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Unionsreformvorschlag zur Familienbesteuerung: Einkommensschwache profitieren am wenigsten

Pressemitteilung vom 4. September 2013

Im Schnitt würden Familien mit Kindern mit 700 Euro pro Jahr entlastet – Einkommensstarke Familien haben im Schnitt 840 Euro mehr, die einkommensschwächsten 300 Euro – Die Mehrheit der Familien in der niedrigsten Einkommensklasse würde gar nicht profitieren

Die von den Unionsparteien vorgeschlagene Reform der Familienbesteuerung würde Gutverdiener deutlich stärker entlasten als einkommensschwache Familien. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Durchschnittlich würde eine Familie in Deutschland durch die unter dem Stichwort „Familiensplitting“ präsentierte und jährlich mehr als sieben Milliarden Euro teure Reform rund 700 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung haben. In den höchsten Einkommensklassen steigt die Entlastung auf bis zu 840 Euro, bei den einkommensschwachen Familien sind es im Durchschnitt 300 Euro. In der untersten Einkommensklasse würden 60 Prozent der Familien gar nicht profitieren: Bei Empfängern von Transferleistungen wie dem Arbeitslosengeld II wird das Kindergeld verrechnet. Eine Erhöhung käme bei ihnen nicht an. „Dem familienpolitischen Ziel der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie stünde diese Reform entgegen. Angesichts der hohen fiskalischen Kosten sollte erwogen werden, die Mittel lieber in eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung zu investieren“, so das Fazit der DIW-Experten. Auch das vielzitierte französische Modell ist den Forschern zufolge kein Vorbild für die Bundesrepublik: „Das deutsche System aus Kindergeld und Kinderfreibetrag ist heute bereits großzügiger als die Entlastung durch das französische Familiensplitting.“

Das Familienrealsplitting der CDU/CSU: Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag

Die Unionsparteien planen ihrem Wahlprogramm zufolge, das in Deutschland bestehende Ehegattensplitting zu erhalten und um ein Familiensplitting zu ergänzen. Dazu soll der Kinderfreibetrag von derzeit 7.008 Euro pro Jahr auf den Freibetrag für Erwachsene von 8.354 Euro pro Jahr angehoben und das Kindergeld um 35 Euro pro Monat erhöht werden. Den Staat würde das mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr kosten. Die DIW-Experten Richard Ochmann und Katharina Wrohlich haben die Auswirkungen dieses „Familienrealsplittings“ auf die Einkommensverteilung mit Hilfe eines Mikrosimulationsmodells untersucht. Dazu wurde für jeden Haushalt die Einkommensteuerlast nach dem Unionsvorschlag berechnet und mit der nach aktuellem Recht anfallenden verglichen. Durchschnittlich würden Familien mit Kindern im Schnitt um rund 700 Euro pro Jahr entlastet werden. „Es zeigt sich allerdings, dass die Entlastung mit steigendem Einkommen deutlich zunimmt“, erläutern die Wissenschaftler. Die einkommensschwächsten zehn Prozent der Familien würden mit 298 Euro pro Jahr entlastet. „Allerdings profitieren rund 60 Prozent dieser Gruppe gar nicht. Das sind die Familien, die Transferleistungen erhalten, auf die das Kindergeld und damit auch die Erhöhung voll angerechnet wird.“ Am stärksten würden die mittleren Einkommensgruppen profitieren: Familien mit einem Nettoeinkommen von rund 40.000 Euro im Jahr würden im Schnitt 866 Euro mehr haben. „Damit hätten sie rund 2,2 Prozent mehr Einkommen zur Verfügung“. Im obersten Dezil, also bei Haushalten mit im Mittel rund 94.000 Euro Nettoeinkommen pro Jahr, läge die Entlastung bei rund 840 Euro.

„Alle Splittingmodelle stehen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen“

Als großen Nachteil werten die DIW-Forscher eine andere Wirkung des Reformvorschlags: „Studien zeigen, dass vor allem das Ehegattensplitting dem familienpolitischen Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegensteht“, erklärt Ochmann. „Denn durch das Splitting hat der Zweitverdiener – insbesondere bei großen Einkommensunterschieden – nur wenig Arbeitsanreize. Auch das Kindergeld ist bezüglich dieses Ziels keine effektive Maßnahme.“ Gleichzeitig gebe es aber eine Reihe familienpolitischer Maßnahmen, bei denen ein solcher Zielkonflikt nicht bestehe. Die DIW-Experten empfehlen deshalb, die Mittel lieber in einen qualitativ hochwertigen Ausbau der Kindertagesbetreuung zu investieren. „Die Kosten von sieben Milliarden machen immerhin 18 Prozent der laufenden Ausgaben für Kindergeld und Kinderfreibetrag aus.“

Vergleich mit dem französischen Modell: Familien in Deutschland stärker entlastet

Den Vergleich mit dem vielzitierten Modell des Familiensplittings in Frankreich muss das deutsche Modell der Studie zufolge nicht scheuen: „In Deutschland werden Familien mit Kindern bereits heute in weiten Teilen stärker entlastet als in Frankreich“, so die DIW-Forscher. Das läge vor allem daran, dass der Familienleistungsausgleich in Deutschland implizit einen größeren Splittingfaktor aufweist, als das französische Modell explizit vorsieht, und der Steuervorteil durch die Splittingfaktoren für Kinder in Frankreich bei je 2.000 Euro pro Jahr für das erste und zweite Kind und bei 4.000 Euro für weitere Kinder gedeckelt ist.

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DIW-Wochenbericht 36-2013 (PDF, 399.77 KB)

DIW-Wochenbericht 36-2013 als E-Paper (EPUB, 2.01 MB)

O-Ton
Investitionen in Kinderbetreuung wären familienpolitisch zielführender - Sieben Fragen an Richard Ochmann
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