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Energiewende und Versorgungssicherheit: Deutschland braucht keinen Kapazitätsmarkt

Pressemitteilung vom 27. November 2013

DIW Berlin empfiehlt eine Strategische Reserve zur Sicherung des Strommarkts

Die Versorgungssicherheit des deutschen Stromsystems ist trotz des Atomausstiegs in den nächsten zehn Jahren in keiner Region des Landes gefährdet. Ein Systemwechsel in Richtung Kapazitätsmarkt ist daher derzeit weder notwendig noch sinnvoll. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die Wissenschaftler erteilen damit entsprechenden jüngsten Forderungen eine klare Absage. „Wir schlagen vor, den derzeitigen, funktionierenden Strommarkt beizubehalten und zu seiner Absicherung eine Strategische Reserve aufzubauen“, sagt DIW-Energieexperte Karsten Neuhoff, der zusammen mit anderen Forschern die Wirkungen  unterschiedlicher Kapazitätsmärkte berechnet hat. „Das ist mit geringeren Risiken und Kosten verbunden und besser mit den Zielen der Energiewende vereinbar.“

In der Debatte um die Versorgungssicherheit geht es letztlich um die Frage, ob der derzeit bestehende Strommarkt aufrecht erhalten, oder ob zusätzlich ein neuer Markt – ein sogenannter Kapazitätsmarkt - geschaffen werden soll. Auf einem Kapazitätsmarkt erhalten Kraftwerke nicht wie derzeit Erlöse nur für den erzeugten Strom, sondern auch für bereitgestellte Kraftwerkskapazitäten. „Dies würde einen erheblichen und irreversiblen Eingriff in den Markt bedeuten und dessen Funktionsweise mittelfristig grundlegend ändern“, sagt DIW-Expertin Claudia Kemfert. So würde die Lenkung von Erzeugungskapazitäten nicht mehr durch den Markt erfolgen.

Der Kapazitätsmarkt treibt die Verbraucherpreise, während die Betreiber konventioneller Kraftwerke sogenannte Windfall Profits – Zufallsgewinne – in beträchtlicher Höhe einstreichen könnten. „Die Kosten für die Schaffung eines Kapazitätsmarkts könnten bis zu drei Milliarden Euro im Jahr 2020 betragen“, so Claudia Kemfert.

Insgesamt schneidet die Strategische Reserve in mehrfacher Hinsicht günstiger ab als ein Kapazitätsmarkt: Sie ist einfacher auszugestalten, kostengünstiger und bringt geringere Verteilungswirkungen zu Lasten der Verbraucher mit sich. Die strategische Reserve erhält die Preissignale im Strommarkt und die resultierenden Anreize für  die verschiedenen Flexibilitätsoptionen. Das ist wichtig, da im Kontext der Energiewende die Anforderungen an die Flexibilität des Stromsystems steigen. Insbesondere wird mit einer Strategischen Reserve die weitere Integration des Europäischen Energiesystems nicht – wie beim Kapazitätsmarkt – gefährdet. Somit ergibt sich zusätzliche Flexibilität und Versorgungssicherheit aus dem Europäischen Verbund.

Aus Sicht der mittelfristigen Bedarfsdeckung besteht auch überhaupt keine Notwendigkeit zur Schaffung eines zusätzlichen Kapazitätsmarkts. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass das Stromsystem selbst bei pessimistischen Annahmen auch weiterhin sicher ist“, sagt DIW-Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen. Das gelte auch für den traditionell kritischen süddeutschen Raum. Das Fazit des DIW-Experten: „Der Fahrplan für den Atomausstieg kann auch ohne Systemwechsel eingehalten werden.“

Links

DIW Wochenbericht 48/2013 (PDF, 2.23 MB)

DIW Wochenbericht 48/2013 als E-Book (EPUB, 2.54 MB)

O-Ton von Karsten Neuhoff
Strategische Reserve - einfach und kostengünstig - Sechs Fragen an Karsten Neuhoff
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