Pressemitteilung vom 15. Dezember 2010
Prof. Dr. Georg Erdmann, TU Berlin
Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wuppertal
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, TU Berlin
Prof. Dr. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg
Prof. Dr.-Ing. Eberhard Jochem, ETH Zürich
Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW, Berlin
Dr. Felix Matthes, Öko-Institut, Berlin
Dr. Martin Pehnt, ifeu, Heidelberg
Dr. Mario Ragwitz, Fraunhofer ISI, Karlsruhe
Prof. Dr. Jürgen Schmid, Fraunhofer IWES, Kassel
In den vergangenen 10 Jahren hat sich der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland von 5 % auf 16 % mehr als verdreifacht. Der technische Fortschritt und die Kosten je erzeugter kWh haben bei allen Erzeugungsarten eine Dynamik entwickelt, die noch im Jahr 2000 von vielen für nicht realisierbar gehalten wurde. Das EEG wurde daher in den letzten Jahren für mehr als 40 Länder ein Vorbild für eigene Regelungen. Kein anderes Fördersystem schafft durch die klare Zielorientierung und Risikobegrenzung ein derartiges Investitions- und Innovationsklima. Das Ziel eines Zeitalters der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung basiert nicht mehr auf der reinen Idee, sondern auf Erfahrungen von der Phase der Nischenmärkte zur Phase der Marktdiffusion.
Insbesondere bei der Photovoltaik, der Technik mit den derzeit (noch) höchsten Erzeugungs-kosten, aber den geringsten Betriebskosten, ist durch technischen Fortschritt und Mengeneffekte eine Kostendegression sowie eine Akzeptanz bei Investoren erreicht worden, die so nicht vorausgesehen wurde. Strom aus Photovoltaik-Anlagen wird heute zu Kosten produziert, die in vielen Regionen der Welt im Bereich der Netzparität liegen. Auch in Deutschland wird Sonnenstrom immer günstiger erzeugt. Dies hat zu einer Marktentwicklung geführt, die ebenfalls so kaum jemand geahnt hat. So ging das erst im August 2009 erschienene Leitszenario Erneuerbare Energien 2009 der Bundesregierung von einem jährlichen Ausbau der Photovoltaik von ca. 1.400 MW aus, d.h. von 23.000 MW insgesamt installierter Leistung in 2020. Tatsächlich werden laut ÜNB-Prognose Ende 2010 bereits etwa 19.000 MW installiert sein, wovon alleine knapp 9.500 MW dieses Jahr zugebaut wurden. Trotz der bereits beschlossenen Degression der Vergütungssätze wird man davon ausgehen müssen, dass diese Ausbauraten unter den gegebenen Bedingungen sich auch in 2011 und 2012 in etwa so fortsetzen dürften. Denn die Produktionskosten der Photovoltaik-Systeme sind ebenfalls deutlich gesunken und könnten auch im kommenden Jahr durch Skaleneffekte weiter zurückgehen.
Es war jedoch nie der Grundgedanke des EEG, dass die derzeit in der Vergütung noch teuerste Stromerzeugungs-Technologie der erneuerbaren Energien am schnellsten wächst – bei der Photovoltaik war (und ist) das Ziel: Technologieentwicklung und Kostensenkung. Ein zu schneller Zubau der Photovoltaik zusammen mit den Mitnahmeeffekten durch das „Grünstromprivileg“ (siehe unten) birgt jetzt die Gefahr, dass die EEG-Umlage deutlich zu schnell steigt (von derzeit 2,0 ct/kWh auf bis zu 3,5 ct/kWh im Jahre 2011 und möglicherweise bis zu 4,5 ct/kWh im Jahre 2012), mit der Folge, dass das EEG und die Erneuerbaren Energien insgesamt an Akzeptanz verlieren und zur Disposition gestellt werden. Dann käme es zu einem gewaltigen Rückgang der Investitionen, zu beträchtlichen Produktionsüberkapazitäten und zu einem technologischen Fadenriss in einem Technologiebereich, wo die deutsche Industrie heute Vorreiter ist. Der Übergang der heutigen, meist auf fossilen Energieträgern basierenden Stromerzeugung in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ist alternativlos. Hierzu als eine führende Industrienation mit einem angemessenen Instrumentarium beizutragen, ist aus klima-, ressourcen- und wirtschaftspolitischen Gründen die richtige energiewirtschaftliche, aber auch industriepolitische Strategie für Deutschland.
Deshalb wenden wir uns an Sie als Verantwortliche in der Politik:
Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland steht an einem Scheideweg: entweder jetzt den Ausbau der Photovoltaik entschleunigen und mit kontrollierter Diffusionsgeschwindigkeit fortschreiten – oder wegen mangelnder Akzeptanz in 2012/2013 möglicherweise vor einem Scherbenhaufen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes und damit des verlässlichen Ausbaus der Erneuerbaren Energien insgesamt zu stehen.