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„Verbraucherpolitik bewegt sich empirisch im Blindflug“

Pressemitteilung vom 21. Januar 2011

Repräsentative empirische Forschung über Konsumentenverhalten sollte ausgebaut werden

Für die politikberatende Verbraucherforschung in Deutschland stellt das Bundesverbraucherministerium eine völlig unzureichende Finanzierung zur Verfügung.  Auch im Vergleich zu den Finanzmitteln, die andere Fachministerien für Forschung aufwenden, ist die Forschungsförderung als unbedeutend zu beurteilen. Dies ist das Fazit einer Stellungnahme von DIW-Expertin Kornelia Hagen bei einer Anhörung des Bundestagsverbraucherausschusses.


Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren nur etwa zwanzig Forschungsaufträge im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes vergeben - ein Bezug zu einem Forschungsprogramm war dabei nicht zu erkennen. Zwar hatte der Wissenschaftliche Beirat für Verbraucher- und Ernährungspolitik beim BMELV ein Forschungskonzept zur Verbraucherpolitik-Forschung vorgelegt – dessen Themen wurden allerdings nur  punktuell aufgegriffen. Daher fordert Kornelia Hagen: „ Wir brauchen einen Diskurs über ein Forschungsprogramm für politikberatende Verbraucherforschung. Darin muss die Wissenschafts-Community ebenso eingebunden sein wie Verantwortliche der Verbraucherpolitik.“

Hagen plädiert auch dafür, schon kurzfristig die Auftragsforschung zu verbraucherpolitisch relevanten Themen finanziell aufzustocken. Mindestens das Fünffache des jetzigen Auftragsvolumens wäre angesichts der Themenfülle und angesichts des gesellschaftlichen Problemdrucks die beste Investition. Um Synergien zu erreichen, müssten diese Mittel gebündelt und auf Kernthemen der Verbraucherforschung konzentriert werden.

„Aufgrund unzureichender Finanzierung basiert das Wissen, das die Verbraucherforschung der Verbraucherpolitik zur Verfügung stellen kann, häufig nur auf Kleinstsamples und ausschnittsweisen Teilanalysen“, kritisierte Hagen. „Gezielte Verbraucherpolitik erfordert hingegen eine kontinuierliche, wiederholte Beobachtung von Märkten und vor allem Untersuchungen, die repräsentativ sind“. Daten, die etwa die Verbraucherzentralen im Rahmen ihrer Beratungen erheben, seien als qualitative Hintergrundinformationen für die Politik durchaus wichtig. Sie böten aber nicht die gewünschte Informationstiefe und liefern auch nicht repräsentative Aussagen. Auch experimentelle Studien zum Verhalten von Verbrauchern seien hilfreich und könnten der Politik erste Hinweise darüber liefern, wie Verbraucher zum Beispiel Informationen wahrnehmen und ihr Kaufverhalten daran ausrichten oder nicht.

„Wer nicht nur auf Skandale reagieren will, braucht systematische Forschung“


„Die Daten der Verbraucherzentralen und die Befunde experimenteller Studien reichen aber nicht aus für eine Politikberatung, die mehr erreichen möchte, als auf Krisen und Skandale zu reagieren“, so Hagen. „Angesichts dieser Datenlücke brauchen wir eine empirische Längsschnittstudie, die umfassend und systematisch Daten über Verbraucherverhalten und dessen Veränderungen liefert. Für den Aufbau dieser Datenbasis eignen würde sich eine institutionell geförderte und unabhängig vom Verbraucherministerium interdisziplinäre Forschergruppe.“

Der Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz hatte Sachverständige aus Wissenschaft und Verbraucherschutz zu einer Anhörung geladen, um sich ein Bild vom Stand der Verbraucherforschung in Deutschland zu machen. DIW-Expertin Hagen nahm dabei zu einem umfassenden Fragenkatalog der Ausschussmitglieder Stellung.

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