Die aktuellen Vorschläge zu einer grundlegenden Einkommensteuerreform lösen erhebliche Aufkommens- und Verteilungswirkungen aus, die zu erwartenden Arbeitsmarkteffekte sind in Relation dazu gering. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin in seinem aktuellen Wochenbericht Nr. 16/2004. Größere „Selbstfinanzierungseffekte“ durch steigende Beschäftigung und höheres Wachstum sind nicht zu erwarten.
Das DIW Berlin hat sechs aktuelle Vorschläge für eine grundlegende Reform der deutschen Einkommens- und Ertragsbesteuerung untersucht, die von den Oppositionsparteien, dem Sachverständigenrat und einer Forschungsgruppe um den Verfassungsrechtler Paul Kirchhof gemacht worden sind. Diese Vorschläge wurden auf ihre Aufkommens- und Verteilungswirkungen sowie die Arbeitsangebotswirkungen geprüft. Die fiskalischen Wirkungen der Steuerreformmodelle reichen von Aufkommensneutralität (duale Einkommensteuer des Sachverständigenrats) bis zu erheblichen Steuerausfällen in einer Größenordnung von über 1 % des Bruttoinlandsprodukts (CDU, FDP, Kirchhof). Belastungs- und Verteilungsanalysen ergeben für die Vorschläge der Unionsparteien hauptsächlich eine Entlastung der mittleren Einkommen, während bei den Konzepten von Kirchhof und dem Sachverständigenrat vor allem die Bezieher höherer Einkommen profitieren.
Alles in allem sind die Umsetzungschancen weitreichender Reformkonzepte gegenwärtig gering. Die in der politischen Willensbildung dominante Wahrnehmung der unmittelbaren Verteilungswirkungen dieser Vorschläge sowie die teilweise erheblichen Steuerausfälle sprechen eher für eine „evolutionäre“ Reform der Einkommensteuer, wie sie der Vorschlag der CSU oder das gemeinsame Konzept der Unionsparteien vorsehen.