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Auswirkungen der Finanzkrise sind beherrschbar

Pressemitteilung vom 8. Oktober 2008

Das DIW Berlin prognostiziert für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent und im nächsten Jahr von 1,0 Prozent. "Wir gehen davon aus, dass eine Eindämmung der Finanzkrise gelingt", sagte DIW-Präsident Prof. Dr. Klaus Zimmermann anlässlich der Vorstellung der Herbstgrundlinien 2008. Durch entschlossenes Handeln könne die Politik einer Zuspitzung der Krise vorbeugen.
Das DIW Berlin erwartet derzeit kein Überspringen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft. Außerhalb des Bankensektors gebe es keinerlei Anzeichen für eine Kreditverknappung an Unternehmen. „Die Wirtschaftspolitik wäre auch einer Verschärfung der Situation nicht hilflos ausgeliefert,“ so der DIW-Präsident. „Die Politik verfügt über geeignete Instrumente, um verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen und eine umfassende Selbstblockade auf den Finanzmärkten aufzulösen. Die Wirksamkeit dieser Mittel setzt aber schnelles und entschlossenes Eingreifen voraus Handeln voraus.“ Kein Anzeichen für Rezession in Deutschland Die konjunkturelle Eintrübung der letzten Monate ist nach Einschätzung des DIW im wesentlichen nicht auf die internationale Finanzkrise zurückzuführen. Der Aufschwung neige sich generell seinem Ende zu. Auch werde der Abschwung durch statistische Effekte stark überzeichnet. "Es gibt keine Anzeichen für eine Rezession in Deutschland", sagte Christian Dreger, Konjunkturchef des DIW Berlin. Seine Begründung: Der Rückgang der Nachfrage aus den von der Immobilienkrise betroffenen Ländern führe zwar zu einer deutlichen Delle beim deutschen Exportwachstum im ersten Halbjahr 2009. Ein Abrutschen werde jedoch durch ein stabiles Wachstum in den mittel- und osteuropäischen Ländern sowie in den Schwellenländern verhindert. Es sei auch kein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten, was in der Regel als typisches Anzeichen einer Rezession gelte. Privater Konsum gewinnt an Bedeutung Der private Konsum wird im kommenden Jahr eine zunehmende Rolle für das konjunkturelle Wachstum spielen und Exporte und Investitionen etwas in den Hintergrund drängen. Gestützt wird der private Konsum dabei von dem zurückliegenden Beschäftigungsaufbau. Eine wesentliche Rolle spielt auch der allmähliche Rückgang der Inflation: Sie dürfte in diesem Jahr bei 2,9 Prozent und im nächsten Jahr bei 2,2 Prozent liegen. EZB: Spielraum für Zinssenkung Eine Belebung der Konjunktur erhofft sich das DIW Berlin von der Europäischen Zentralbank. Die Inflation in der Eurozone liege zwar deutlich über den selbstgesteckten Zielen. Dies liege jedoch nicht an einer zu lockeren Geldpolitik der EZB. Ursache seien vielmehr externe Faktoren wie hohe Energie- und Lebensmittelpreise. Angesichts der zurückgehenden Inflation sieht das DIW Berlin neuen Spielraum für eine Zinssenkung. „Die Europäische Zentralbank sollte diesen Spielraum nutzen,“ sagte DIW-Präsident Zimmermann. Erhebliche Haushaltsrisiken durch Bürgschaften Die Steuereinnahmen werden im nächsten Jahr um 3,6 Prozent wachsen. Dieser Anstieg geht vor allem auf wachsende Einnahmen aus Umsatzsteuer und Lohnsteuer zurück. Die Unsicherheit im Hinblick auf die weitere Entwicklung der öffentlichen Haushalte ist jedoch derzeit besonders groß. Eine Abkühlung der Konjunktur könnte bereits im nächsten Jahr einen Rückgang der Steuereinnahmen zur Folge haben. Zudem ist nicht klar, wie hoch die Mindereinnahmen in Folge der Unternehmensteuerreform in den nächsten Jahren tatsächlich ausfallen. Zusätzliche Steuereinbußen könnten sich aufgrund der Finanzkrise ergeben. Bund und Länder haben Bürgschaften für marode Landesbanken und private Finanzinstitute übernommen. Derzeit ist nicht absehbar, in welchem Umfang diese Bürgschaften in Anspruch genommen werden. Sie werden deshalb in der Prognose des DIW Berlin nicht berücksichtigt. Unsicherheiten bestehen auch hinsichtlich der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die gerade beschlossene Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung könnte bei steigenden Arbeitslosenzahlen schnell zu einer Belastung für den Bundeshaushalt werden. Monetäre Mechanismen funktionieren auch in der Krise Das DIW Berlin schätzt die Gefahr einer Ansteckung der Realwirtschaft durch die Finanzkrise für Deutschland eher als gering ein, denn die Situation unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der US-amerikanischen: Der Immobilienmarkt in Deutschland sei stabil, eine Spekulationsblase gebe es nicht. Auch die Immobilienfinanzierung stehe in Deutschland auf einem deutlich solideren Fundament. Zudem ist der Anteil des Finanzgewerbes an der Gesamtwirtschaft in Deutschland nur etwa halb so hoch wie in den USA und eher vom traditionellen Bankgeschäft geprägt. Die Probleme beschränken sich in Deutschland deshalb auf den Interbankenhandel – Stichwort: Hypo Real Estate. Die staatlich organisierte Rettungsaktion für die Hypo Real Estate hält das DIW Berlin für richtig: Allen ordnungspolitischen Bedenken zum Trotz müsse im Fall einer systemrelevanten notleidenden Bank auch der Staat einspringen. Ungeachtet der Finanzmarktkrise hat die Kreditvergabe an den nichtfinanziellen Unternehmenssektor bisher nicht gelitten – das Volumen ist zuletzt sogar gestiegen. "Wir haben derzeit eine massive Vertrauenskrise und eine schwere Krise auf dem Interbankenmarkt,“ sagte DIW-Präsident Zimmermann. „Dennoch deutet alles deutet darauf hin, dass die monetären Mechanismen in Deutschland auch unter den Bedingungen der Krise funktionieren.“ Herbstgrundlinien: Realwirtschaftliche Auswirkungen der Finanzkrise beherrschbar. In: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 41/2008.

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