Pressemitteilung vom 20. Mai 2015
Anlagenbetreiber müssen ihren Strom selbst verkaufen – Kosten der Prognoseabweichungen und standortspezifische Erlösänderungen machen Windstrom unnötig teuer
Das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Jahres 2014 verpflichtet neue Windanlagen, ihren Strom selber zu vermarkten. So werden Anreize für gute Windprognosen und clevere Verkaufsstrategien geschaffen. Allerdings entstehen auch neue Risiken über die Höhe der Kosten bei Prognoseabweichungen und über standortspezifische Erlöse. Durch diese verpflichtende Direktvermarktung könnten sich die Finanzierungs- und damit auch die Förderkosten für projektfinanzierte Neuanlagen je nach Kapitalstruktur und Standort deutlich erhöhen. „Diese zusätzlichen Kosten müssen letztendlich die Stromkunden tragen. Deshalb sollte vermieden werden, dass bei der Weiterentwicklung des EEG neue Risiken für Investoren entstehen“, so DIW-Energieexperte Karsten Neuhoff.
Mit der Reform des EEG im Jahr 2014 wurde stufenweise eine Pflicht zur Direktvermarktung eingeführt. Betreiber größerer Windenergieanlagen müssen ihren Strom selbst verkaufen. Zusätzlich zum Verkaufserlös erhalten sie eine sogenannte gleitende Marktprämie, die sich an der Differenz zwischen dem im EEG festgelegten Fördersatz und dem durchschnittlichen Marktwert des Windstroms im Vormonat orientiert, also jeden Monat neu festgelegt wird. Die Pflicht zur Direktvermarktung gilt seit 1. August 2014 für Neuanlagen mit einer Leistung über 500 Kilowatt (kW) sowie ab 2016 für alle Neuanlagen über 100 kW.
Änderungen wirken sich auf Kosten und Erlöse von Anlagenbetreibern aus
Die Änderungen beeinflussen nicht nur die Kosten, sondern auch die zu erwartenden Erlöse. Zum einen können Prognoseabweichungen zusätzliche Kosten für die Betreiber der Anlagen verursachen: Die Betreiber verkaufen den Strom zunächst entsprechend der am Vortag erstellten Erzeugungsprognose am Großhandelsmarkt und müssen dann, wenn sie tatsächlich weniger oder mehr Strom erzeugen als am Vortag erwartet, anderen Strom kaufen oder verkaufen, um die entsprechenden Abweichungen auszugleichen. Die daraus entstehenden Zusatzkosten sind schwer zu prognostizieren. Nach den historischen Marktpreisen und Winddaten liegen sie im Durchschnitt bei etwa drei Prozent bezogen auf die Stromvermarktungserlöse, sie können jedoch in einzelnen Monaten und Regelzonen auch deutlich höher sein. Zum anderen unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher lokaler Windprofile die möglichen Erlöse von Windkraftanlagen an unterschiedlichen Standorten in Deutschland.
Für Investoren gibt es zwei neue Risiken
Aus Sicht der Investoren wurden damit zwei neue Risiken geschaffen: Sie müssen jetzt die Kosten von Prognoseabweichungen und standortspezifische Unterschiede des Marktwerts von Windenergie berücksichtigen. Thilo Grau, Karsten Neuhoff und Matthew Tisdale haben die sich daraus ergebenden Unsicherheiten berechnet und analysiert, wie diese sich bei projektfinanzierten Windenergieprojekten an Land auf die Kapitalstrukturen und die Finanzierungskosten auswirken. Anhand unterschiedlicher Szenarien kamen die DIW-Forscher zu dem Ergebnis, dass durch die zusätzlichen Risiken beziehungsweise steigenden Kosten bei der Projektfinanzierung die Eigenkapitalrendite sinkt. Insgesamt wird deshalb die Finanzierung teurer. Die EEG-Förderung müsste in den angenommenen Szenarien theoretisch um drei bis zwölf Prozent steigen, um die gleichen Finanzierungsrahmenbedingungen herzustellen wie vor der Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung. Dies gilt zumindest für kommerzielle und institutionelle Investoren, die eine vergleichsweise hohe Rendite erwarten. Wenn die Finanzierungskosten steigen, müssten auch die EEG-Tarife entsprechend steigen, um den gleichen Ausbau der Windkraft zu erreichen. Diese Mehrkosten trägt am Ende der Verbraucher. „Um die erneuerbaren Energien in den Markt zu integrieren, wäre es vermutlich effizienter, den Kurzzeitmarkt für Strom weiterzuentwickeln, etwa durch die Einführung untertägiger Auktionen. So können alle Akteure Strom effizient verkaufen, und es müssen nicht Anreize und damit einhergehende Risiken geschaffen werden“, so Neuhoff.