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Der Forschungsstandort Deutschland nach der Krise

Pressemitteilung vom 21. November 2011

Die deutsche Wirtschaft hat die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise im Hinblick auf ihr Innovationssystem und ihre Innovationsaktivitäten nach starken Belastungen gut überstanden. Das ist das Ergebnis des neuen Vierteljahrsheft zur Wirtschaftsforschung, in dem sich knapp 20 Autoren verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute mit dem Forschungsstandort Deutschland nach der Krise auseinander gesetzt haben. „Es fand sich offensichtlich ein Konsens aller Akteure“, so Alexander Kritikos, Forschungsdirektor Entrepreneurship am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), „die Innovationsaktivitäten krisenbedingt möglichst wenig zurückzufahren.“ Das hat dazu beigetragen, dass sich die deutsche Wirtschaft im Jahre 2010 wie kaum eine andere innovationsgetriebene Ökonomie erholt hat. „Von zentraler Bedeutung“, so Kritikos, „war weiterhin die Sicherung des Humankapitals in den forschungsaktiven Unternehmen, unter anderem durch den verstärkten Einsatz des Kurzarbeitergeldes".

Ungewollte Aktualität erhält das Heft dadurch, dass sich die Anzeichen für eine bevorstehende neue Krise in der Realwirtschaft mehren. „Das macht auch deutlich“, so Kritikos weiter, „wie wichtig es wäre, staatliche Aktivitäten wie eben die Kurzarbeiterregelung in Normaljahren zurückzufahren und in Boomjahren sogar Rücklagen einzustellen, um solche Instrumente in der nächsten Krise wieder wirkungsvoll einsetzen zu können.“

Die Aufsätze in Kürze: Im Eingangsbeitrag untersucht Christian Rammer (ZEW, Mannheim) die Auswirkungen der Krise auf das Forschungsverhalten der Unternehmen. Der kräftige Rückgang der Innovationsausgaben infolge der Umsatz- und Gewinneinbußen traf primär Investitionen in Sachanlagen, die FuE-Budgets blieben im Wesentlichen stabil. Innovative Unternehmen reagierten in der Krise mit Kostensenkung und vor allem mit der Erneuerung ihrer Produktpalette. Heike Belitz, Martin Gornig und Alexander Schiersch (DIW Berlin) untersuchen den Einfluss der Krise auf die internationale Stellung der deutschen Industrie und schließen aus dem jüngsten Anstieg der Arbeitsproduktivität auf das Vorkrisenniveau, dass die deutsche Industrie ihre Stellung trotz Krise behaupten konnte. Andreas Kladroba und Gero Stenke (Stifterverband) widmen sich den Auswirkungen der Krise auf Forschung und Entwicklung der privaten Wirtschaft. Der Rückgang der FuE-Aufwendungen der privaten Wirtschaft fiel aus ihrer Sicht gering aus, die Forschung wurde häufig weitergeführt, und hochqualifiziertes Personal wurde gehalten. Marius Clemens und Florian Mölders (Universität Potsdam und DIW Berlin) untersuchen in ihrem Beitrag den Handel mit forschungsintensiven Gütern, in dem Deutschland ebenfalls seinen Spitzenplatz auf dem Weltmarkt behaupten konnte. Sein Spezialisierungsprofil hat sich nicht wesentlich verändert, wenn sich auch der Trend der forschungsintensiven Exporte hin zum chinesischen Markt während der Krise verstärkt hat. Birgit Gehrke und Ulrich Schasse (NIW, Hannover) beschäftigen sich mit den Folgen der Krise für die Forschungsaktivitäten der deutschen Wirtschaft vor dem Hintergrund des Strukturwandels. In  Deutschland sind die FuE-Aufwendungen in der Krise weniger stark zurückgegangen, als aufgrund seiner Spezialisierung auf hochwertige Produkte zu erwarten gewesen wäre. Stefan Kipar (ifo-Institut, München) zeigt in seinem Beitrag über den Zusammenhang zwischen Kreditvergabe und Innovationstätigkeit, dass Unternehmen, deren Hausbank eine lokal agierende Genossenschaftsbank ist, während der Finanzkrise seltener durch eine restriktive Kreditvergabe in ihren Innovationaktivitäten behindert wurden als Unternehmen, die mit einer privaten Geschäftsbank zusammenarbeiten. Florian Berger und Gero Stenke (Stifterverband) stellen fest, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise die deutsche Hochschullandschaft nur wenig beeinflusst hat. Ihr internationaler Vergleich zeigt, dass verschiedene Universitäten in den USA und England hingegen erhebliche Budgetkürzungen zu verdauen hatten. Der Beitrag von Michael Rothgang und Bernhard Lageman (RWI, Essen) beschäftigt sich mit den Vernetzungs- und Spillover-Effekten. Die beiden Forscher stellen den einschlägigen Förderprogrammen zwar überwiegend ein positives Zeugnis aus, sehen aber weiteren Forschungsbedarf insbesondere bei quantitativen Analysen. Timo Mitze und Björn Alecke (RWI, Essen und GEFRA) untersuchen die Rolle von intersektoralen FuE-Spillover-Effekten für das sektorale Produktivitätswachstum. Sie zeigen, dass das Verarbeitende Gewerbe und darunter insbesondere Hightech-Sektoren einerseits überdurchschnittlich stark von der eigenen Forschung profitieren und andererseits damit positive intersektorale Spillover-Effekte erzeugen.

Der Forschungsstandort Deutschland nach der Krise. Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 3/2011. Berlin: Duncker & Humblot. Journalisten können ein Rezensionsexemplar wahlweise als Print oder pdf-Datei über die Pressestelle des DIW Berlin beziehen.

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