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Die wahrgenommene Gerechtigkeit des eigenen Erwerbseinkommens: geschlechtstypische Muster und die Bedeutung des Haushaltskontextes

Aufsätze referiert extern - Web of Science

Stefan Liebig, Carsten Sauer, Jürgen Schupp

In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 63 (2011), 1, S. 33-59

Abstract

Die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Ausbreitung "atypischer" Beschäftigungsverhältnisse hat zur Folge, dass der Anteil an Haushalten, in denen der Mann der alleinige Ernährer der Familie ist, abnimmt und der Anteil an Zweiverdienerhaushalten seit Jahren ansteigt. Vor diesem Hintergrund fragt dieser Beitrag, welche Bedeutung Haushaltskontexte, in denen das traditionelle male-breadwinner-Modell noch existiert oder bereits in Frage gestellt ist, für die Bewertung der Gerechtigkeit des eigenen Erwerbseinkommens haben. Dazu werden in einem ersten Schritt drei Beurteilungskriterien der Gerechtigkeit des eigenen Einkommens hergeleitet: Kompensation erbrachter Leistungen, Bedarfsabsicherung und Ermöglichung sozialer Wertschätzung. In einem zweiten Schritt wird erläutert, warum die Gerechtigkeitsurteile von Männern und Frauen maßgeblich von der spezifischen Situation im jeweiligen Haushalt bestimmt sind. Die daraus abgeleiteten Annahmen zu geschlechtstypischen Mustern von Gerechtigkeitseinstellungen werden mithilfe von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2007 und 2005 überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass in Zweiverdienerhaushalten geschlechtstypische Muster bei der Bewertung des eigenen Einkommens verringert und verstärkt werden: Verringert werden sie, weil Frauen in Zweiverdienerhaushalten höhere Ansprüche an ihr Lohnniveau haben, und verstärkt werden sie, weil Männer die Bewertung ihres Erwerbseinkommens davon abhängig machen, ob es sie in die Lage versetzt, den traditionellen Geschlechternormen und den darin transportierten Vorstellungen über "Männlichkeit" entsprechen zu können.

The rise in female labor market participation and the growth of "atypical" employment arrangements has, over the last few decades, brought about a steadily decreasing percentage of households in which the man is the sole breadwinner, and a rising percentage of dual-earner households. Against this backdrop, the paper investigates how household contexts in which the traditional "male breadwinner" model still exists or has already been challenged affect individuals' subjective evaluations of the justice of their personal earnings. In the first step we derive three criteria used by individuals to evaluate the fairness or justice of their personal earnings: compensation for services rendered, coverage of basic needs, and the opportunity to earn social approval. In the second step, we apply considerations from household economics and new approaches from gender research to explain why men's and women's evaluations of justice are determined to a considerable degree by the specific situation within their household. The assumptions derived regarding gender-specific patterns in justice attitudes are then tested on data from the German Socio-Economic Panel Study (SOEP) from 2007 and 2005. The results support our central thesis that gender-specific patterns in the evaluation of personal earnings are both reduced and increased in dual-earner households. They are reduced because women in dual-income households tend to have higher income expectations that challenge the existing gender wage gap. At the same time, gender-specific patterns are increased because men evaluate the equity of their personal income in relation to their ability to fulfill traditional gender norms and thus their capacity to live up to corresponding notions of "masculinity".

Jürgen Schupp

Wissenschaftler in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel



Keywords: Income equality, Gender, Dual-earner households, Gender norms, Wage gap
DOI:
http://dx.doi.org/10.1007/s11577-010-0123-0

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