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Im Laufe ihres Lebens werden die Deutschen immer religiöser – aber die Kirchenbänke werden trotzdem nicht voller

Pressemitteilung vom 18. April 2011

Im Laufe Ihres Lebens werden die Deutschen immer religiöser. Das ist das zentrale Ergebnis einer kürzlich in der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“ veröffentlichten Studie des Chemnitzer Soziologen Daniel Lois. „Mit zunehmendem Alter besuchen vor allem die Westdeutschen immer häufiger einen Gottesdienst“ sagt Lois.

Stichwort SOEP

Die Untersuchung basiert auf den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), der größten und am längsten laufenden interdisziplinäre Längsschnittuntersuchung in Deutschland. Das SOEP ist am DIW Berlin angesiedelt und gibt Auskunft über Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale, Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Im Auftrag des DIW Berlin werden jährlich mehr als 20.000 Personen in rund 10.000 Haushalten vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung befragt. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

Erstmals in Deutschland hatte der Soziologe Daniel Lois empirisch untersucht, wie sich die Religiosität der Deutschen im Lebenslauf entwickelt. Dafür wertete er Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus, die zwischen 1992 bis 2007 erhoben wurden. Das am DIW Berlin angesiedelte SOEP ist die größte und am längsten laufende  Längsschnittbefragung in Deutschland.

Lois fand heraus, dass unter den Westdeutschen die Zahl der Gottesdienstbesuche vor allem nach der Heirat und nach der Einschulung der Kinder ansteigt.  Auch nach dem Tod des Partners gehen sie häufiger in die Kirche. „Die Verbindung zu Gott kompensiert für viele Menschen die verloren gegangene Beziehung zum Partner“, vermutet der Soziologe.

Darüber hinaus wenden sich die Westdeutschen verstärkt der Religion zu, nachdem sie in Rente gegangen sind. „Für viele ist der Gottesdienstbesuch eine Freizeitbeschäftigung, für die sie erst im Alter genügend Zeit finden“, sagt Lois.

Die religiösen Gewohnheiten der Ostdeutschen ändern sich durch familiäre Ereignisse dagegen nicht. Lois erklärt diesen Unterschied durch den so genannten Transmissionseffekt. Damit meint er, dass Menschen im Ostdeutschland Verhaltensmuster ihrer in der DDR aufgewachsenen Eltern übernommen haben. „Zu DDR-Zeiten haben viele Eltern ihre Kinder nicht taufen lassen, um ihnen Konflikte mit dem politischen System zu ersparen“, erklärt er. „Trotz des politischen Wandels wiederholen deren Söhne und Töchter dieses Verhalten“.

Die Sorge vor leeren Kirchenbänken kann Lois vielen Gemeinden dennoch nicht nehmen. Denn die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigen auch: Insgesamt betrachtet gehen die Deutschen von Jahr zu Jahr seltener in die Kirche.

Lois, Daniel (2011): Wie verändert sich die Religiosität im Lebensverlauf? Eine Panelanalyse unter Berücksichtigung von Ost-West-Unterschieden. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 63: 83-110.

Kontakt:
Dr. Daniel Lois
Tel.: +49 371-53133191
Mail: daniel.lois@soziologie.tu-chemnitz

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