Direkt zum Inhalt

"Goodbye Deutschland"? DIW-Studie zu Auswanderung

Pressemitteilung vom 29. Januar 2008

„Mein neues Leben“, „Goodbye Deutschland“, „... und Tschüß! Abenteuer Auswandern“ – unter diesen Überschriften feiert das Thema Auswanderung im Fernsehen derzeit Quotenerfolge. Wer jung und dynamisch ist, noch dazu von Unternehmergeist erfüllt, der sollte sein Glück lieber im Ausland suchen, so die unterschwellige Botschaft. Die nackten Zahlen scheinen dieser Aussage sogar Recht zu geben: Noch nie seit 50 Jahren haben so viele Deutsche ihr Land verlassen wie 2006 – genau 155.000. Doch eine auf der Langzeit-Studie „Sozio-oekonomisches Panel“ beruhende Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) stellt die gängigen Vorstellungen vom Massenphänomen Auswanderung nun in Frage.
Zwar kann sich jeder vierte Deutsche prinzipiell vorstellen, für längere Zeit oder für immer ins Ausland zu gehen. Aber nur zwei Prozent geben in Befragungen an, tatsächlich innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Umzug zu planen. Und nur knapp die Hälfte dieser Entschlossenen sagt aus, für immer auswandern zu wollen. Noch nüchterner sieht das tatsächliche Verhalten aus. Zwar hat 2006 die Rekordzahl von 155.000 Deutschen ihr Land verlassen. Ähnlich viele Menschen kehren aber auch jedes Jahr aus dem Ausland zurück. „Wir rechnen mit einer verstärkten Wanderungsbereitschaft, aber auch mit einem wachsenden Rückstrom“, sagt Jürgen Schupp, Autor der DIW-Studie, die in Zusammenarbeit mit der Migrationsexpertin Claudia Diehl sowie dem Sozialwissenschaftler Steffen Mau erarbeitet wurde. „Das Phänomen Auswanderung hat sich in Zeiten der Globalisierung in Europa verändert: Nicht das Auswandern für immer, sondern der längere Auslandsaufenthalt das Hin- und Herwandern stehen für diesen neuen Trend.“ Entwarnung gibt das Forscherteam auch beim befürchteten „brain drain“, also der dauerhaften Abwanderung Hochqualifizierter. „Einen nennenswerten, dauerhaften brain drain können wir nicht feststellen“, so Jürgen Schupp. Auch die individuelle Betroffenheit von Arbeitslosigkeit spiele keine eigenständige Rolle bei der Entscheidung, die Heimat zu verlassen. Besonders häufig denken Selbständige über eine Auswanderung nach. Frühe Auslandsaufenthalte und eigene Kontakte zu Freunden oder Bekannten in der Ferne sind gemäß der DIW-Studie die Faktoren, die für das Entstehen von Abwanderungsabsichten eine zentrale Rolle spielen. Und noch einen Punkt gibt es, der die Auswanderer im wirklichen Leben von denen der Fernsehwelt unterscheidet: Nicht Südafrika, Australien oder Kanada sind die beliebtesten Auswanderungsländer. Die wichtigste Zielregion ist vielmehr mit großem Abstand Europa. „Und von klassischer Auswanderung kann man bei einem Europa ohne Grenzen ja eigentlich ohnehin nicht mehr sprechen“, resümiert Jürgen Schupp. Die DIW-Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung im Rahmen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), die in Zusammenarbeit mit TNS Infratest Sozialforschung, München, durchgeführt wird. Für das SOEP werden seit 25 Jahren jährlich mehr als zehntausend Haushalte unter anderem zu Einkommen, Arbeit, Bildung und Lebensperspektiven befragt.

Links

keyboard_arrow_up