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Solo-Selbständige in Deutschland: Strukturen und Erwerbsverläufe ; Kurzexpertise für das BMAS

Externe Monographien

Karl Brenke

Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2016, 57 S.
(Forschungsbericht / Bundesministerium für Arbeit und Soziales ; 465)

Abstract

Lange Zeit stieg die Zahl der Solo-Selbständigen recht dynamisch an. Für den Aufschwung waren verschiedene Faktoren verantwortlich, die sich zum Teil überlagerten und ergänzten. Zum einen machte sich ein sektoraler Wandel bemerkbar, der die Ausbreitung der Solo- Selbständigkeit begünstigte. Dazu zählt etwa das starke Wachstum des Kreativsektors. Zum zweiten war ein funktionaler Wandel wirksam: Betriebe bzw. Behörden lagerten zwecks Kostenersparnis vermehrt Funktionen an Freiberufler aus; Beispiele dafür lassen sich u. a. im Mediensektor, bei manchen personenbezogenen Diensten (etwa Sozial- und Pflegedienste, Weiterbildung etc.) oder bei unternehmensnahen Diensten (beispielsweise dem Transportgewerbe) finden. Zum dritten kamen Sondereinflüsse zum Tragen - wie die EU-Erweiterung und die Nichtgewährung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Personen aus den Beitrittsländern sowie die Liberalisierung des Handwerksrechts. Zum vierten griffen konjunkturelle Einflüsse: Weil es an Jobs in einer abhängigen Beschäftigung mangelte, wurde eine Existenzgründung in Angriff genommen - und diese Entwicklung ist zeitweilig stark durch eine Subventionierung zuvor arbeitsloser Gründer gefördert worden. Begleitet wurde der lange Aufschwung der Solo-Selbständigkeit von einer kräftigen Zunahme der Teilzeitbeschäftigung sowie einer schwachen Einkommensentwicklung bei den Alleinunternehmern. Damit ist es seit Anfang 2012 vorbei, denn seitdem nimmt die Zahl der Solo-Selbständigen ab. Vor allem schlug der konjunkturelle Einfluss unter geänderten Vorzeichen zu Buche. Denn die Zahl der Gründer geht deutlich zurück; insbesondere wechseln weniger Personen in die Solo-Selbständigkeit, die zuvor Arbeitnehmer oder arbeitslos waren. Der Arbeitsmarkt bietet angesichts der günstigen Konjunktur oft bessere Beschäftigungsalternativen. Zugleich nehmen auch die Einkommen der Solo-Selbständigen je geleisteter Stunde zu. Die Teilzeittätigkeit lässt nach - wohl weil es sich hierbei nicht selten nur um eine Notlösung gehandelt hat. Gerade bei den akademisch Ausgebildeten geht die Zahl der Solo-Selbständigen zurück. Eine kleine, aber deutlich gewachsene Gruppe unter den Solo-Selbständigen stellen diejenigen Personen dar, die nahe dem gesetzlichen Ruhestandsalter sind oder es bereits überschritten haben. Unter ihnen finden sich viele Gründer, oft wohl frühere Arbeitnehmer. Hier wird indes häufig in Teilzeit gearbeitet; die pro Stunde erzielten Einkünfte liegen jedoch weit über dem Durchschnitt. Somit zeigt sich ein anderer Trend: Im Zuge der Alterung des Erwerbspersonenpotenzials, insbesondere aber wegen einer wachsenden Erwerbsneigung, wird - soweit der gesundheitliche Zustand es zulässt - der Ruhestand aufgeschoben. Das ist nicht zuletzt bei höher qualifizierten, komplexen Tätigkeiten der Fall, die nicht selten mit einer starken intrinsischen Arbeitsmotivation einhergehen dürften. Unter den Solo-Selbständigen zeigt sich in vielerlei Hinsicht eine starke Streuung. Das gilt etwa für die Berufe: So haben einerseits Tätigkeiten, die üblicherweise eine akademische Ausbildung voraussetzen, ein erhebliches Gewicht; zum anderen gibt es nicht wenige Solo- Selbständige mit einfachen Jobs. Manche entsprechenden Tätigkeiten sind eine Domäne der solo-selbständigen Beschäftigung. Zudem zeigt sich eine enorme Streuung bei den Einkommen: Ein eher kleinerer Teil erreicht hohe Einkünfte, die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen je Stunde werden indes von den entsprechenden Gruppen der Arbeitnehmer übertroffen. Auch in einer Reihe von Berufen, die hohe Anforderungen an die Qualifikation der Erwerbstätigen stellen, kommen Solo-Selbständige nicht selten nur auf niedrige Einkünfte - man könnte sie als akademisches Proletariat in Form einer selbständigen Beschäftigung bezeichnen. Mitunter sind die persönlichen Einkommen so gering, dass sie kaum allein zum Leben ausreichen dürften. Hier könnte mitunter die Gefahr von Marktverzerrungen bestehen, weil erst ab einem bestimmten Einkommen bzw. Umsatz Mehrwertsteuer zu zahlen bzw. den Kunden in Rechnung zu stellen ist. Zu einem Unterschreiten dieser Grenze könnte es nicht selten etwa bei Geringverdienern wie den Friseuren kommen. Allerdings lässt sich auch feststellen, dass sich die Einkommensstreuung unter den Solo-Selbständigen in den letzten Jahren verringert hat. Schließlich zeigt sich eine deutliche Streuung bei den Vermögen. Ein Drittel hat gar kein oder nur ein geringes Vermögen, und ein anderes Drittel verfügt über Vermögenswerte von mindestens 100 000 Euro; immerhin die Hälfte hat 50 000 Euro und mehr. In dieser Hinsicht stehen die Solo-Selbständigen deutlich besser da als die Arbeitnehmer. Bei den Solo-Selbständigen fällt allerdings ebenfalls auf, dass ein relativ hoher Anteil - mehr als ein Drittel - aus den laufenden Einnahmen des Haushaltes keine Ersparnisse bilden kann. Die Altersvorsorge in Form regelmäßiger Versicherungszahlungen hat bei den Solo-Selbständigen an Bedeutung verloren. Nicht einmal mehr die Hälfte sorgt entsprechend für das Alter vor. Der Anteil derer, die gesetzlich rentenversichert sind, ist im Zeitverlauf etwas geschrumpft. Noch stärker zurückgegangen ist der Anteil derjenigen, die in eine private Lebensversicherung mit einer hohen Versicherungssumme einzahlen. Diese Form der Vorsorge ist inzwischen nur noch für wenige Solo-Selbständige von Belang. Anhand der vorliegenden Daten lässt sich nicht belegen, dass gerade solche Personen die gesetzliche Rentenversicherung meiden, die besonders geringe Einkommen haben. Die gesetzlich Rentenversicherten haben - jedenfalls netto - keine höheren Einkünfte als diejenigen, die nicht gesetzlich versichert sind. Es zeigt sich ebenfalls kein deutlicher Zusammenhang der Art, dass die Solo-Selbständigen bestimmter Berufe in sehr hohem Maße gesetzlich rentenversichert sind und in manchen Berufen fast gar nicht. Zwar gibt es in dieser Hinsicht gewisse Unterschiede - stark ausgeprägt sind die aber nicht. Weil die in der Untersuchung verwendeten Datensätze nicht miteinander verknüpft werden können, muss eine wichtige Frage unbeantwortet bleiben: Wie viele Solo-Selbständige gibt es, die zwar nicht durch regelmäßige Zahlungen in eine Renten- oder Lebensversicherung für das Alter vorsorgen, die aber hinreichend durch ein Vermögen für den Ruhestand abgesichert sind?

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