Pressemitteilung vom 10. Mai 2013
Die Studie zeigt: Kinder aus höheren Schichten haben deutlich bessere Chancen, eine Zeit im Ausland zu verbringen als Jugendliche aus niedrigen Schichten. Vor allem die materiellen Ressourcen des Elternhauses spielen eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, den Nachwuchs ins Ausland zu schicken und damit dessen Chancen auf dem Arbeitsmakt zu erhöhen. „Die Kosten eines solchen Aufenthalts belaufen sich auf durchschnittlich etwa 9.000 Euro pro Jahr. Das können sich nur wohlhabendere Familien leisten, zumal es kaum Stipendien gibt “, erklärt Jürgen Gerhards.
In Deutschland hat sich die Zahl der von etwa 60 Anbietern organisierten Auslandsaufenthalte für Schülerinnen und Schüler von 2001 bis 2011 von 14.000 auf 19.000 erhöht. Gleichzeitig haben nach Ansicht der Autoren Fertigkeiten wie Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen, sogenanntes transnationales Humankapital, auf dem globalisierten Arbeitsmarkt an Bedeutung gewonnen. Das zeigt eine Analyse von Stellenanzeigen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die die Autoren vorgenommen haben. Demnach sind internationale Erfahrungen und die Bereitschaft, weltweit zu arbeiten, zunehmend gefragte Einstellungskriterien. Sie wurden in fast 20 Prozent aller Anzeigen aus dem Jahr 2010 verlangt, während es 1960 nur zwei Prozent gewesen waren. Auch Fremdsprachenkenntnisse und vor allem Kenntnisse des Englischen werden zunehmend von den Bewerbern erwartet; dies traf 2010 auf gut 40 Prozent aller Stellenanzeigen zu, 1960 waren es nur gut zehn Prozent.
„Das öffentlich finanzierte Schulsystem hat nur verhalten auf den Bedarf an transnationalen Kompetenzen reagiert“, sagt die Soziologin Silke Hans. „Gleichzeitig hat sich ein privater Bildungsmarkt etabliert, der diesen Bedarf abdeckt“. Jürgen Gerhards und Silke Hans sehen im Ergebnis ihrer Studie einen weiteren Beleg für den generellen Trend in der Gesellschaft, Bildung zu privatisieren und damit zu einem Privileg für Menschen aus wohlhabenderen Familien zu machen.
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Gerhards
E-Mail: j.gerhards@fu-berlin.de
Die Studie:
Jürgen Gerhards, Silke Hans: Transnational Human Capital, Education, and Social Inequality : Analyses of International Student Exchange. In: Zeitschrift für Soziologie 42(2013), Heft 2 ; S. 99-117.