Berlin Lunchtime Meeting Rückblick 1_2015

Mehr Beobachtung von Marktprozessen

Neue Instrumente in der Verbraucherpolitik
- Das Beispiel Finanzmarktwächter -



Vortrag: Gerd Billen I Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Begrüßung: Prof. Dr. Gert G. Wagner | DIW Berlin
Moderation: Kornelia Hagen | DIW Berlin

„Mehr Beobachtung von Marktprozessen“ – das forderte Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), der im Rahmen des Berlin Lunchtime Meetings das Beispiel des Finanzmarktwächters als neues Instrument in der Verbraucherpolitik vorstellte. Billen war von 2007 bis 2013 Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und hatte sich bereits in dieser Funktion für die Einführung eines Finanzmarktwächters eingesetzt.

Warum ein solcher Finanzmarktwächter notwendig sei, erläuterte einleitend DIW-Forscherin Kornelia Hagen: „Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind mit der Produktvielfalt und -komplexität überfordert. Intransparenz, unzureichende oder gar Falschberatung sowie fehlende Standards erschweren es zusätzlich, Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten frühzeitig zu erkennen.“



Um diese Missstände zu beseitigen, sprach sich Billen für eine „neue Architektur der Verbraucherpolitik“ aus. Diese müsse stärker empirisch ausgerichtet sein als bisher, um damit der zunehmenden Skandalisierung durch die Medien vorzubeugen. Ziel sei es, zum einen die Eigenständigkeit der Verbraucher zu fördern und zum anderen für faire und funktionierende Märkte zu sorgen. Aber, so gestand Billen: „Von diesem Leitbild sind wir in der Realität weit entfernt.“

Es gelte daher herauszufinden, „wie die Verbraucher ticken“. Ausdrücklich lobte Billen in diesem Zusammenhang die Arbeit des DIW Berlin, das mit seinem jüngst initiierten Berlin Centre for Consumer Policies (BCCP) seinen Schwerpunkt im Bereich Verbraucherforschung ausbaut. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Verbraucherforschung sei, so erläuterte Billen, auch die Bereitstellung von Informationen ein wichtiger Baustein für eine neue Architektur der Verbraucherpolitik. „Dies geschieht zwar bereits, beispielsweise in Form von Produktinformationsblättern, oft ist es aber für die Verbraucher dennoch schwer einzuschätzen, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um ein seriöses Geschäftsmodell handelt“.



Genau hier setzt der Finanzmarktwächter an, der seit Anfang des Jahres 2015 vom BMJV aufgebaut wird und ein gemeinsames Vorhaben des VZBV und der 16 Verbraucherzentralen der Länder ist. Dieser solle, so Billen, als –„Frühwarnsystem“ fungieren, um Missstände und Fehlentwicklungen auf dem Finanzmarkt schneller aufdecken und beheben zu können. Dazu sei eine systematische Auswertung von Verbraucherrückmeldungen sowie eine stärkere Spezialisierung der Verbraucherzentralen geplant. „Der Finanzmarktwächter ist explizit nicht als Gegenspieler, sondern als Ergänzung der BaFin konzipiert“, betonte er. Im Unterschied zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin könne der Finanzmarktwächter nämlich keine Produkte verbieten oder deren Verkauf beschränken. Eine zentrale Aufgabe sei die Identifizierung von Problemen und der entsprechenden Gegenmaßnahmen. „Deshalb ist der Wächter auf die Beschwerden und Hinweise der Verbraucher angewiesen. Eine Vernetzung der Akteure, zu denen insbesondere auch die Unternehmen und Banken selber gehören, und der Austausch von Argumenten sind eine zentrale Voraussetzung dafür, dass der Finanzmarktwächter erfolgreich arbeiten kann.“

Diese Aufforderung nahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung zu Herzen und diskutierten im Anschluss an Billens Vortag lebhaft zum Problem der Bevormundung der Verbraucher und der Rolle von Banken und Versicherungen bei der Marktbeobachtung.


keyboard_arrow_up