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Deutsche Auswanderer: Jung, weiblich, kinderlos

Pressemitteilung vom 23. September 2009

Die Auswanderungsrate in Deutschland liegt seit mehr als 20 Jahren bei etwa 0,8 Prozent. Eine aktuelle Untersuchung der Langzeitstudie SOEP am DIW Berlin gibt jetzt erstmals Auskunft darüber, wie sich die Gruppe der Auswanderer zusammensetzt. Dabei zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen Deutschen und Migranten: Während unter den Deutschen vor allem junge und ungebundene Akademiker das Land verlassen, handelt es sich bei den Migranten oft eher um Ältere, die in ihre Heimat zurückkehren.
Wer populäre Fernsehsendungen wie „Mein neues Leben“ und „Goodbye Deutschland“ verfolgt, der könnte auf die Idee kommen, dass Auswanderung aus Deutschland seit einigen Jahren im Trend liegt. Sämtliche Statistiken zur Auswanderung aus Deutschland zeigen aber eine seit Jahrzehnten stabile Auswanderungsrate. „Der vermeintliche Trend zur Auswanderung ist vor allem Medienhysterie“, sagt Marcel Erlinghagen, Autor einer aktuellen SOEP-Studie zum Thema Auswanderung in Deutschland. Die Studie untersucht erstens, welche Bevölkerungsgruppen genau auswandern, und zweitens auch, wie es den Auswanderern in ihrer neuen Heimat geht.

Deutsche Auswanderer: Jung, weiblich, kinderlos
Grundsätzlich gilt: Je jünger jemand ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auswandert. Gleichzeitig zeigt sich auch, dass Auswanderer etwas häufiger weiblich sind und meist einen Hochschulabschluss haben und kinderlos sind. Der Grund dafür liegt für Marcel Erlinghagen auf der Hand: „Auswanderung ist auch heute noch immer eine riskante Entscheidung. Wer ungebunden ist und eine gute Ausbildung hat, tut sich damit leichter als jemand, der seine ganze Familie mit in dieses Abenteuer nehmen muss.“ Und in den bevorzugten Auswanderungsländern – der Schweiz, Österreich und den USA – hätten es Akademiker wesentlich leichter als andere, einen neuen Job zu finden.

Vielfältige Gründe für die Auswanderung
Die Analyse der Auswanderer lässt auch Rückschlüsse auf die Gründe der Auswanderungsentscheidung zu. Dabei zeigt sich vor allem eins: „Es gibt meistens nicht den einen Grund zur Auswanderung. Wer eine solch folgenschwere Entscheidung fällt, hat dafür meist mehrere, zusammenhängende Gründe.“, so Marcel Erlinghagen. Diese Gründe sind meistens sowohl privater als auch beruflicher Natur – auffällig ist aber, dass die Zufriedenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Lage meist keine Rolle spielt.

Auswanderung bei Migranten: Ein völlig anderes Bild
In der SOEP-Studie wird zwischen Deutschen einerseits und Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund andererseits unterschieden. Mit gutem Grund, denn in dieser Gruppe zeigt sich ein völlig anderes Bild der Auswanderer: Hier sind die Auswanderer deutlich älter, oft Rentner und oft arbeitslos. „Wir verlieren hier vor allem diejenigen, die überhaupt nicht oder nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert sind“, sagt Marcel Erlinghagen. „Dazu kommt dann noch die große Gruppe von Auswanderern, die mit dem Eintritt in den Ruhestand weiterwandern oder in ihre Heimat zurückkehren.“ Und: Je länger jemand in Deutschland lebt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auswandert. Marcel Erlinghagen sagt: „Wenn jemand länger als 20 Jahre in Deutschland lebt, können wir eigentlich gar keine Unterschiede mehr zum Auswanderungsverhalten von Deutschen feststellen.“

Auswanderung als Erfolgsgeschichte?
Im Rahmen des Pilotprojekts „Leben außerhalb Deutschlands“ hat das SOEP auch erstmals untersucht, wie es Auswanderern in ihrer neuen Heimat geht. „Die meisten Befragten sagen ganz klar, dass sich ihre Lebenszufriedenheit deutlich verbessert hat und dass sie ihre Entscheidung zur Auswanderung nicht bereuen“, sagt Marcel Erlinghagen, weist dabei aber auch auf die geringe Anzahl von Befragten hin: „Wir haben nur etwa 50 Prozent der verschickten Fragebögen zurückbekommen. Das lässt natürlich vermuten, dass eher diejenigen geantwortet haben, deren Auswanderung erfolgreich war.“ Umso mehr sei deshalb das Sechstel zu beachten, dass seine Auswanderung bereut.

Stichwort SOEP
Das am DIW Berlin angesiedelte Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine seit 25 Jahren laufende Wiederholungsbefragung. Jedes Jahr werden mit Hilfe von von TNS Infratest Sozialforschung rund 11 000 Haushalte in Deutschland befragt. Die Daten des SOEP geben Auskunft zu Fragen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, wird in den Daten auch festgehalten, welche Teilnehmer ins Ausland verzogen sind. Diese Teilnehmer wurden für die vorliegende Studie untersucht und im Rahmen des Pilotprojekts „Leben außerhalb Deutschlands“ befragt.

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