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Junge Forschende sollten lernen, ihre Arbeit besser zu verkaufen: Kommentar

DIW Wochenbericht 46 / 2021, S. 764

Peter Haan, Dorothea Kübler

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Die Wissenschaft muss raus aus dem Elfenbeinturm! Diese Forderung ist so alt, dass sie kaum noch Diskussionen hervorruft. Auch, weil sie scheinbar eingelöst wird: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen beraten Politik und Öffentlichkeit in Expertengremien und Beiräten, schreiben Artikel und sitzen in Talkshows. Sie sind in sozialen Medien aktiv, veröffentlichen Podcasts und Videos, in denen Ergebnisse und Methoden anschaulich dargestellt werden. Müssen Forschungsgelder eingeworben werden, entwerfen sie detaillierte Veröffentlichungsstrategien, und bei Zielvereinbarungen an Universitäten und Instituten spielt Wissenschaftskommunikation eine zentrale Rolle. An manchen Hochschulen wird sie sogar strategisch in der Uni-Leitung verankert, durch Chief Communication Officers. Auf den ersten Blick scheint also alles in bester Ordnung.

Auf den zweiten Blick zeigen sich aber weiterhin große Defizite beim Wissenstransfer – trotz digitaler Medien und innovativer Formate. Die größte Schwäche ist die immer noch weitverbreitete Annahme, dass Wissenschaftskommunikation nebenbei zu erledigen sei. Die Erklärung von wissenschaftlichen Ergebnissen und Methoden, die Beschreibung von Unsicherheiten und Grenzen der Erkenntnisse sowie die Übersetzung aus Fachsprachen in die Alltagssprache sind komplexe Aufgaben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen diese Kompetenzen erst lernen: Wie schreibe ich für die breite Öffentlichkeit? Wie stehe ich sicher vor der Kamera? Wie gehe ich mit provozierenden Fragen von Journalistinnen oder Journalisten um? Aber auch: Wie finde ich heraus, zu welchen gesellschaftlichen Fragen meine Forschung beitragen kann? Wer könnte sich für meine Themen interessieren?

Bisher kommt Wissenschaftskommunikation in der Ausbildung junger Forschender kaum vor, werden ihre Muster nicht mal für das eigene Fach reflektiert. Und so sind Forschende entweder Naturtalente, lernen auf die harte Tour – oder kommunizieren gar nicht mit der Öffentlichkeit. Die letzte Gruppe stellt die Mehrheit dar, sodass Wissenschaftskommunikation derzeit in den Händen einer Minderheit liegt. Das hat vielleicht den Vorteil für Medien und Bevölkerung, dass sie nur mit wenigen Personen konfrontiert werden, die sich regelmäßig zu verschiedensten Themen äußern. Solche Allrounder haben einen guten Überblick und kommunizieren professionell. Der Nachteil ist, dass sie oft zu Themen befragt werden, die nicht in ihrem Forschungsgebiet liegen, sodass der eigentliche Mehrwert, die Expertise, verloren geht. Auch die Vielstimmigkeit der Wissenschaft, die unterschiedlichen Perspektiven, bleibt der Öffentlichkeit verborgen.

Um die Wissenschaftskommunikation zu verbessern, ihr Potenzial zu heben und die Kommunikation auf eine breitere Basis zu stellen, müssen Forschende gerade am Anfang ihrer Karriere professionell begleitet und unterstützt werden. Das deutsche Wissenschaftssystem betritt hier oft noch Neuland, es fehlen Ressourcen in der Fläche, aber auch Vorbilder. Das Berliner Projekt „Economic Insights“, das von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert wird, will das ändern. Sein Ziel: ein Stück Zukunft für die Wissenschaftskommunikation in Deutschland zu bauen. Junge Ökonominnen und Ökonomen sollen mit Kursen und Beratungsangeboten für Wissenschaftskommunikation ausgebildet werden, im engen Austausch zwischen Forschenden, Journalisten und Entscheidungsträgern. Dadurch entwickeln sie nicht nur einen klaren Kompass dafür, wie sie am besten mit der Gesellschaft in Austausch treten. Es entsteht auch eine neue Generation innerhalb der Wissenschaft, für die Kommunikation zum professionellen Selbstverständnis ganz natürlich dazugehört.

Der Beitrag erschien am 27. Oktober in der Zeit.

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

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