Pressemitteilung vom 15. September 2010
DIW-Expertin Kemfert: „Endkundenpreise sind viel zu hoch“
DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert kritisiert die hohen Gaspreise in Deutschland und fordert von der Bundesregierung Maßnahmen für mehr Wettbewerb. „Der Endkundenpreis für Privatkunden in Deutschland liegt rund 30 Prozent über dem Mittelwert der Europäischen Union“, schreibt Kemfert in einem heute veröffentlichten Gastbeitrag für das Internetportal energlobe.de.
Dabei sei der aktuelle Großhandelspreis an der Börse als Folge eines weltweiten Überangebots an Gas niedrig. Doch diese günstigen Einkaufspreise werden nicht an Kunden weitergegeben – weil der deutsche Gasmarkt laut Kemfert „noch immer sehr verkrustet“ ist. Zwar existierten knapp 700 Regional- und Ortsunternehmen, doch nur wenige überregionale Gasunternehmen mit direktem Gasbezug. Kemfert: „Die drei größten Gasanbieterunternehmen in Deutschland haben einen Marktanteil von bis zu 80 Prozent.“ Eon sei zudem nahezu das einzige Unternehmen, welches einen direkten Zugang zu Erdgasförderquellen besitze und den größten Teil der Gasimporte aus Russland beziehe – in erster Linie von Gazprom. „Die oft über Jahrzehnte laufenden Verträge enthalten Preisklauseln mit der Bestimmung, dass der Gaspreis dem Ölpreise mit einem ungefähren Zeitabstand von sechs Monaten folgt“, schreibt Kemfert. „Dieser Zustand wird durch die neue Ostseepipeline zementiert.“
Der europäische Gasbezug muss laut Kemfert diversifiziert werden, auch mittels alternativer Leitungsrouten wie der geplanten Nabucco-Pipeline. Zudem müsse der Wettbewerb insbesondere durch Flüssiggas (Liquified Natural Gas, kurz LNG) gestärkt werden. Kemfert: „Deutschland sollte ein Terminal für Flüssiggas bauen, um viel flexibler als bisher Gas beziehen und handeln zu können. In den Bundesministerien hat sich diese Einsicht längst durchgesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung diesen Punkt auch in ihr Energiekonzept aufnimmt, dessen endgültige Fassung Ende September veröffentlicht werden soll.“
In diesem Energiekonzept müsse die Regierung Merkel Wege zu mehr Wettbewerb beim Gas zumindest skizzieren. Kemfert: „Es gilt die Regel: Je mehr Flexibilität und Liquidität durch Diversifikation der Anbieterländer und Transportwege inklusive LNG ermöglicht wird, desto mehr Wettbewerb kann entstehen. Und umso preisgünstiger wird das Gas. Diese Entwicklung wäre hochgradig wünschenswert, aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit.“