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Die Türkei braucht eine unabhängige Notenbank und internationale Kredite

Pressemitteilung vom 6. September 2018

DIW-Berechnungen: Verschärft sich die Krise in der Türkei, wird das dortige Wirtschaftswachstum um mindestens fünf Prozentpunkte zurückgehen – Regierung und Notenbank müssen Gegenmaßnahmen ergreifen: Konsolidierung des Staatshaushalts, Erhöhung des Leitzinses und Senkung des Inflationsziels könnten Lira stabilisieren

Die derzeitige Krise in der Türkei ist vor allem hausgemacht: Eine expansive Konjunkturpolitik, eine hohe Verschuldung und vor allem eine sukzessive Beschneidung der Unabhängigkeit der Zentralbank haben dazu geführt, dass die türkische Lira vor allem seit Jahresbeginn extrem an Wert verloren hat und die Inflation in die Höhe geschnellt ist. Dringend sind Gegenmaßnahmen von Seiten der Regierung und der türkischen Zentralbank erforderlich, damit sich die Währung erholt und das Wirtschaftswachstum nicht zu stark einbricht. Wie diese Maßnahmen aussehen könnten und welche Wirkung sie hätten, untersucht eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die DIW-Ökonomen Alexander Kriwoluzky und Malte Rieth haben anhand eines Modells durchgerechnet, wie sich die Wirtschaft in der Türkei ohne Gegenmaßnahmen weiterentwickelt und was passieren würde, wenn Maßnahmen zur Stabilisierung ergriffen würden. Zudem haben sie auch simuliert, welchen Effekt günstige Kredite internationaler Partner hätten.

Ohne Gegenmaßnahmen verschärft sich die Krise

Die Berechnungen legen nahe, dass das BIP-Wachstum ohne Gegenmaßnahmen innerhalb eines Jahres konservativ geschätzt um fünf Prozentpunkte zurückgehen könnte. Die Lira würde weiter stark abwerten. „Die jetzige Krise hat das Potential, so schlimm wie die Krise der Türkei im Jahr 2001 zu werden“, prognostiziert Studienautor Alexander Kriwoluzky. „Einen weiteren Einbruch könnte ein Mix an Gegenmaßnahmen abfedern: Konsolidierung des Staatshaushalts, Erhöhung der Leitzinsen und die Wiederherstellung der Notenbankunabhängigkeit.“ Die Autoren haben anhand ihres Modells simuliert, wie stark die einzelnen Maßnahmen wirken, aber auch wie hoch der Gesamteffekt wäre. Würden alle Gegenmaßnahmen gleichzeitig umgesetzt, könnte das Wachstum zwar um knapp einen Prozentpunkt zurückgehen. Im Folgejahr würde es aber bereits wieder ansteigen. Vor allem aber würde die Inflation in den nächsten beiden Jahren jeweils um rund fünf Prozent eingedämmt und die Lira um insgesamt neun Prozent aufwerten.

© DIW Berlin

Sowohl am effektivsten als auch am effizientesten wäre den Berechnungen zufolge, wenn die Zentralbank das von den internationalen Kapitalgebern wahrgenommene Inflationsziel deutlich senken würde. „Dies könnte vor allem durch eine Restaurierung der Notenbankunabhängigkeit erfolgen. Auch das verlorene Vertrauen am internationalen Kapitalmarkt könnte damit zurückgewonnen werden“, erwartet Studienautor Malte Rieth.

„Die Türkei hat es selber in der Hand, die Krise zu entschärfen. Dabei können sie die internationalen Partner unterstützen. Zentral ist im Reformprozess, dass die Glaubwürdigkeit der Notenbank wieder hergestellt wird.“ Malte Rieth

Die Ökonomen haben auch simuliert, wie wirkungsvoll Kredite von internationalen Partnern wären. Eine Senkung des ausländischen Zinssatzes um fünf Prozentpunkte würde Währung, Inflation und Wirtschaft deutlich stabilisieren: Die türkische Lira würde durch diese Maßnahmen in den kommenden zwei Jahren um rund acht Prozent aufwerten. „Die Türkei hat es selber in der Hand, die Krise zu entschärfen. Dabei können sie die internationalen Partner unterstützen. Zentral ist im Reformprozess, dass die Glaubwürdigkeit der Notenbank wieder hergestellt wird“, resümiert Malte Rieth.

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Malte Rieth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

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