus: Die zwei Preiszonen würden Engpässe im Stromnetz nicht angemessen abbilden und wären daher für ein Engpassmanagement nicht geeignet. Dies verdeutlicht der geringe Rückgang des Redispatch-Volumens, also der Anpassung des Kraftwerkseinsatzes infolge von Netzengpässen: Den Modellrechnungen zufolge sänke es um lediglich sieben Prozent (auf 1.544 Gigawattstunden pro Jahr). Auch die Preisunterschiede zwischen den beiden Zonen wären mit 1,70 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2015 gering und würden sogar noch auf 0,40 Euro sinken, wenn man annimmt, dass die „Thüringenleitung“ von Ostdeutschland nach Bayern wie geplant gebaut wird. Der Strompreisanstieg im Süden fiele unterdessen drei Mal höher aus als die Reduktion im Norden. Insgesamt würden die Verbraucher in Norddeutschland im laufenden Jahr 163 Millionen Euro sparen, während sie in Süddeutschland 275 Millionen Euro mehr zahlen müssten. Zudem würde die Rentabilität erneuerbarer Energien sinken und die von Atom- und Steinkohlekraftwerken steigen: Während sich der Gewinn der Produzenten bei erneuerbaren Energien im Norden um 79 Millionen Euro pro Jahr reduzieren würde, stiege er im Süden um 57 Millionen Euro. Der Gewinn aus Steinkohle- und Kernkraftwerken hingegen würde im Norden um 39 beziehungsweise 15 Millionen Euro jährlich sinken, im Süden allerdings um 57 beziehungsweise 74 Millionen Euro steigen.

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