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Eine Reform der Pflegeversicherung ist unausweichlich

Pressemitteilung vom 28. September 2011

Deutschland steuert auf einen Pflegenotstand zu. Noch verfügt die gesetzliche Pflegeversicherung über finanzielle Rücklagen. Spätestens im Jahr 2015 dürften diese jedoch aufgebraucht sein. Im Jahr 2009 erhielten rund 2,3 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung, 2050 werden es mehr als doppelt so viele sein. Auf einen solchen Anstieg ist die Finanzierung jedoch nicht ausgelegt. Und schon heute sind die tatsächlichen Kosten der Pflege oft weit höher als die Leistungen, die Betroffene von der Pflegeversicherung erhalten. „Viele alte Menschen zehren bereits heute ihr Vermögen auf, um ihre Pflege zu bezahlen, oder rutschen in die Armut ab. Will man einen Pflegenotstand vermeiden, ist eine Reform der Pflegeversicherung unausweichlich“, urteilt Kornelia Hagen, Forscherin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Derzeit werden verschiedene Reformmodelle diskutiert. Hagen hat sie zusammen mit Wolfram Lamping von der Universität Göttingen untersucht und die Ergebnisse im aktuellen DIW-Wochenbericht vorgestellt. „Alle haben Nachteile, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden sollten“.

Als ein Kernproblem der Pflegeversicherung betrachtet Hagen die fehlende Dynamisierung der Leistungen. Seit der Einführung im Jahr 1995 ist die Kaufkraft der Zahlungen aus der Pflegeversicherung gesunken. Deshalb und weil die Pflegeversicherung nur als Teilkaskoversicherung konzipiert ist, müssen bereits heute pflegebedürftige Heimbewohner oftmals 50 Prozent der tatsächlich anfallenden Kosten selbst tragen oder sind auf das Sozialamt angewiesen. In einer Umfrage lehnte mehr als die Hälfte der befragten Bürger eine private Zusatzversicherung jedoch ab. Zwei Drittel waren dafür, die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung aufzuheben.

Grundsätzlich lassen sich die zahlreichen Reformmodelle in drei Grundtypen einteilen: Der erste ist ein vollständiger Umbau des bisherigen umlagefinanzierten Systems hin zu einer Kapitaldeckung. Zweitens gibt es Vorschläge für eine ergänzende Kapitaldeckung, bei der aber das jetzige Umlageverfahren erhalten bleibt, und schließlich drittens die Möglichkeit, das Umlageverfahren beizubehalten und auszubauen. Im Rahmen des Umlageverfahrens kann die Finanzierung auf unterschiedliche Arten verbessert werden, etwa durch eine Ausweitung des Versichertenkreises und eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen.

„Am Umlageverfahren wird kritisiert, dass es besonders schlecht mit dem demographischen Wandel zurechtkommt, wenn die Gruppe der Einzahler schrumpft, während die Gruppe der Empfänger wächst“, so Kornelia Hagen. Bei der kapitalgedeckten Form hingegen soll theoretisch jeder Versicherte durch Ansparen eines Kapitalstocks seine künftige Pflege selbst absichern. „Tatsächlich muss jedoch auch die kapitalgedeckte Form den demographischen Wandel bewältigen und der Kapitalstock sicher angelegt werden. Die Finanzkrise hat jedoch gerade gezeigt, wie schnell eben noch als sicher geltende Anlageformen plötzlich als unsicher gelten können.“

Kornelia Hagen plädiert deshalb für einen Erhalt des Umlageverfahrens und eine bürgerschaftliche Form der Pflegefinanzierung. „Im Interesse der Qualität der Pflege kann auch eine Beitragsanhebung kein Tabu sein. Und durch eine gesamtwirtschaftlich betrachtet minimale Anhebung wird das Wachstum bestimmt nicht gefährdet. Zentral ist daneben auch eine Zusammenführung der privaten und der sozialen Pflegeversicherung“.

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