Externe Monographien
Martin Beznoska
Berlin: Freie Univ. Berlin, FB Wirtschaftswiss., 2013, VII, 161 S.
Diese Dissertation beschäftigt sich mit verschiedenen Fragestellungen, die den Konsum privater Haushalte betreffen. In drei Kapiteln wird sowohl der intertemporale Konsum, als auch die Nachfrage nach bestimmten Gütern empirisch mit Mikrodaten, die Einnahmen und Ausgaben der deutschen Privathaushalte enthalten, analysiert. Die verwendeten Modelle und die Schätzergebnisse sind sowohl für mikro- als auch für makroökonomische Fragestellungen von Relevanz. Die ersten beiden Kapitel untersuchen den intertemporalen Konsum vor dem Hintergrund der alten makroökonomischen Fragestellung nach dem für den Konsum entscheidenden Einkommenskonzept, das heißt ob das aktuell verfügbare oder das permanente Einkommen den Konsum determiniere. Im ersten Kapitel, wird eine Keynesianische Konsumfunktion geschätzt mit gepoolten Querschnittsdaten der Laufenden Wirtschaftsrechnung (LWR), die Informationen zu den Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland für die Jahre 2002-2007 enthalten. Die Entscheidung zwischen Konsum in der aktuellen Periode oder Konsumverzicht zu Gunsten zukünftigen Konsums (Sparen) wird im Rahmen der strukturelle Nachfragemodellumgebung des Quadratic Almost Ideal Demand System (QUAIDS) untersucht. Hierbei ist die Konsumentscheidung abhängig vom verfügbaren Einkommen, dem aktuellen Preisniveau, dem zukünftig erwarteten Preisniveau und dem Zinssatz nach Steuern. Hierfür wurde ein Einkommensteuer-Mikrosimulationsmodell für die LWR Daten entwickelt, das für jeden Haushalt im Datensatz einen individuellen Steuersatz für die Kapitalerträge simuliert. Mit den Schätzergebnissen aus dem Modell können dann die Einkommens- und Preis-, bzw. Zinselastizitäten für den Konsum und die Ersparnis berechnet werden. Die geschätzten Elastizitäten werden am Mittelwert und an bestimmten Quantilen evaluiert, um die Unterschiede in den Effekten über die Konsumverteilung hinweg herauszustellen, insbesondere vor dem Hintergrund von sozialpolitisch motivierten Maßnahmen, die die Nettozinssätze oder das verfügbare Einkommen betreffen. Zu diesen Maßnahmen zählen Reformen der Abgeltungssteuer oder garantierte Zinssätze in Altersvorsorge- und Bausparverträgen. Die unkompensierte Zinselastizität der Ersparnis wird auf nicht signifikant verschieden von Null geschätzt, was der Intention einiger Politikmaßnahmen, die das Sparen fördern sollen, zuwiderläuft. Im zweiten Kapitel der Dissertation, wird die Permanente Einkommenshypothese (PEH) empirisch überprüft und der Frage nachgegangen, ob Liquiditätsbeschränkungen bestimmter Haushalte der Grund für ein mögliches Verwerfen der Hypothese sind. Die PEH besagt, dass ein Schock, also eine unerwartete Veränderung, des permanenten Einkommens proportional zu einer Konsumveränderung führt. Neue Informationen bezüglich des Lebenszeiteinkommens führen zu einem veränderten Konsumpfad über den Lebenszyklus. Hingegen sollten Schocks, die das transitorische Einkommen betreffen, also von kurzer Dauer sind, keinen Einfluss auf den Konsum haben. Eine positive transitorische Abweichung vom permanenten Einkommen würde nahezu komplett gespart werden und eine negative würde durch Entsparen oder Kreditaufnahme kompensiert werden. Somit bleibt der Konsum fast unberührt von diesem Schock. Eine weitere testbare Implikation der PEH, der in der empirischen Literatur viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist die "Excess Sensitivity" des Konsums. Antizipierte Änderungen des Einkommens sollten laut PEH keine messbaren Ausschläge der Konsumausgaben mit sich bringen, da der Konsum sich schon im Zeitpunkt der Erwartungsbildung anpassen sollte und nicht erst bei der Realisation der Einkommensänderung. Diese Hypothesen werden im zweiten Kapitel empirisch in einem dynamischen Konsummodell mit den Mikrodaten der LWR getestet. Hierzu wird ein sogenanntes Pseudo Panel mit den Wellen der Jahre 2002-2007 konstruiert und die Effekte von permanenten und transitorischen Schocks auf den Konsum geschätzt, sowie die "Excess Sensitivity" getestet. In einem "Switching Regression" Modell mit unbekannter Sample Selektion wird außerdem Heterogenität in den Ergebnissen identifiziert, die auf Liquiditätsbeschränkungen zurückzuführen ist. Die Gültigkeit der PEH wird auf Grundlage der Schätzergebnisse abgelehnt, allerdings werden signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von Liquiditätsbeschränkungen gefunden. Die Reaktionen bezüglich des Einkommens werden auch mit den Ergebnissen aus dem ersten Kapitel verglichen. Das dritte Kapitel verlegt den Fokus von der intertemporalen Konsumallokation auf die Nachfrage nach bestimmten Gütern. Auf Grund der intensivierten Besteuerung von Energie und Kraftstoffgütern und der gesteigerten Relevanz dieser Güter aus allokativer und sozialpolitischer Sicht, wird ein Nachfragesystem modelliert, in dem Preis- und Kreuzpreiseffekte zwischen "Mobilität", "Heizgütern", "Elektrizität", sonstigen nicht-dauerhaften Gütern und der Nachfrage nach Freizeit geschätzt werden. Das System wird mit gepoolten Mikrodaten der Jahre 1998, 2003 und 2008 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) geschätzt und erlaubt die Berechnung von kompensierten und unkompensierten Preiselastizitäten. Mit diesem Modell lassen sich Wohlfahrtsanalysen und Nachfrageeffekte von Preisveränderungen der Güter simulieren. Insbesondere die Kreuzpreiseffekte zur Nachfrage nach Freizeit erweisen sich hierbei als relevant. Es wird im strukturellen Modell zwischen intensiver und extensiver Nachfrage nach Freizeit unterschieden, wobei sich die intensive Nachfrage auf die Arbeitsmarktpartizipation bezieht und die extensive auf Änderungen in den gearbeiteten Stunden. In dem Modellansatz werden die intensiven Nachfrageelastizitäten im Nachfragesystem geschätzt und die extensiven in einem vorgeschalteten Discrete Choice Modell, das zudem für die Selektionskorrektur im Nachfragesystem genutzt wird. Die Nachfrage auf beiden Ebenen wird dann zu einer Gesamtnachfrageelastizität nach Freizeit zusammengeführt. Der gewählte Ansatz unterscheidet sich dadurch zu den in der Literatur angewandten Ansätzen, die die Differenzierung zwischen extensiver und intensiver Reaktion nicht explizit modellieren. Es werden relevante Kreuzpreiseffekte zwischen Mobilität und Freizeit gefunden, die in einer Mikrosimulation einer hypothetischen Steuerreform zum Einsatz kommen, um Wohlfahrts- und Aufkommenseffekte zu berechnen.
Keywords: household consumption, demand system estimation, interest rate elasticity, permanent income hypothesis, environmental taxes
Externer Link:
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000095412
Frei zugängliche Version: (pi)
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000095412-5