Pressemitteilung vom 12. Mai 2021
Studie analysiert Belastungsempfinden und Zufriedenheit von Erzieherinnen – Vielen fehlt es an monetärer, aber auch an nichtmonetärer Anerkennung – Attraktivitätsoffensive für Erzieherberuf sollte dringend ausgebaut werden
Acht von zehn Erzieherinnen in Deutschland fühlen sich durch ein als unangemessen empfundenes Gehalt belastet. Auch zu viel Zeitdruck und ein Mehr an Arbeit sind Belastungsfaktoren. Bei bis zu drei von vier Erzieherinnen ist das nach eigener Einschätzung der Fall, wie eine Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt. Nicht nur auf dem Gehaltszettel, sondern auch vonseiten der Vorgesetzten mangelt es sieben von zehn Erzieherinnen an Anerkennung, drei Viertel sehen schlechte Aufstiegschancen. Von denen, die mehr als 32 Stunden pro Woche arbeiten, würden 39 Prozent ihre Arbeitszeit gerne reduzieren.
„Fachkräfte im Bereich der frühen Bildung und Betreuung sind nicht nur für Familien, sondern für die gesamte Gesellschaft essenziell – die Corona-Pandemie hat das noch einmal eindrücklich klar gemacht“, sagt Ludovica Gambaro, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin und eine der StudienautorInnen. „Im Arbeitsumfeld der Erzieherinnen spiegelt sich das aber noch immer wenig wider – und dabei geht es um weit mehr als das Gehalt.“
© DIW Berlin
Für die Studie hat Gambaro zusammen mit C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin, und Franz G. Westermaier vom Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Da in Deutschland mit einem Anteil von 94 Prozent fast nur Frauen in der Kindertagesbetreuung tätig sind, betrachtet die Studie überwiegend weibliche Beschäftigte. Auf Basis der bis Ende des Jahres 2019 reichenden Daten lässt sich dabei nicht nur untersuchen, welche Belastungen Erzieherinnen empfinden, sondern unter anderem auch, wie zufrieden sie mit verschiedenen Bereichen ihres Lebens sind – auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen und zu allen Beschäftigten mit beruflicher Bildung. Zwei zentrale Erkenntnisse: Erzieherinnen sind mit Blick auf ihre Arbeit, ihr Einkommen und auch ihr Leben allgemein unzufriedener als Grundschullehrerinnen. Bei der Gesundheit sind Erzieherinnen auf das vergleichsweise geringe Zufriedenheitsniveau von Krankenpflegerinnen zurückgefallen.
„Im Arbeitsumfeld der Erzieherinnen spiegelt sich deren Bedeutung für Familien und die gesamte Gesellschaft noch immer wenig wider – und dabei geht es um weit mehr als das Gehalt.“ Ludovica Gambaro
Infolge der Corona-Pandemie haben die Belastungen für Erzieherinnen womöglich noch weiter zugenommen, erklärt Spieß: „Immer mehr Eltern waren im Pandemieverlauf berechtigt, ihre Kinder in die Kita-Notbetreuung zu geben – in einigen Regionen kümmern sich viele Erzieherinnen letztlich wohl um nicht viel weniger Kinder als in normalen Zeiten und müssen gleichzeitig auf die Einhaltung der Hygieneregeln achten. Viele werden sich auch um die eigene Gesundheit sorgen.“
Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse und des weiter immens steigenden Bedarfs an pädagogischem Fachpersonal – beispielsweise auch für den vom Bundeskabinett kürzlich verabschiedeten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder – sprechen sich Spieß, Gambaro und Westermaier dafür aus, Attraktivitätsoffensiven für den Erzieherberuf auszubauen. „Mehr Personal, höhere Löhne und mehr Weiterbildungsmöglichkeiten sind dabei nur wenige Teile eines größeren Puzzles“, sagt Spieß. Auch die Stärkung multiprofessioneller Teams und eine insgesamt mitarbeiterorientiertere Personalpolitik gehörten noch weiter oben auf die Agenda. „Ein koordiniertes und verstärktes Engagement aller Beteiligten – vom Bund über die Länder und Kommunen bis zu den Kita-Trägern – ist dringend nötig“, so Spieß.
Themen: Familie