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Rückkehrrecht in Vollzeit

Medienbeitrag vom 11. Juni 2018

Die große Koalition will erneut die Rückkehr in Vollzeit gesetzlich festschreiben. Davon profitieren vor allem Frauen.

Der neue Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil hat auf den Weg gebracht, was schon seit langem ein Anliegen des kleineren Koalitionspartners SPD war: das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit. Von dem neuen Gesetz werden vor allem Arbeitnehmerinnen profitieren, aber auch die Unternehmen, die mit innovativen Arbeitszeitstrategien qualifizierte Arbeitskräfte an sich binden können.

Über das gesetzliche Anrecht auf befristete Teilzeit beziehungsweise das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit wird seit längerem gestritten. Ein auf dem Koalitionsvertrag von 2013 basierender Gesetzentwurf scheiterte in der letzten Legislaturperiode an Schwellenwerten für die Größe der betroffenen Unternehmen.

Der neue Gesetzentwurf, den das Kabinett derzeit verhandelt, ist allein schon deswegen vielversprechender, weil er einen detaillierten Kompromiss bei den Betriebsgrößen vorsieht. Zu begrüßen ist vor allem, dass er verschiedene arbeitszeit- und gleichstellungspolitische Probleme angeht.

Dass viele Teilzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit ausdehnen beziehungsweise auf eine Vollzeitstelle wechseln möchten, bezeugen Umfragedaten zu gewünschten und tatsächlichen Arbeitszeiten. Abgesehen von Hemmnissen wie der nach wie vor unzureichenden Ganztagsbetreuung von Kleinkindern scheitert die Realisierung der Arbeitszeitwünsche auch oft an der mangelnden Flexibilität der Arbeitgeber. Forschungsergebnisse zum 2001 geschaffenen Recht auf Teilzeit weisen auf die Wirksamkeit solcher Regelungen hin, obwohl sich mit gesetzlich verbrieften Ansprüchen die finanziellen Anreize nicht verändern.

Vor allem aber besitzt das Rückkehrrecht eine wichtige Gleichstellungsfunktion: Knapp 80 Prozent der Teilzeitjobs in Deutschland werden von Frauen ausgeübt. Von der Möglichkeit einer gesetzlich garantierten befristeten Teilzeit, das heißt von einem Übergang aus einer Vollzeit- in eine Teilzeittätigkeit und der anschließenden Rückkehr zu längeren Arbeitszeiten dürften fast ausschließlich Frauen profitieren.

Damit würde ein Karriereknick – beispielsweise nach einer Erziehungsphase – abgefedert und die Gleichstellung am Arbeitsmarkt qualitativ erhöht. Verhindert würde damit, dass die „Teilzeitfalle“ im Lebensverlauf zu schlechteren Jobs und damit geringerem Lohnwachstum und kleineren Rentenansprüchen führt.

Die Bedenken aufseiten der Arbeitgeber müssen ernst genommen werden. Interne Flexibilitätsspielräume werden unbestritten auch von der Unternehmensgröße bestimmt. Ebenso hängen sie von der Branche und der jeweiligen Produktionstechnologie ab. Allerdings versprechen flexiblere Arbeitszeitarrangements perspektivisch auch deutliche Vorteile für Unternehmen.

Die Kosten, die die Einarbeitung einer neuen Arbeitskraft verursacht, übersteigen nicht notwendigerweise die Kosten, die entstehen, wenn im Falle einer mangelnden Arbeitszeitflexibilität eingearbeitete Kräfte dem Betrieb – zumindest in ihrer bisherigen Tätigkeit – verloren gehen. Eine beschäftigtenfreundliche Arbeitszeitkultur kann nicht nur qualifizierte Arbeitskräfte längerfristig binden, sondern tendenziell auch knapper werdende Fachkräfte anziehen.

Vom aktuellen Gesetzentwurf sind nur Firmen mit mehr als 45 Beschäftigten betroffen. Die Zahl gewährter Teilzeitbefristungen pro Betrieb ist beschränkt. Diese Zugeständnisse an die Arbeitgeber kritisieren zwar einige, die befürchten, dass von diesen Beschränkungen zu viele Teilzeitbeschäftigte in kleinen Betrieben ausgeschlossen sind. Der Kompromiss ist aber gerechtfertigt, wenn damit die Regelung endlich auf den Weg gebracht wird und sich in der Praxis als Win-win-Situation erweisen kann.

Die nachvollziehbare Kritik, dass Beschränkungen die Effektivität der Regelung schmälern und Gerechtigkeitsprobleme in Unternehmen aufwerfen, würde sich auflösen, wenn sich die Arbeitszeitkultur in Unternehmen mittelfristig anpasst und flexible Arrangements auf freiwilliger Basis vereinbart werden.

Das Rückkehrrecht ist aber nur ein wichtiger Baustein in einer arbeitsmarkt- und familienpolitischen Gesamtstrategie, der insbesondere die Arbeitszeitflexibilität im Lebenszyklus erhöht. Die Erwartungen an diese Maßnahme sollten schon allein deswegen nicht überzogen sein, weil sie lediglich ein spezifisches Problem der Arbeitszeit- und Gleichstellungspolitik angeht.

Zusammen mit bereits gesetzlich verankerten flexibleren Regelungen beim Elterngeld, im Pflegebereich oder dem Übergang zur Rente beschreitet die Politik damit den richtigen Weg. Es sind aber noch weitere Hürden aus dem Weg zu räumen.

Der Gastbeitrag von Kai-Uwe Müller ist am 8. Juni 2018 in der Frankfurter Rundschau erschienen.

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