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Vorteile des Target-Systems für Deutschland werden unterschätzt

Pressemitteilung vom 30. Oktober 2013

Target-Salden sind ein Stabilitätsanker für den Euroraum – Ungleichgewichte im Target-System reflektieren vor allem Kapitalabflüsse deutscher Investoren

Das europäische Zahlungsverkehrssystem Target 2 hat Deutschland nicht nur Risiken, sondern auch viele Vorteile und ein höheres Maß an finanzieller Sicherheit beschert. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in seinem aktuellen Wochenbericht vorstellt. Seit Ausbruch der Krise im Euroraum haben deutsche Investoren rund 390 Milliarden Euro aus den Krisenländern Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien und Zypern abgezogen. Deutsche Vermögenswerte in diesen Ländern belaufen sich noch immer auf 740 Milliarden Euro. „Dass deutsche Investoren diese Gelder problemlos abziehen und Verluste reduzieren konnten und weiterhin können, ist vor allem auch dem Target-System und der Liquiditätsbereitstellung der Europäischen Zentralbank zu verdanken“, urteilen die Studienautoren Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin, Philipp König und Claudia Lambert, beide wissenschaftliche Mitarbeiter der Abteilung Makroökonomie. „Deutschland ist nicht – wie vielfach behauptet – Geschädigter des Target-Systems, sondern einer seiner Nutznießer.“

Über das Target-System wird der gesamte grenzüberschreitende Zahlungsverkehr innerhalb des Euroraums abgewickelt. Dabei entsteht einer nationalen Zentralbank eine Target-Forderung, wenn den Banken eines Landes mehr Liquidität zufließt, als sie an das Ausland überweisen. Umgekehrt entsteht eine Target-Verbindlichkeit, wenn den Banken weniger Liquidität zufließt, als sie an das Ausland überweisen. Die Deutsche Bundesbank besitzt derzeit Target-Forderungen in Höhe von rund 570 Milliarden Euro, auf ihrem Höchststand lagen sie im Juli 2012 bei etwa 750 Milliarden Euro.

Target-System leistet wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung

Nach Meinung der DIW-Ökonomen ist die Annahme eines Totalausfalls von Target-Forderungen im Fall des Euro-Austritts eines Krisenlandes wenig plausibel, auch aufgrund historischer Erfahrungen bei der Abwicklung von Staatsschuldenkrisen. Viele Aspekte sprächen zudem für das Target-System. Nicht nur, dass deutsche Anleger Gelder aus dem Ausland abziehen konnten – das Zahlungsverkehrssystem und die Zentralbankhilfen erfüllten auch eine wichtige Puffer-Funktion, die Kriseneffekte dämpfe, die Kapitalflucht zu bewältigen helfe und den Krisenländern Zeit für notwendige Reformen verschaffe, so die Autoren. Diese stabilisierende Wirkung sei nicht zu unterschätzen. „Die Konsequenzen des Szenarios, in dem die Zentralbank das Bereitstellen von Liquidität verweigert und die Krisenstaaten so zu einer schlagartigen Anpassung zwingt, wären fatal, sowohl für die Krisenländer selbst als auch für Deutschland“, heißt es in der Studie.

So wäre die Bundesrepublik nicht zuletzt als Exportnation stark betroffen: Zwischen 2009 und 2012 exportierten deutsche Unternehmen allein in die Krisenländer des Euroraums Waren im Wert von rund 428 Milliarden Euro. „Die Ausgestaltung des Zahlungsverkehrs im Euroraum über das Target-System ist für seine Stabilität gegenwärtig alternativlos“, betonen die Autoren. Sobald die Krise durch strukturelle Maßnahmen in den Krisenländern überwunden sei und die EZB zum Vorkrisen-Modus der Liquiditätsbereitstellung zurückkehren kann, würden sich auch die Target-Salden wieder reduzieren.

Links

DIW Wochenbericht 44/2013 (PDF, 0.82 MB)

DIW Wochenbericht 44/2013 als E-Book (EPUB, 2.86 MB)

O-Ton von Philipp König
Claudia Lambert

Ausgleich der Target-Salden erst nach Ende der Euro-Krise - Sieben Fragen an Claudia Lambert und Philipp König
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