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Eine Wirkung des Elterngeldes: Mehr Babys werden länger gestillt

Pressemitteilung vom 27. Juli 2015

Mehr Mütter stillen ihre Kinder für die empfohlene Mindestdauer von vier Monaten – eine kürzlich veröffentlichte Studie von Forscherinnen des DIW Berlin führt das auf die Einführung des Elterngeldes zurück

Stillen ist für die Gesundheit Neugeborener von großer Bedeutung und kann auch das Wohlbefinden von Müttern fördern. Die nationale Stillkommission empfiehlt das ausschließliche Stillen Neugeborener für mindestens vier Monate. Unklar war bislang, ob das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld Auswirkungen auf das Stillverhalten von Müttern hat. Eine für Deutschland repräsentative Studie von Forscherinnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis der SOEP-Erhebung zeigt nun: Das Elterngeld hat dazu beigetragen, dass mehr Mütter der Empfehlung der nationalen Stillkommission folgen. „Der Anteil von Müttern, die mindestens vier Monate stillen, hat signifikant zugenommen, aber nur unter den Müttern, die von dem Elterngeld im Vergleich zum Erziehungsgeld profitieren“, sagt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin.

Stichwort SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in etwa 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

Während vor der Reform etwa 61 Prozent dieser Mütter ihre Kinder mindestens vier Monate stillten, sind es seit der Reform 71 Prozent. Mütter, für die sich durch das Elterngeld im Vergleich zum früheren Erziehungsgeld keine neuen Anreize, zu Hause zu bleiben oder ins Erwerbsleben zurückzukehren, ergeben haben, haben ihr Stillverhalten nicht verändert. Weniger deutlich, aber in gleicher Tendenz, fällt das Ergebnis aus, wenn man die Stillzeit von mindestens sechs Monaten analysiert.

Schonraum des Elterngelds wird für Stillen genutzt

Ein Ziel des 2007 eingeführten Elterngeldes war die Schaffung eines Schonraums für Eltern und ihre Kinder im ersten Lebensjahr. Das Elterngeld orientiert sich am Erwerbseinkommen vor Geburt eines Kindes und steht allen Eltern von Neugeborenen zu. Die Höhe beträgt mindestens 300 Euro und maximal 1.800 Euro monatlich. Es wird bis zu 14 Monate ausgezahlt. Von der Einführung des Elterngeldes haben vor allem Eltern profitiert, die vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig waren oder die aufgrund ihres Haushaltseinkommens vorher kein Erziehungsgeld erhielten.

Viele Wirkungsstudien, unter anderem durch das DIW Berlin, haben gezeigt, dass im ersten Lebensjahr - bedingt durch das Elterngeld - tatsächlich mehr Mütter als zuvor keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und zu Hause bleiben. Offen war bislang jedoch die Frage, ob die Kinder von dieser zusätzlichen Zeit profitieren. „Wir  können zeigen, dass die mit dem Elterngeld vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit eines Schonraums für Eltern und ihre neugeborenen Kinder tatsächlich auch messbar dem Wohl der Kinder zugutekommt“, so Familiensoziologin Anja Oppermann.

Studie berücksichtigt andere mögliche Einflüsse

Auf Basis der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) analysierten C. Katharina Spieß und Anita Kottwitz vom DIW Berlin sowie Anja Oppermann vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ), wie sich die Zeit des Stillens - bedingt durch die Elterngeldreform - verändert hat. Für ihre Untersuchung haben die Forscherinnen Daten von mehr als 950 im SOEP befragten Müttern ausgewertet, deren Kinder zwischen 2004 und 2009 geboren wurden.

Um ihre Befunde im Detail zu untermauern, haben die Autorinnen weitere wichtige andere Veränderungen im Untersuchungszeitraum berücksichtigt, darunter den Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Darüber hinaus wurde die Erreichbarkeit babyfreundlicher Krankenhäuser der WHO/UNICEF-Initiative „Babyfreundliches Krankenhaus“ einbezogen. Damit stellten die Autorinnen sicher, dass der positive Effekt auf das Stillverhalten tatsächlich auf das Elterngeld zurückgeführt werden kann, obwohl sich im Untersuchungszeitraum auch andere Faktoren verändert haben. Die Autorinnen der Studie kommen zu dem Schluss: „Das Elterngeld ist zweifellos eine wichtige Komponente zur Unterstützung des Stillens, weitere flankierende Maßnahmen, wie die Unterstützung von Stillen am Arbeitsplatz, könnten darüber hinaus aber ebenfalls positiv wirken.“

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