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Euro-Mediterrane Freihandelszone:
Innovationsfähigkeit der südlichen Mittelmeerländer muss verbessert werden

Pressemitteilung vom 23. Januar 2002

Die bis 2010 angestrebte Freihandelszone der Mittelmeerstaaten von der Türkei bis Marokko mit der Europäischen Union wird ohne eine entschiedene Stärkung der Innovationskraft dieser Länder nicht zu erreichen sein. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin in seinem aktuellen Wochenbericht 4/2002. Europa muss seine südlichen Mittelmeer-Partnerländer bei ökonomischen Anpassungsmaßnahmen unterstützen und sie stärker an der europäischen Innovationspolitik teilhaben lassen.
Die spanische Regierung, die im ersten Halbjahr 2002 die EU-Präsidentschaft innehat, will den 1995 gestarteten Barcelona-Prozess mit dem Ziel einer Euro-Mediterranen Freihandelszone intensivieren. Noch bestehen zwischen den EU- und den Mittelmeerländern massive wirtschaftliche Disparitäten. So ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in der EU etwa zehn- bis zwanzigmal größer als das in vielen Mittelmeerländern. Nur durch eine industrielle Modernisierung und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen kann der notwendige Anpassungsprozess dort vollzogen werden. Das DIW Berlin warnt vor einem Scheitern dieses Prozesses. Bei der Errichtung der Freihandelszone drohen ohne eine höhere Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder De-Industrialisierungsschübe mit hohen innenpolitischen Risiken für die Region. Dies würde auch unmittelbar negative Auswirkungen auf Europa haben. Vorraussetzung für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Mittelmeerländer ist eine höhere Produktivität, die durch erfolgreiche Innovationsprozesse in relevanten Technologiefeldern erreicht wird. Doch sind die dazu notwendigen nationalen Innovationssysteme in den Mittelmeer-Partnerländern nicht vorhanden oder unterentwickelt: Die öffentlichen Bildungs- und Forschungseinrichtungen sind in schlechtem Zustand, der Staatssektor ist ineffizient, und es gibt in vielen Partnerländern kaum leistungsfähige Unternehmen, die sich am internationalen Wettbewerb ausrichten. Die Vernetzung von Bildung, Wissenschaft und Forschung in den Ländern ist oft minimal. Problematisch sind auch autoritäre politische Herrschaftsstrukturen, die die Freiheit von Wissenschaft und Forschung einschränken.

Das DIW Berlin plädiert für eine intensivere Euro-Mediterrane Kooperation in der Innovationspolitik. Ein Technologietransfer von Nord nach Süd findet durch Direktinvestitionen zwar statt, doch müssen die Technologien über die Unternehmensgrenzen hinaus noch stärker in die übrige Wirtschaft des Gastlandes verbreitet werden. Bereits beschlossene Modernisierungsprogramme müssten von bi- oder multinationalen Projekten des Personalaustausches sowie der Aus- und Weiterbildung flankiert werden. Die relativ kleinen Volkswirtschaften des Mittelmeerraumes sollten außerdem in hohem Maße auf die regionale Wissenschafts- und Technologiekooperation setzen, um knappe Ressourcen zu bündeln.
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