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Deutsche Wirtschaft setzt Wachstum in unsicherem Umfeld fort - Beschäftigungsaufbau flacht aber ab

Pressemitteilung vom 14. Dezember 2016

Die Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft wird im nächsten Jahr vor allem aufgrund von Kalendereffekten geringer ausfallen  als 2016 – Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt lässt etwas nach – International ist das Umfeld von zahlreichen Risiken geprägt

In einem Umfeld großer internationaler Risiken setzt die deutsche Wirtschaft ihren Aufwärtstrend auch 2017 und 2018 fort. Im kommenden Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor allem wegen der geringeren Anzahl von Arbeitstagen gemäß der jüngsten Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) deutlich weniger zunehmen als im laufenden: Nach 1,8 Prozent im Jahr 2016 dürfte die Wirtschaft im Jahr 2017 nur um 1,2 Prozent wachsen. Im Jahr 2018 dürfte der Anstieg der Wirtschaftsleistung mit 1,6 Prozent wieder höher ausfallen. Gegenüber der DIW-Prognose vom Herbst (1,0 Prozent) wurde der Wert für 2017 leicht nach oben angepasst. Die Risiken bleiben jedoch groß: Wahlen in mehreren europäischen Ländern, harte Brexit-Verhandlungen und strukturelle Probleme etwa im italienischen Bankensektor könnten die Wirtschaftsentwicklung gefährden. Die hohen Budgetüberschüsse des deutschen Staates werden 2017 deutlich abschmelzen und 2018 ganz verschwinden.

KURZ GESAGT

Marcel Fratzscher, DIW-Präsident: „Die europäische Wirtschaft befindet sich im Aufwärtstrend. Selten war die Unsicherheit für die Wirtschaft jedoch so groß wie heute. Viele der Risiken – von Problemen bei europäischen Banken über den drohenden Protektionismus, bis hin zu geopolitischen Entwicklungen – könnten die Wirtschaft schwächen. Die Wirtschaftspolitik in Deutschland sollte proaktiv agieren und vor allen die Weichenstellungen für stärkere private und öffentliche Investitionen setzen."     

Ferdinand Fichtner, Abteilungsleiter Konjunkturpolitik: „Insgesamt sieht es gut aus für die deutschen Exporte. Wir haben kein überschäumendes Wachstum in der Welt, aber es geht aufwärts, und kurzfristig könnte die Wahl von Trump in den USA sogar positive Auswirkungen auf die US-Konjunktur und die Nachfrage haben. Allerdings stehen erhebliche politische Risiken im Raum, etwa die Unsicherheit in Italien und die Wahlen in Frankreich nächstes Jahr. Der weltweite Trend zum Protektionismus ist besorgniserregend – setzt sich dieser fort wirkt dies wie Gift für die offene deutsche Wirtschaft."

Simon Junker, stellvertretender Abteilungsleiter Konjunkturpolitik: „Die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten der deutschen Wirtschaft sind leicht überausgelastet. Die Brexit-Entscheidung und Eintrübung der Weltwirtschaftsperspektiven haben die Unternehmensinvestitionen in den vergangenen Monaten zwar zeitweise eingetrübt, doch günstige Exportaussichten und nach wie vor vorteilhafte Finanzierungsbedingungen werden die Investitionstätigkeit anregen."

Kristina van Deuverden, Finanzexpertin: „Die Überschüsse der öffentlichen Haushalte fallen dieses Jahr noch üppig aus, werden aber schwinden, für das Jahr 2018 wird sogar ein leichtes Defizit erwartet. Längerfristig rechnen wir zwar mit Überschüssen, aber nur dank kräftiger Erhöhungen der Sozialbeitragssätze. Um das zu vermeiden, sollte schnell gehandelt und die Ausgabenstruktur der Sozialkassen in den Blick genommen werden."

Wachstumstreiber der deutschen Konjunktur bleibt der private Verbrauch. Allerdings dürfte der Konsum an Tempo verlieren. Der Beschäftigungsaufbau, der in den letzten Jahren sehr stark war, büßt an Dynamik ein, was für sich genommen die Lohneinkommen dämpft. Zudem wird die Inflation aufgrund höherer Energiepreise steigen und die Kaufkraft stärker belasten. Für das kommende Jahr wird eine Inflationsrate von 1,4 Prozent und für 2018 von 1,5 Prozent erwartet. Die Arbeitslosigkeit wird auf niedrigem Stand verharren (5,9 Prozent im Jahr 2017). Die Entwicklung der Exporte ist aufwärts gerichtet, aber die Nachfrage aus der EU dürfte in den kommenden Monaten unter der Brexit-Entscheidung und der politischen Unsicherheit in mehreren Ländern leiden.

Weltwirtschaft nimmt etwas Fahrt auf, Risiken bleiben aber zahlreich

Die Lage der Weltwirtschaft hellt sich zunehmend auf. Nachdem in der ersten Jahreshälfte 2016 vor allem die Schwellenländer etwas gebremst haben, geht es nun wieder schneller aufwärts – unter anderem, weil Brasilien die Rezession hinter sich lassen dürfte und die russische Wirtschaft – auch aufgrund eines stabilen Ölpreises – wohl wieder stärker wachsen wird. In den Industrieländern stützt die hohe Konsumnachfrage das Wachstum auch künftig. Auch die vom künftigen US-Präsidenten Trump angekündigten Ausgabenprogramme, unter anderem für die Infrastruktur, dürften das Wachstum der Weltwirtschaft im Prognosezeitraum etwas ankurbeln. Nach 3,3 Prozent für dieses Jahr rechnet das DIW Berlin mit einem Anstieg der globalen Wirtschaftsleistung von 3,6 beziehungsweise 3,7 Prozent für die Jahre 2017 und 2018.

Zahlreiche Risiken sind dabei aber nicht von der Hand zu weisen: Vor allem in Europa bleibt die politische Unsicherheit hoch – im kommenden Jahr stehen unter anderem in Frankreich, den Niederlanden und auch in Deutschland richtungsweisende Wahlen an. Hinzu kommen vielerorts strukturelle Probleme im Bankensektor, vor allem in Italien. Unklar ist, in welche Richtung sich die Brexit-Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union entwickeln; sollte es zu harten Verhandlungen kommen, könnte dies die Wirtschaft in Großbritannien, aber auch im Rest der EU maßgeblich beeinträchtigen. Zudem könnten protektionistische Tendenzen, möglicherweise angefacht vom künftigen US-Präsidenten, im späteren Prognosezeitraum die Weltwirtschaft beeinträchtigen.

Überschüsse der öffentlichen Haushalte schwinden

Die Überschüsse der öffentlichen Haushalte in Deutschland werden deutlich zurückgehen (siehe auch Pressemitteilung zur Finanzpolitik). So ist für das kommende Jahr nur mit einem Finanzierungsüberschuss von vier Milliarden Euro zu rechnen, nach 26 Milliarden in diesem Jahr. Für das Jahr 2018 wird sogar ein leichtes Defizit erwartet. Einer nachlassenden Dynamik bei den Einnahmen, unter anderem wegen des moderateren Beschäftigungszuwachses, steht eine merkliche Steigerung der Ausgaben – insbesondere der Rentenausgaben - gegenüber. Der Blick auf die öffentlichen Finanzen zeigt, dass es kurzfristig keine Spielräume gibt für eine Ausweitung der Sozialleistungen oder steuerliche Wahlgeschenke.   

Wachsender Beitrag des Außenhandels in der Mittelfrist

In der mittleren und längeren Frist, bis zum Jahr 2025, wächst die deutsche Wirtschaft laut Projektion durchschnittlich um eineinhalb Prozent pro Jahr. Begünstigt von einer soliden Weltnachfrage leistet der Außenhandel am Ende des Projektionszeitraums wieder einen positiven Beitrag zum Wachstum. Im Inland wird die Entwicklung des Konsums durch eine etwas höhere Teuerung gebremst. Vor allem aber macht sich nach und nach die demografische Entwicklung bemerkbar. Die wiederholte Erhöhung der Sozialbeitragssätze dämpft das verfügbare Einkommen und die Ausgaben für Gesundheitsleistungen steigen: beides führt zu einer Verschiebung von privatem zu staatlichem Konsum.

Links

Interview mit Ferdinand Fichtner: "Der private Verbrauch bleibt der Treiber" (Print (PDF, 0.62 MB) und
O-Ton von Ferdinand Fichtner
Der private Verbrauch bleibt der Treiber - Interview mit Ferdinand Fichtner
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