Direkt zum Inhalt

Gesetzlicher Mindestlohn: kein verteilungspolitisches Allheilmittel

DIW Wochenbericht 39 / 2013, S. 3-17

Karl Brenke, Kai-Uwe Müller

get_appDownload (PDF  0.69 MB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  1 MB)

Abstract

Alle im Bundestag vertretenen Parteien treten inzwischen für Mindestlohnregulierungen ein, deutlich unterschiedliche Positionen gibt es jedoch hinsichtlich der Gestaltung und der Höhe. In der vorliegenden Untersuchung wird gezeigt, dass bei einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn vor allem die Löhne von geringfügig Beschäftigten, Frauen, Personen ohne Berufsausbildung und Arbeitnehmern, die nicht im gelernten Beruf tätig sind, sowie von Beschäftigten in Ostdeutschland angehoben werden müssten. Betroffen wären insbesondere Kleinstbetriebe sowie Anbieter konsumnaher Dienstleistungen, kaum indes Wirtschaftszweige, die unmittelbar dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Generell müsste ein Mindestlohn nach den Ergebnissen der ökonomischen Forschung nicht mit Arbeitsplatzverlusten einhergehen. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Wirkungen stark von der Höhe der festgesetzten Lohnuntergrenze abhängen. Durch einen Mindestlohn könnte zwar die Lohnspreizung verringert werden, und Gerechtigkeitsvorstellungen, wie sie von einer großen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland geteilt werden, würden so weniger verletzt als gegenwärtig. Zu einer Einebnung der Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und zu einer wesentlichen Verringerung von Armut käme es aber nicht. Ebenfalls wäre nicht zu erwarten, dass die Zahl derjenigen Arbeitnehmer, die Leistungen nach Hartz IV beziehen (Aufstocker), stark zurückginge. Ein kräftiger gesamtwirtschaftlicher Kaufkraftschub ist ebenfalls nicht anzunehmen. Die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns in Deutschland wäre ein Feldexperiment, das mit Bedacht angegangen werden sollte. Aus wissenschaftlicher Sicht sollte beim Einstieg das Niveau nicht zu hoch angesetzt werden, und die Wirkung des Mindestlohns müsste sorgfältig beobachtet werden. Erweist sich ein allgemeiner Mindestlohn als unschädlich für die Beschäftigung, sollte sein Niveau zügig angehoben werden. Bei der Einführung ist darauf zu achten, dass die Regulierung nicht unterlaufen wird - etwa durch unbezahlte Mehrarbeit oder durch die vermehrte Beschäftigung in Form von Minijobs oder Werkverträgen.

All parties represented in the Bundestag now support minimum-wage regulations, yet their positions on its structure and amount differ significantly. The present study shows that a general statutory minimum wage would mainly have to increase the wages of workers in "marginal employment," women, persons with no vocational training, workers employed in fields other than those in which they were trained, and workers in eastern Germany. Very small businesses and consumer service providers would be impacted most of all, but those sectors of the economy directly exposed to international competition hardly at all. According to the results of economic research, a minimum wage would not generally lead to job losses. However, there are indications that the effects depend strongly on the amount of the minimum wage. A minimum wage could reduce the wage differential and would be more in line with what a large majority of the German population currently considers fair. However, it would not even out inequalities in the disposable incomes of private households or significantly reduce poverty. Nor could the number of workers receiving Hartz IV benefits (means tested minimum income support), i. e., income supplements, be expected to fall significantly. A powerful boost in overall purchasing power would not be expected, either. Introducing a general minimum wage in Germany would be a field experiment to be approached with caution. From a scientific point of view, the level should not be too high at first, and the impact of the minimum wage should be observed closely. If it proves not to have negative effects on employment, the general minimum wage should be increased rapidly. When it is introduced, care should be taken that regulation is not circumvented - for example through unpaid additional work or increasing the number of people in employed in "mini-jobs" or through contract work.



JEL-Classification: J38;J31
Keywords: Minimum wages, effects in Germany
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/83685

keyboard_arrow_up