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CO2-Differenzverträge für innovative Klimalösungen in der Industrie

DIW aktuell ; 23, 5 S.

Jörn Richstein, Karsten Neuhoff

2019

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Die Klimaziele können nur mit einem Wechsel hin zu neuen Technologien und Praktiken für die Produktion und Nutzung von Grundstoffen, wie Zement, Stahl und Chemikalien, erreicht werden. Die Produktion solcher Grundstoffe macht nämlich rund 16 Prozent der europäischen und 25 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Der moderate CO2-Preis im europäischen Emissionshandel (EU-ETS) und die unsichere Preisentwicklung bieten jedoch nicht genügend Anreize für Investitionen in und den Einsatz von innovativen klimafreundlichen Optionen. Hierfür sind neue Politikinstrumente notwendig. Projekt-basierte CO2-Differenzverträge sind, in Kombination mit einem Klimapfand, besonders geeignet: Sie senken die Finanzierungskosten von klimafreundlichen Investitionen, setzen die richtigen Anreize für Emissionsminderungen und wären ein klares Signal des Engagements der Regierungen für langfristige politische Ziele.

Was sind CO2-Differenzverträge und wie funktionieren sie?

Projekt-basierte CO2-Differenzverträge (Carbon Contracts for Differences, kurz CCfDs) bieten Regierungen die Möglichkeit, Investoren in klimafreundliche Technologien und Praktiken einen festen Preis zu garantieren, mit dem CO2-Emissionsminderungen über den aktuellen Preis im europäischen Emissionshandel hinaus belohnt werden. Unternehmen hätten damit einen Anreiz, klimafreundliche, innovative Investitionen zu tätigen und so ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, da sie dann frei zugeteilte CO2-Zertifikate zu diesem vereinbarten festen Preis verkaufen können, die sie nicht mehr brauchen (weil sie die entsprechenden Emissionen nicht mehr generieren).[1] Je höher dieser Verkaufspreis, desto größer der Anreiz, auf klimafreundliche Prozesse umzusteigen.

Der CCfD wird zwischen dem Staat und einem Investor für ein spezifisches Projekt abgeschlossen. Er verpflichtet Ersteren, die Differenz zwischen dem Marktpreis für Emissionszertifikate im Emissionshandel (EUAs) und dem höheren Vertragspreis auszuzahlen, wenn der Marktpreis niedrig ist, und gewährleistet so einen garantierten CO2-Preis für das Projekt. Im Gegenzug ist der Investor zur Zahlung verpflichtet, wenn der CO2-Marktpreis den Ausübungspreis des Vertrages übersteigt (Abbildung 1).

Das Preisniveau des CCfD kann dabei beispielsweise die erwartete CO2-Preisentwicklung während einer Vertragslaufzeit von bis zu 20 Jahren widerspiegeln, und so z.B. bei 50 Euro pro Tonne CO2 liegen, weit über den EU-ETS Preis von aktuell knapp 25 Euro/t. Das wäre hoch genug, um, ggf. in Kombination mit weiteren Förderinstrumenten, Investitionen in neue Technologien auszulösen.  

CCfDs funktionieren sowohl, wenn Emissionszertifikate zugeteilt werden, als auch wenn Zertifikate auktioniert werden und eine Umlage der CO2-Kosten auf Verbraucherpreise durch Unternehmen stattfindet. Im ersten Fall ergänzen die Zahlungen aus dem CCfD die Erlöse aus dem Verkauf von frei zugeteilten Zertifikaten. Im zweiten Fall ergänzt er die Mehrerlöse aus den durch die Weitergabe von CO2-Kosten erhöhten Grundstoffpreisen. Die Emissionsreduktionen werden berechnet, indem die verifizierten Emissionen einer Anlage von den Emissionen abgezogen werden, die mit einer herkömmlichen Technologie zu erwarten gewesen wären (ermittelt durch Multiplikation der Produktionsmengen mit dem EU-ETS-Benchmark der Emissionen).

Die Innovationsfähigkeit, die umfangreiche Emissionsreduktionen möglich macht, kann dadurch gewährleistet werden, dass die CO2-Differenzverträge nur für solche Projekte vergeben werden, die mit den Klimazielen der EU und nationaler Regierungen vereinbar sind. Eine Überprüfung der Innovationsfähigkeit könnte zum Beispiel im Rahmen weiterer Innovationsförderungen, wie durch den EU-ETS Innovationsfonds oder nationale Äquivalente, sichergestellt werden.

CO2-Differenzverträge senken Kosten

CCfDs haben den großen Vorteil, dass sie die Finanzierungskosten von Investitionen in klimafreundliche Produkte und Prozesse reduzieren. Folglich rechnen sich  Investitionen in saubere Technologien bereits, wenn CO2-Preise geringer sind.[2] Die Stabilisierung der Erlösströme aus den normalerweise stark schwankenden CO2-Preisen ermöglicht es den Investoren, Kredite abzusichern und dadurch Finanzierungskosen zu reduzieren. [3] Die staatliche Absicherung der CCfDs bietet Gläubigern wie Banken oder Anleihemärkten Sicherheit in die Rückzahlung. Der CCfD senkt damit die Hürden für Investitionen, weil er den Einsatz von mehr Fremdkapital ermöglicht. Das wiederum reduziert die Gesamtfinanzierungskosten im Vergleich zu einem Fall ohne CCfD. Darüber hinaus ist eine Kombination mit Investitionszuschüssen zum Beispiel aus dem EU Innovationsfonds denkbar, welche in einem gemeinsamen Vergabeverfahren kombiniert werden könnten und so die Koordination für Regierungen und Unternehmen zwischen verschiedenen Instrumenten vereinfacht.2

In Abbildung 2 wird die Reduktion der CO2-Vermeidungskosten für eine Investition in ein Wasserstoff-Stahlwerk[4] unter zwei verschiedenen Strompreisen und Niveaus der freien Zuteilung dargestellt. Der CCfD kann die Finanzierungskosten in beiden Fällen um knapp 15 Prozent senken, bzw. bei einem CO2-Preis von 60 Euro (bei einem Strompreis von 50 Euro/MWh) den dann nötigen Investitionskostenzuschuss von ca. 50 Prozent auf 20 Prozent reduzieren. Dieses Beispiel unterstreicht die zentrale Bedeutung günstiger Strompreise für Emissionsminderungen in der Industrie heraus.[5]

CO2-Differenzverträge setzen effiziente Anreize für dauerhafte Emissionsminderun-gen und bauen auf den Emissionshandel auf

Innovative Technologien zur Emissionsreduktion im Industriebereich zeichnen sich nicht nur durch aktuell höhere Investitionskosten, sondern auch durch höhere Betriebskosten aus. Bei einer Förderung, die lediglich Investitionen bezuschusst, besteht das Risiko, dass sich bei geringen CO2-Preisen der Betrieb einer bereits Anlage nicht lohnt und diese zur Investitionsruine wird. Bereits die Antizipation einer solchen möglichen Entwicklung kann eine Barriere für innovative Investitionen darstellen,. Da Zahlungen von Differenzverträgen an die erbrachten Emissionsminderungen in einem bestimmten Projekt gekoppelt sind, werden bereits im Investitionsstadium Anreize für einen langfristigen Erfolg des Projektes gesetzt, die im Betrieb bestehen bleiben. Darüber hinaus können CCfDs auf die Kontrollmechanismen zu CO2-Emissionen aufbauen, die der Emissionshandel etabliert hat.

Signalwirkung durch langfristige politische Zielsetzung mit Selbstverpflichtung

CO2-Differenzverträge können dazu dienen, langfristige politische Ziele und politischen Ehrgeiz sichtbar zu machen, und sie stellen eine glaubhafte Selbstverpflichtung der Klimapolitik dar.[6] Da Regierungen bei CCfDs höhere Kosten entstehen, wenn die CO2-Preise langfristig niedrig bleiben oder gar fallen, sind diese Verträge auch ein Anreiz für die Politik, zu Rahmenbedingungen für einen starken europäischen Emissionshandel beizutragen. Wenn Unternehmen durch die CCfDs in die Entwicklung innovativer Technologien investiert haben, besteht auch ihrerseits Interesse daran, dass der Emissionshandel stark ist und zukünftige Investitionen in klimafreundliche Technologien ermöglicht.

CO2-Differenzverträge benötigen eine volle Internalisierung von CO2-Kosten

Materialhersteller und deren Technologielieferanten werden Investitionen in klimafreundliche Produktionsprozesse nur dann zur Priorität machen, wenn sie Teil einer erfolgsversprechenden Technologiestrategie sind. Deswegen ist die volle Internalisierung der CO2-Kosten in den Materialpreisen notwendig, denn sie stellt sicher, dass auch die Mehrkosten von klimafreundlichen Produktionsprozessen weitergegeben werden können. Dies kann über ein Klimapfand (Einbezug des Konsums in den Emissionshandel) auf Materialien unter Beibehaltung der freien Allokation erfolgen, oder durch einen Übergang von der freien Allokation von Emissionszertifikaten zur vollen Auktionierung ergänzt durch Grenzausgleichsmaßnahmen.[7]

Fazit: CO2-Differenzverträge sind ein wichtiges Element im Politikmix, um Emissi-onsminderungen in der Industrie anzustoßen

Eine große Herausforderung für Investitionen in klimafreundliche Produktionsprozesse sind zu niedrige und volatile Preisen im Emissionshandel. CO2-Differenzverträge lösen dieses Problem, indem innovativen Projekten ein fester CO2-Preis garantiert wird, und so Finanzierungskosten gesenkt und effektive Anreize zur Emissionsminderung gesetzt werden. Besonders in Kombination mit weiteren Förderinstrumenten und einem Klimapfand auf Grundstoffe könnten so signifikanten Emissionsminderungen im Industriesektor angestoßen werden.

Fußnoten

[1] Der CCfD funktioniert auch, wenn Zertifikate komplett auktioniert und Kosten durch konventionelle Technologien auf VerbraucherInnen umgelegt werden.

[2] Vgl. Jörn Richstein (2017): Project-Based Carbon Contracts: A Way to Finance Innovative Low-Carbon Investments. DIW Discussion Paper 1714 (online verfügbar, abgerufen am 19. September 2019. Dies gilt auch für die anderen Onlinequellen in diesem Bericht), sowie die aktualisierte Fassung mit Case Study (im Erscheinen).

[3] Vgl. Dieter Helm und Cameron Hepburn (2005): Carbon contracts and energy policy: An outline proposal

[4] Basierend auf Technologie-Annahmen von Valentin Vogl, Max Åhman und Lars J. Nilsson (2018): Assessment of hydrogen direct reduction for fossil-free steelmaking. Journal of Cleaner Production, Volume 203, 736-745

[5] Siehe hierzu Nils May und Karsten Neuhoff (2019): Private langfristige Stromabnahmeverträge (PPAs) für erneuerbare Energien: kein Ersatz für öffentliche Ausschreibungen. DIW aktuell Nr. 22 (online verfügbar).

[6] Olga Chiappinelli und Karsten Neuhoff (2017): Time-Consistent Carbon Pricing. DIW Discussion Paper 1710 (online verfügbar).

[7] Karsten Neuhoff et al. (2016): Ergänzung des Emissionshandels: Anreize für einen klimafreundlicheren Verbrauch emissionsintensiver Grundstoffe. DIW Wochenbericht Nr. 27 (online verfügbar).

Jörn C. Richstein

Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Themenleitung Strommärkte in der Abteilung Klimapolitik

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/205156

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