Motive der Internationalisierung von Forschung und Entwicklung

DIW Roundup 29, 8 S.

Heike Belitz

2014

get_appDownload (PDF  252 KB)

15. Juli 2014, Heike Belitz hbelitz@diw.de

Multinationale Unternehmen (MNU) forschen zunehmend auch im Ausland. Dies wird oft als Verlagerung von Forschung und Entwicklung (FuE) interpretiert und als Bedrohung des heimatlichen Innovationsstandorts angesehen. So hat der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) erst jüngst vor einem Bedeutungsverlust des Innovationsstandortes Deutschland gewarnt. International tätige Unternehmen bauten dort ihre FuE aus, wo es die beste Förderung gebe (WAZ-online 05.04.2014). Die Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung beobachtet, dass deutsche Unternehmen FuE auf Gebieten der Spitzentechnologie zunehmend im Ausland durchführen und fordert Anreize für international tätige Unternehmen, in Deutschland in diesem Bereich aktiv zu werden (EFI 2014). In diesem Beitrag wird anhand von Unternehmensbefragungen und empirischen Analysen dargestellt, welche Motive Unternehmen für FuE im Ausland haben und welche Standortfaktoren FuE ausländischer Unternehmen anziehen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage nach dem Einfluss der steuerlichen Förderung von FuE.

Zwei Strategien: „knowledge-exploiting“ und „knowledge-augmenting“

In der Literatur besteht weitgehend Einvernehmen darüber, dass zwei Strategien in der Internationalisierung der FuE von Unternehmen dominieren: die zusätzliche Verwertung des vorhandenen Wissens im Ausland („knowledge-exploiting“) und seine Erweiterung („knowledge-augmenting“) (Dunning, Narula 1995, Kuemmerle 1997). Ausgangspunkt ist immer die ursprünglich in der Heimat des Unternehmens entstandene Wissensbasis, denn FuE im Ausland findet fast ausschließlich in Technologiefeldern statt, in denen die multinationalen Unternehmen auch im Heimatland stark sind (Patel and Vega, 1999; Le Bas and Sierra, 2002). Die weitere Internationalisierung von FuE erfolgt dann entweder, um das bereits verfügbare Wissen zusätzlich auf neuen Märkten im Ausland zu nutzen  (“home-base exploiting”, „knowledge-exploiting“), oder um es durch spezifisches Wissen zu ergänzen, das nur im Ausland jedoch nicht in der Heimat des Unternehmens vorhanden ist (“home-base augmenting”, „knowledge-augmenting“). Inzwischen führen viele MNU zentrale Forschungsaktivitäten nicht mehr nur in der Heimat, sondern auch an einigen Auslandsstandorten durch. Aber auch dann trifft die Unterscheidung der Internationalisierungsstrategien in wissensverwertende („knowledge-exploiting“) oder wissenserweiternde („knowledge-augmenting“) den entscheidenden Punkt.

Bei der Strategie „knowledge-exploiting“ werden überwiegend Entwicklungsaktivitäten im Ausland durchgeführt, die zur Anpassung an Kundenwünsche oder spezielle Bedingungen notwendig sind. Vorrangiges Ziel ist die Markterschließung und –erweiterung durch eigene FuE-Aktivitäten im Zielland. Grundlegende Forschungsaktivitäten werden weiterhin zentral durchgeführt.


In der Strategie „knowledge-augmenting“ liegt die Anziehungskraft der ausländischen FuE-Standorte vor allem in ihrer besonderen technologischen Spezialisierung und Kompetenz, zu der das Unternehmen den Zugang sucht. Im Ausland werden dann für den Innovationsprozess des Unternehmens zentrale Forschungsaktivitäten durchgeführt, die in der Heimat oder an anderen Standorten nicht so effizient realisiert werden könnten.

Die Dominanz dieser beiden Unternehmensstrategien macht bereits deutlich, dass effizienzorientierte Motive für die Internationalisierung von FuE, wie die Nutzung von Kostenvorteilen im Ausland etwa durch geringere Löhne des FuE-Personals oder staatliche Fördermittel, eine nachgeordnete Bedeutung haben.


Einige Untersuchungen liefern Hinweise darauf, dass die Strategie der Wissensverwertung (“home-base exploiting”) bei der Internationalisierung von FuE zugunsten der Wissenserweiterung (“home-base augmenting”) an Bedeutung verliert (vgl. u.a. Song et al. 2011; Kuemmerle 1999). Picci und Savorelli (2012) betonen jedoch, dass beide Motive wichtig sind und sehen keine Anzeichen dafür, dass das zweite Motiv in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Criscuolo et al. (2005) weisen darauf hin, dass die FuE-Einheiten der Unternehmen in der Regel beide Strategien verfolgen, wenn auch unterschiedlichem Maße.

Die Internationalisierung von FuE in Unternehmen hängt natürlich auch mit ihrer  gesamten Strategie zusammen und ist oft zumindest für eine bestimmte Zeit nur ein  Nebeneffekt. Dies ist z.B. der Fall, wenn im Ausland Unternehmen erworben werden oder Tochterunternehmen verkauft werden und FuE dabei nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Internationalisierung der FuE ist aber eng mit Mergers & Acquisitions verbunden (OECD 2008).


Besondere Merkmale des innovationsrelevanten Wissens und seiner Verbreitung tragen dazu bei, dass die Internationalisierung von Unternehmensforschung in Technologiefeldern und Branchen unterschiedlich ausgeprägt ist. So lässt sich Wissen nicht immer von Menschen trennen und problemlos über weite Strecken übertragen. Um Zugriff auf solches Wissen zu bekommen, müssen die Unternehmen FuE an den Orten betreiben, wo es entsteht und die wo die Fachleute konzentriert sind. Auch wenn Wissen leicht kopiert werden kann und nur schwer vor unberechtigter Imitation zu schützen ist, werden Unternehmen es eher zentral an wenigen Orten produzieren(Dachs et. al 2014).

Standortfaktoren

In einer Literaturübersicht fasst Hall (2011) wesentliche Erkenntnisse zu den Determinanten der internationalen Standortwahl für FuE zu empirischen ökonometrischer Analysen und Unternehmensbefragungen zusammen:

• Haupttriebkräfte der Internationalisierung von FuE sind die Nachfrage im Zielland (Marktgröße und Unterstützung des lokalen Absatzes) sowie der Zugang zu FuE und FuE-Personal.

• Die Kosten von FuE (meist gemessen als Lohnkosten des FuE-Personals) sind in der Regel nicht signifikant und beeinflussen die FuE im Ausland oft mit unerwartetem "falschem Vorzeichen".

• Die meisten Studien enthalten keine Informationen über steuerliche Behandlung von FuE, so dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, ob und in welchem Maße MNU auf diese Anreize reagieren.

Im Folgenden werden Ergebnisse von Untersuchungen der letzten Jahre vorgestellt, die z.T. noch nicht im Paper von Hall (2011) berücksichtigt sind.

… in Unternehmensbefragungen

Thursby und Thursby (2006) haben im Jahr 2005 250 MNU aus verschiedenen Industrieländern befragt und vier entscheidende Faktoren für die Auswahl neuer Forschungsstandorte gefunden: das Marktpotential, die Qualität des Forschungspersonals, die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen und der Schutz des geistigen Eigentums.

Wie diese vier Faktoren die Standortentscheidung beeinflussen, war wesentlich davon abhängig, ob sich der Standort in einem Industrie- oder in einem Entwicklungsland befand. Für letztere lag die entscheidende Anziehungskraft im Wachstumspotential des Marktes, gefolgt von der Qualität des Forschungspersonals. Erst dann folgen Faktoren wie Kosten (nach Steuern), die Expertise der Universitätsforscher und der leichte Zugang zu den Universitäten und Forschungseinrichtungen. In den entwickelten Ländern und an den Heimatstandorten waren die wichtigsten Standorteigenschaften die Qualität des Forschungspersonals und der Schutz des geistigen Eigentums.


Schließlich waren 75 Prozent der neuen Forschungsstandorte der Unternehmen im Zuge einer Expansionsstrategie von FuE entstanden, weniger als 30 Prozent als Verlagerungen von FuE. Zudem fanden Verlagerungen eher innerhalb des Heimatlandes statt als in das Ausland.

Auch in der Befragung von 184 forschungsstarken europäischen Unternehmen im Jahr 2009 (Moncada-Paternò-Castello et al., 2011) wird deutlich, dass ähnliche Faktoren die Standortwahl im Heimatland und im Ausland bestimmen. Dennoch ist bei FuE im Ausland eine wissenserweiternde Strategie („asset augmenting”) dominierend, in der Zugang zu speziellem Wissen, die Verfügbarkeit von Forschern und das rechtliche Umfeld die wichtigsten Faktoren sind. Wissensnutzende (“asset exploiting”) Motive, wie Zugang zum Markt, geringe FuE-Personalkosten und Nähe zu Zulieferern spielen eine nachgeordnete Rolle.


Arvanitis und Hollenstein (2010) unterscheiden anhand der Daten der Schweizer Innovationserhebung der Jahre 2002, 2005 und 2008 drei Strategien der Unternehmen für FuE im Ausland. Die wissensorientierte Strategie für FuE im Ausland zielt auf die Nähe zu Forschungseinrichtungen und Universitäten, zu hochinnovativen Unternehmen oder auf den Wissenstransfer aus dem Ausland zum Mutterunternehmen. Beim marktorientierten Motiv dient FuE der Unterstützung der Produktion und des Absatzes im Ausland. Die ressourcenorientierte Strategie dient der Kostensenkung in FuE, der Nutzung staatlicher Innovationsförderung oder der Nutzung von FuE-Personal im Zielland. Von insgesamt 540 Unternehmen mit FuE im Ausland verfolgen die meisten (307) wissensorientierte Motive, nur wenig kleiner sind die Zahlen der Unternehmen mit marktorientierten (224) und  ressourcenorientierten (233) Motiven.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wurden in Österreich im Jahr 2010 zu den Gründen für die Internationalisierung der FuE befragt (Meyer und Berger 2012). Aussichtsreiche Märkte, die Verfügbarkeit von qualifiziertem FuE Personal, die Nähe zu anderen innovierenden Unternehmen sowie der Zugang zu Universitäten und Forschungseinrichtungen sind ihre wichtigsten Motive. Politik und Steueranreize im Zielland beeinflussen die Internationalisierung von FuE kaum. In den neuen aufstrebenden Ökonomien überwiegen Knowledge-exploiting-Strategien, wohingegen Knowledge-gaining-Strategien vor allem in den etablierten Industrienationen zu finden sind. Für Asien als Forschungsstandort spricht vor allem die Nutzung neuer Märkte, die Reduktion von FuE Kosten und die Unterstützung der Produktion.


Die wichtigsten Motive von 113 deutschen Unternehmen, die im Jahr 2012 befragt wurden, für FuE im Ausland sind die Markterschließung sowie der Zugriff auf spezifisches Wissen oder Fachkräfte. Dabei erweist sich die Markterschließung besonders für FuE in den USA und den BRIC-Ländern als wichtiges Motiv, während in den USA und Westeuropa das Erschließen von Wissen und das Fachkräfteangebot die größte Bedeutung haben. Einsparungen bei Löhnen oder Lohnnebenkosten haben sich lediglich als wichtiges Motiv für FuE in Osteuropa herausgestellt (Czernich 2014).

Simone et al. (2013) zeigen mit Fallstudien brasilianischer MNU, dass auch bei ihnen die Internationalisierung der Produktentwicklung sowohl von markt- als auch von technologieorientierten Motiven getrieben ist. Darin unterscheiden sie sich nicht von MNU aus entwickelten Ländern.

…in modellgestützten empirischen Analysen

Die Standortfaktoren der Internationalisierung von FuE sind auch Gegenstand einiger ökonometrischer Analysen. Dafür stehen allerdings Mikrodaten der Unternehmen zu ihren FuE-Aufwendungen in den verschiedenen Ländern nicht zur Verfügung. Ersatzweise werden u.a. national und sektoral aggregierte FuE-Daten ausländischer Unternehmen, die Zahl der Patente mit Erfindern in ausländischen Unternehmen oder Ankündigungen von FuE-Investitionsprojekten der Unternehmen verwendet.

Shimizutani und Todo (2008) finden auf Basis von FuE-Daten für japanischen Tochterunternehmen im Ausland im Zeitraum 1996-2001, dass der dortige Umsatz und die Marktgröße sowohl Forschung als auch Entwicklung antreiben. Eine höhere FuE-Intensität im Ausland zieht aber erwartungsgemäß eher Forschung an, während eine höhere FuE-Intensität im Heimatland die Ansiedlung von Entwicklung im Ausland treibt.


Die FuE-Umsatzintensität der US Tochterunternehmen in 42 Ländern im Zeitraum 1990 bis 2004 wird bestimmt durch deren Marktgröße, ihre FuE-Kapazität und die FuE-Personalkosten (Athukorala und Kohpaiboon 2010).

In einer Reihe von Analysen werden die Standortfaktoren der Internationalisierung von FuE mit dem zur Erklärung von Außenhandelsströmen bewährten Gravitationsmodell untersucht. Die Entfernung zwischen dem Heimatland und dem Zielland hat dabei einen negativen Effekt auf den Umfang der internationalen FuE, er ist jedoch geringer als im Handel und in der Produktion bzw. bei den Direktinvestitionen (Dachs und Pyka 2010; Castellani et al. 2011). Eine gemeinsame Sprache und Grenze sowie die kulturelle Ähnlichkeit haben einen positiven Einfluss auf den Umfang der Erfindertätigkeit von ausländischen Unternehmen (Picci 2010, Dachs et al. 2012, Thomsen 2013).


In der Gravitationsanalyse von Thomsen (2013) für 26 OECD-Länder beeinflusst die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes, gemessen mit den Ausgaben für Forschung an den Universitäten, der Zahl der wissenschaftlichen Publikationen und den Universitätsrankings, die bilateralen Forschungsbeziehungen zwischen Ländern positiv. Auch die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Heimatländer der Unternehmen spielt eine positive Rolle in der Internationalisierung von FuE.

Während die meisten Studien die Internationalisierung von FuE betrachten, richten Belderbos et al. (2013) ihre Aufmerksamkeit auf den in der Regel immer noch größeren Anteil der FuE im Heimatland (den sog. „home-country bias“). Mit Patentdaten von 156 multinationalen Unternehmen aus Europa, den USA und Japan im Zeitraum 1995-2002 analysieren sie die Einflussfaktoren auf die zentrale FuE im Heimatland. Diese Zentralisierung wird vor allem von der Ökonomie von FuE und den zentripetalen Kräften (z.B. Unteilbarkeiten von FuE-Aktivitäten, Vermeidung von Koordinierungskosten dezentraler FuE) bestimmt, aber auch von der Einbettung der Unternehmen in das heimische Innovationssystem (etwa durch die die Abhängigkeit von Wissen der Kunden, Zulieferer und öffentlichen Forschungsinstitute). Technologische Führerschaft ist mit einem stärkeren „home-country bias“ verbunden, wenn das Heimatland einen starken Schutz des geistigen Eigentums bietet.


Demirbag und Glaister (2010) untersuchen Standortfaktoren für neue FuE-Investitionsprojekte im Ausland (LOCOmonitor Datenbasis) für fünf Ländercluster (EU15, USA und Kanada, Osteuropa und Russland, Schwellenländer Asiens sowie Indien und China) im Zeitraum 2002-2005. Wichtige Bestimmungsfaktoren der Standortwahl sind die Unterschiede in den FuE-Personalkosten und der Wissensinfrastruktur zwischen den Heimat- und Zielregionen, der Talentpool für Wissenschaftler und Ingenieure sowie das politische Risiko im Zielland. Neue FuE-Projekte, die viel Wissen erfordern, werden vor allem in den USA und Kanada angesiedelt, während Projekte, die Vorteile bei den FuE-Personalkosten erfordern, eher in China und Indien durchgeführt werden. Es zeigt sich auch, dass die Wahrscheinlichkeit für neue Projekte in Asien und Osteuropa wächst, wenn das Unternehmen bereits Erfahrung mit Auslandsforschung hat.

Belderbos et al. (2014) nutzen die Folgeversion der Datenbasis zu neuen FuE-Investitionen (FDI Markets database) und finden in einer Analyse für Regionen der EU-15 im Zeitraum 2003–08 einen positiven Einfluss der akademischen Stärke der Zielregion und des Angebots an Promovierten auf die Ansiedlung von FuE multinationaler Unternehmen. Signifikante positive Effekte haben auch weitere Faktoren, wie die technologische Stärke, das Vorhandensein von Industrie, das BIP pro Kopf, die steuerliche FuE-Förderung und die Ähnlichkeit der Sprache.


Dachs et al. (2012) untersuchen FuE ausländischer Unternehmen in Sektoren des verarbeitenden Gewerbes in 27 OECD-Ländern im Zeitraum 2004 bis 2007. Sie finden Unterschiede in den „alten“ EU-15 Ländern und den weniger entwickelten „neuen“ EU-12 Ländern:

Größere Märkte führen mit Ausnahme der neuen EU-12 Länder zu höheren FuE-Ausgaben ausländischer Unternehmen.

Der Anteil der Hochschulabsolventen in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern an den Erwerbstätigen wirkt sich nur in den neuen EU-12 positiv auf die FuE ausländischer Unternehmen aus.

Der Anteil der staatlichen Ausgaben an den gesamten FuE-Ausgaben im jeweiligen Sitzland wirkt im gesamten Ländersample und bei den EU-12 positiv auf die FuE ausländischer Unternehmen, nicht jedoch in den EU-15.

Höhere Arbeitskosten haben in den EU-15 einen positiven Einfluss auf FuE ausländischer Unternehmen und einen negativen Einfluss in den EU-12. Dies wird von den Autoren als Ausdruck dafür gesehen, dass weniger anspruchsvolle Routineaufgaben in FuE, wie sie vorwiegend in den EU-12 durchgeführt werden, stark auf steigende Arbeitskosten reagieren.

Höhere FuE-Intensitäten der einheimischen Unternehmen wirken positiv auf die FuE ausländischer Unternehmen, allerdings nicht in den EU-12.

Standortfaktoren wirken nicht auf alle MNU mit gleicher Intensität (Siedschlag et al. 2013). In ihrer Untersuchung von 446 neu errichteten FuE-Einheiten in 233 Regionen in 21 EU-Ländern zwischen 1999 und 2006 finden die Autoren mit Discrete-Choice-Modellen, dass die Anziehungskraft von hoher Patentintensität und der Nähe zu Exzellenzzentren für US-amerikanische Unternehmen höher ist als für europäische. Eine hohe staatliche FuE-Intensität erhöhte die Wahrscheinlichkeit der Ansiedlung europäischer MNU, nicht jedoch von US-Unternehmen.

Wirken steuerliche Anreize auf die Ansiedlung ausländischer FuE?

Bereits 2009 stellte eine Expertenkommission für die EU Kommission fest, dass es wenig Evidenz zum Einfluss von FuE-Steueranreizen auf grenzüberschreitende FuE-Standortentscheidungen gibt. “Therefore, questions on whether (the introduction of) R&D tax incentives can cause the location of R&D investment in a country/ region or which design of the tax incentives is better for achieving such a policy goal cannot be answered.” (EU 2009)

Für US-amerikanische Industrieunternehmen im Ausland finden Athukorala und Kohpaiboon (2010) keinen Einfluss finanzieller Anreize wie steuerlicher Vergünstigungen oder der Regulierung des geistigen Eigentums auf die FuE-Intensität.“There is no evidence to suggest that financial incentives (tax incentives) and intellectual property protection have a significant impact on inter-country differences in R&D intensity.”
Der Schutz des geistigen Eigentums spielt allenfalls in entwickelten Ländern mit komplementärer Ausstattung eine Rolle. Daraus schließen die Autoren, dass es Zweifel an der Wirksamkeit politischer Maßnahmen zur Anziehung von FuE der MNU gibt.

Köhler et al. (2012) schließen aus der Literatur, dass der Einfluss von steuerlichen Anreizen nicht unabhängig von anderen wichtigen Faktoren betrachtet werden darf. Dazu gehören der Zugang zum Markt und die Unterstützung der Aktivitäten dort, was die Nähe zu anderen Unternehmensaktivitäten und lokalen Kunden einschließt, der Zugang zu Technologien und Fachkräften sowie der Schutz des geistigen Eigentums.
„These factors may have an even stronger impact on the location decision for R&D than the existence of R&D tax incentives.”

In seinem Gravitationsmodell für 26 OECD-Länder zwischen 1985 und 2006 führt Thomson (2013) einen speziellen FuE-Steuerindikator ein. Der Autor interpretiert seine Ergebnisse als Hinweis darauf, dass finanzielle Anreize dazu beitragen, global mobile FuE anzuziehen. Allerdings hat er in der ähnlichen Vorgängerstudie keine Evidenz dafür gefunden, dass steuerliche Anreize zusätzliche FuE ausländischer Unternehmen anregen (Thomsen 2009).

In ihrer bereits erwähnten Analyse für EU-Länder finden Siedschlag et al. (2013) keine Wirkung der nationalen Unternehmensbesteuerung auf die Attraktivität der Regionen für neue FuE ausländischer Unternehmen.

Fazit

Sowohl die Strategie des “knowledge-exploiting” als auch des “knowledge-augmenting” treiben die Internationalisierung von FuE in Unternehmen. Die wichtigsten Standortfaktoren, die FuE ausländischer Unternehmen anziehen, sind der Markt und sein Wachstumspotential einerseits sowie der leichte Zugang zu akademischer Forschung (Universitäten und Forschungseinrichtungen) und das Angebot an qualifiziertem FuE-Personal andererseits. Die Politik kann vor allem durch die Stärkung des nationalen Innovationssystems die Ansiedlung der FuE multinationaler Unternehmen fördern.

Motive der Kostensenkung von FuE haben verglichen mit den markt- und technologieorientierten Faktoren einen deutlich geringeren Einfluss. Sie spielen eher an den neuen Forschungsstandorten in aufstrebenden Ländern eine Rolle. Die Wirkungen der steuerlichen FuE-Förderung auf die Ansiedlung von FuE ausländischer Unternehmen sind in der Literatur umstritten. Unterschiede beim Schutz des geistigen Eigentums beeinflussen allenfalls die Konkurrenz zwischen etablierten Forschungsstandorten in den Industrieländern.

Quellen

Arvanitis S. and Hollenstein H. (2010), How Do Different Motives for R&D Cooperation Affect Firm Performance? – An Analysis Based on Swiss Micro Data. KOF Working Papers, (258).
http://www.kof.ethz.ch/en/publications/p/kof-working-papers/233/

Athukorala P. and Kohpaiboon A. (2010), Globalization of R&D by US-based Multinational Enterprises. Research Policy 39 (2010) 1335–1347.

Belderbos R., Leten, B. and Suzuki, S. (2013), How global is R&D?: Firm-level determinants of home-country bias in R&D, Journal of International Business Studies, Palgrave Macmillan, vol. 44(8), pages 765-786, October.

Belderbos R., Van Roy V., Leten B, Thijs B.(2014), Academic research strengths and multinational firms’ foreign R&D location decisions: evidence from R&D investments in European regions, Environment and Planning A 46(4) 920 – 942.

Castellani D., Palmero A.J. and Zanfei A. (2011), The Gravity of R&D FDIs. Working Papers in Economics, Mathematics and Statistics.
http://final.dime-eu.org/files/Castellani_etal_E6.pdf

Criscuolo, P., Narula R. and Verspagen B. (2005), Role of home and host country innovation systems in R&D internationalisation: a patent citation analysis. Economics of Innovation and New Technology, Taylor & Francis Journals, vol. 14(5), 417-433.

Czernich N. (2014), Forschung und Entwicklung deutscher Unternehmen im Ausland - Zielländer, Motive und Schwierigkeiten, Studien zum deutschen Innovationssystem, Berlin: EFI. Studie 13-2014.
http://www.e-fi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2014/StuDIS_13_2014.pdf

Dachs B. et al. (2012) Internationalisation of business investments in R&D and analysis of their economic impact. AIT Austrian Institute of Technology and The Vienna Institute for International Economic Studies – wiiw. EU Commission, Directorate General for Research and Innovation (ed.), Luxembourg.
http://ec.europa.eu/research/innovation-union/pdf/internationalisation_business-rd_executive-summary.pdf

Dachs B., Stehrer R. and Zahradnik G. (Hrsg.)(2014), The Internationalisation of Business R&D. Edward Elgar, Cheltenham, Northhamton.

Dachs B. and Pyka A. (2009) What drives the internationalisation of innovation? Evidence from European patent data. Economics of Innovation and New Technology, 19(1), 71-86.

Demirbag M. and Glaister K.W. (2010) Factors Determining Offshore Location Choice for R&D Projects: A Comparative Study of Developed and Emerging Regions. Journal of Management Studies, 47(8), 1534-1560.

Dunning J.H. and Narula R. (1995) The R&D Activities of Foreign Firms in the United States.
International Studies of Management & Organization, 25(1/2), 39-74.

Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (2014), Gutachten zu Forschung , Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2014, Berlin: EFI.
http://www.e-fi.de/fileadmin/Gutachten_2014/EFI_Gutachten_2014.pdf

EU (2009), Expert Group on Impacts of R&D Tax Incentives: Design and Evaluation of Tax Incentives for Business Research and Development. Submitted to European Commission, Directorate General – Research. Brüssel, November 2009.
http://ec.europa.eu/invest-in-research/pdf/download_en/tax_expert_group_final_report_2009.pdf

Köhler C., Laredo P. and Rammer C. (2012): The Impact and Effectiveness of Fiscal Incentives for R&D. Nesta Working Paper No. 12/01. Manchester, January 2012.
http://www.nesta.org.uk/sites/default/files/the_impact_and_effectiveness_of_fiscal_incentives.pdf

Hall B.H. (2011), The Internationalization of R&D. UNU-MERIT Working Paper Series, No. 49.
http://www.merit.unu.edu/publications/working-papers/?year_id=2011

Kuemmerle W. (1997), Building effective R&D capabilities abroad. Havard Business Review, 75(2), 61-70.

Kuemmerle W. (1999), Foreign direct investment in industrial research in the pharmaceutical and electronics industries—results from a survey of multinational firms. Research Policy, 28(2–3), 179-193.

Le Bas C., Sierra C. (2002), “Location versus home country advantages” in R&D activities: some further results on multinationals’ locational strategies. Research Policy, 31, 589-609
.

Meyer S. and Berger M. (2012), Internationalisation of R&D Activities of Austrian Firms: Strategic Drivers for Spatial Organisation. Joanneum Research Policies, 66.

Moncada-Paternò-Castello P., Vivarelli M. and Voigt P. (2011), Drivers and Impacts in the Globalization of Corporate R&D: An Introduction Based on the European Experience. IZA DP No. 5582, Bonn, March 2011.
http://ftp.iza.org/dp5582.pdf

OECD (2008), The Internationalisation of Business R&D, Evidence, Impacts and Implications. Paris.

Patel P. and Vega M. (1999), Patterns of internationalisation of corporate technology: location vs. home country advantages. Research Policy 28 (2-3), 145-155.

Picci L. (2010), The internationalization of inventive activity: A gravity model using patent data. Research Policy, 39(8), 1070-1081.

Picci L. and Savorelli L. (2012), The Structural Changes of Internationalized R&D Activities: An Analysis of Patent Data. Draft: 28 March 2012.

himizutani S. and Todo Y. (2008), What determines overseas R&D activities? The case of Japanese multinational firms. Research Policy, 37(3), 530-544.

Siedschlag I., Smith D., Turcue C. and Zhang X. (2013), What determines the location choice of R&D activities by multinational firms? Research Policy, Volume 42, Issue 8, September 2013, pp. 1420–1430.

Simone V. R. Galina & Paulo G. D. Moura (2013),Internationalization of R&D by Brazilian Multinational Companies, International Business Research; Vol. 6, No. 8; 2013, Published by Canadian Center of Science and Education.
http://www.ccsenet.org/journal/index.php/ibr/article/viewFile/27518/17400

Song J., Asakawa K. and Chu, Y. (2011), What determines knowledge sourcing from host locations of overseas R&D operations?: A study of global R&D activities of Japanese multinationals. Research Policy, 40(3), 380-390.

Thomson R. (2009), Tax Policy and the Globalisation of R & D. The Arndt-Corden Division of Economics Research The Australian National University, Working Papers in Trade and Development No. 2009/03, January 2009.
https://crawford.anu.edu.au/acde/publications/publish/papers/wp2009/wp_econ_2009_03.pdf

Thomson, R. (2013), National scientific capacity and R&D offshoring. Research Policy 42 (2013) 517– 528.

Thursby J. and Thursby M. (2006), Here or There? A Survey of Factors in Multinational R&D Location The National Academies Press.


WAZ online 05.04.2014: „Innovationsstandort Deutschland fällt zurück“,
http://www.waz-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/Deutschland-Welt/BDI-Chef-Grillo-Deutschland-faellt-zurueck.


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111808

keyboard_arrow_up