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Studieren und Arbeiten: die Bedeutung der studentischen Erwerbstätigkeit für den Studienerfolg und den Übergang in den Arbeitsmarkt

DIW Roundup 70, 7 S.

Mila Staneva

2015

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30. Juni 2015

Eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium gehört in Deutschland zum Alltag vieler Studierender. Dennoch erhält das Thema „Studieren und Arbeiten“ weder im öffentlichen noch im wissenschaftlichen Diskurs eine größere Aufmerksamkeit. Angesichts der hohen studentischen Erwerbspartizipation ist jedoch eine empirische Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des Jobbens für das Studium und den späteren Übergang in das Erwerbsleben von großer Bedeutung. Mehr Wissen darüber, wie die studentische Erwerbstätigkeit die Studienleistungen, die Studiendauer, die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs aber auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst, könnte unser Verständnis über Prozesse im tertiären Bildungsbereich erweitern und wichtige Fragen wie solche nach sozioökonomischen Ungleichheiten im Studium beleuchten.

Entwicklung und Ausmaß der studentischen Beschäftigung

Die Erwerbsquote unter deutschen Studierenden liegt seit 1990 stets über 50 Prozent. Dies zeigen Daten der Sozialerhebung, die größte bundesweite Befragung von Studierenden in Deutschland (Middendorff et al. 2013, siehe Abbildung 1). Damit hat Deutschland die viertgrößte Erwerbsbeteiligung von Studierenden unter 22 europäischen Ländern - nach den Niederlanden, Estland und Slowenien (EUROSTUDENT 2008). Der zeitliche Verlauf der Erwerbsquote unterscheidet sich zwischen Universitäten und Fachhochschulen kaum, dagegen variiert die Erwerbsbeteiligung mit dem Bundesland, der Fachrichtung und der angestrebten Abschlussart. So zeigt die 20. Sozialerhebung, dass die Erwerbsbeteiligung in 2012 in Westdeutschland um ca. 13 Prozentpunkte höher ist als in Ostdeutschland, dass die Erwerbsquote am höchsten für Master-Studierende und am niedrigsten für Studierende ist, welche ein Staatsexamen anstreben, dass Sozial- und Humanwissenschaftler am häufigsten und dass Naturwissenschaftler und Medizinstudenten am seltensten erwerbstätig sind (Middendorff et al. 2013). Studierende, die vor der Studienaufnahme eine berufliche Ausbildung absolviert haben, haben ebenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit erwerbstätig zu sein. Schließlich spielt auch die Bildungsherkunft eine Rolle, wobei die Erwerbsquote mit steigender Bildung der Eltern sinkt (Middendorff et al. 2013).

 

Abbildung 1: Entwicklung der studentischen Erwerbsbeteiligung in Deutschland

Wie kann die studentische Beschäftigung das Studium und den Arbeitsmarkteintritt beeinflussen?

Vor dem Hintergrund der hohen studentischen Erwerbspartizipation ist es überraschend, dass es in Deutschland kaum Forschung über den Zusammenhang von studentischer Erwerbstätigkeit und Studienerfolg gibt. Dieses Thema hat dagegen im angelsächsischen Forschungsraum mehr Aufmerksamkeit erhalten (siehe unten). Hier gehen Forscher meist davon aus, dass eine Erwerbstätigkeit dem Studium schaden und vom Lernen ablenken kann – die Zeit, welche im Jobben verbracht wird, kann nicht gleichzeitig dem Studium gewidmet werden. Gegen diese einfache theoretische Überlegung ist jedoch einzuwenden, dass bestimmte studienorientierte Tätigkeiten, wie z.B. die Tätigkeit als studentische Hilfskraft, durchaus positiv für den Studienverlauf sein können, da hier Studierende studienrelevantes Wissen erwerben, aber auch allgemeine Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Flexibilität entwickeln. Welcher Effekt dominiert, muss empirisch betrachtet werden. Das erfordert jedoch eine differenzierte Betrachtung der studentischen Tätigkeiten.

Eine weitere Frage, der im deutschen, aber auch im internationalen Kontext selten nachgegangen wird, ist, ob die während des Studiums gesammelte Erwerbserfahrung den Eintritt in den Arbeitsmarkt beeinflusst. Hier lässt sich im Sinne der Arbeitsmarktökonomik argumentieren, dass eine Arbeitserfahrung während des Studiums (und vor allem eine studienbezogene) ein günstiges Signal auf dem Arbeitsmarkt ist, das auf arbeitsmarktrelevantes Wissen der Absolventen hinweist. Ein solches Signal kann besonders unter starkem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt zum Tragen kommen. Wenn viele Einsteiger in den Arbeitsmarkt über einen Hochschulabschluss verfügen, erlaubt die zusätzliche Erwerbserfahrung während des Studiums sich gegenüber anderen Bewerbern abzugrenzen. Darüber hinaus kann eine Beschäftigung während des Studiums nützliche Kontakte zu Personen aus der Arbeitswelt bringen und dadurch neue informelle Kanäle der Stellensuche eröffnen. Auch erworbene Kenntnisse darüber, wie man nach Arbeit sucht oder sich für eine Stelle bewirbt, können dem Suchprozess beim Erwerbseinstieg zugutekommen.

Welche Ergebnisse im Einzelnen lassen sich auf der Basis bisheriger Studien finden?

Empirische Evidenz: Studentische Erwerbstätigkeit und Studienerfolg

In bisherigen Forschungsarbeiten zum Zusammenhang von studentischer Erwerbstätigkeit und Studienerfolg wurde vor allem untersucht, wie die Erwerbsbeteiligung die Studienleistungen, die Studiendauer und einen potenziellen Studienabbruch beeinflusst. Zu dieser Fragestellung existieren bisher vorrangig internationale Studien.

Die empirische Forschung zum Zusammenhang von studentischer Erwerbstätigkeit und Studienleistung liefert bisher gemischte Ergebnisse. So zeigen Wenz und Yu (2010) anhand einer Stichprobe von ca. 4000 Studierenden der Universität Winona, dass die wöchentliche Arbeitszeit einen moderaten negativen Zusammenhang zu Durchschnittsnote im Studium aufweist. Unabhängig von der Arbeitszeit weisen studentische Tätigkeiten an der Uni aber einen positiven Zusammenhang mit der Studienleistung auf. D.h. Studierende, die an der Universität arbeiten, erzielen im Vergleich zu Nichterwerbstätigen bessere Studienleistungen. Erst bei einem Arbeitsumfang über 18 Wochenstunden sinken diese auf dem Niveau der Leistungen der Vergleichsgruppe ab. In einer methodisch anspruchsvolleren Studie findet dagegen Darolia (2014) anhand von Daten einer bundesweiten Befragung in den USA keinen Effekt der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Studienleistungen. Eine Unterscheidung zwischen studien- und nicht studienbezogenen Tätigkeiten fehlt hier allerdings. Für Großbritannien findet Callender (2008) einen negativen Zusammenhang zwischen der Arbeitszeit während des Studiums und Studienleistungen. Auch für Italien findet Triventi (2014) einen negativen Effekt der studentischen Arbeitszeit – und zwar für die am Ende des ersten Studienjahres erreichten „ECTS-Punkte“. Body und Kollegen (2014) zeigen für Frankreich auch einen negativen Zusammenhang der Erwerbsintensität mit dem Abschluss der Kurse in einem akademischen Jahr – dieser zeigt sich aber erst ab acht Arbeitsstunden pro Woche.

Die Ergebnisse von Triventi (2014) und Body et al. (2014) weisen darauf hin, dass studentische Beschäftigung auch die Studiendauer beeinflussen kann: Wer aufgrund seines Jobs weniger Kurse belegt, wird voraussichtlich auch länger studieren. Mit dieser Frage beschäftigen sich Franzen und Hecken (2002) in einer Auswertung einer landesweiten Absolventenbefragung in der Schweiz ausführlicher. Sie zeigen, dass sowohl studienbezogene als auch nicht studienbezogene Tätigkeiten neben dem Studium einen signifikant positiven, aber sehr geringen Einfluss auf die Studiendauer haben.     

Eine weitere wichtige Frage ist, ob erwerbstätige Studierende häufiger ihr Studium abbrechen. Ergebnisse zum Zusammenhang von Erwerbstätigkeit und Studienabbruch liefert eine Studie von Hovdhaugen (2013). Hier wird anhand von norwegischen Daten gezeigt, dass nur die zeitintensive Erwerbstätigkeit – über 20 Wochenstunden – die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruches signifikant erhöht. Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen Moulin et al. (2013) in einer Studie für Kanada.

Aufgrund verschiedener Stichproben, Länderkontexte und statistischer Methoden ist es schwer einen klaren Konsens aus dem Forschungsstand abzulesen. Generell lässt sich schließen, dass vor allem eine hohe Erwerbsintensität dem Studienerfolg schaden kann. Ob andere Merkmale der studentischen Erwerbstätigkeit – ihr Studienbezug, die Flexibilität im studentischen Job, die Phase des Studiums, in welcher die Erwerbstätigkeit stattfindet, eine Rolle für den Studienerfolg spielen, ist jedoch weniger eindeutig.

Empirische Evidenz: Studentische Erwerbstätigkeit und Übergang in den Beruf

Zu der Frage, inwiefern eine studentische Erwerbstätigkeit den Übergang in den Beruf beeinflusst, liegen einige internationale Studien vor (Franzen/Hecken, 2002; Robert/Saar, 2012). Für Deutschland gibt es auch zu diesem Themenfeld bisher kaum Forschungsergebnisse. Eine der wenigen Ausnahmen ist eine Studie von Weiss, Klein und Grauenhorst (2014). Anhand von Daten einer bundesweiten Befragung von Absolventen des Jahrgangs 1997 untersuchen sie, wie verschiedene Arten der studentischen Erwerbserfahrung die Suchdauer bis zur ersten Beschäftigung nach dem Studium sowie die sozioökonomische Position und das Einkommen fünf Jahre nach dem Abschluss beeinflussen. Sie finden heraus, dass die Erwerbserfahrung während des Studiums keine langfristigen Effekte auf die Arbeitsmarktchancen der Absolventen hat. D.h. sie beeinflusst weder die sozioökonomische Position noch das Einkommen fünf Jahre nach dem Abschluss. Dagegen hat sie Auswirkungen auf die Suchdauer beim Arbeitsmarkteinstieg: Absolventen mit nicht studienbezogener Erwerbserfahrung während des Studiums suchen signifikant länger nach der ersten Stelle, während Absolventen mit studienbezogener Erfahrung signifikant schneller einen Job nach dem Studium finden.       

Eigene erste Untersuchungen auf der Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) liefern weitere wichtige Ergebnisse für den deutschen Kontext. Dabei wird eine Substichprobe von Hochschul- und Fachhochschulabsolventen ausgewertet, welche ihren Abschluss zwischen 1991 und 2008 gemacht haben. Sie werden 60 Monate nach ihrem Abschluss beobachtet. Abbildung 2 zeigt für jeden Monat nach dem Abschluss den Anteil von Absolventen, welche bereits eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung gefunden haben – differenziert nach AkademikerInnen, welche mindestens eine studienbezogene Tätigkeit neben dem Studium ausgeübt haben, solchen, welche ausschließlich Tätigkeiten ohne Studienbezug hatten, und jenen, die während des Studiums nicht erwerbstätig waren. Abbildung 3 zeigt die Anteile von Absolventen, welche in eine ausbildungsadäquate Beschäftigung wechseln. Die Aufnahme von einer nicht ausbildungsadäquaten Stelle wird hier nicht als Übergang gezählt. Es zeigt sich, dass Absolventen, die während des Studiums erwerbstätig waren, schneller den Übergang in die erste Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung schaffen – höhere Anteile von ihnen finden einen ersten Job im ersten Jahr nach dem Abschluss im Vergleich zu denen, die nicht während des Studiums gearbeitet haben (Abbildung 2). Nur die studienbezogene Erwerbstätigkeit während des Studiums scheint dagegen den Übergang in eine ausbildungsadäquate Beschäftigung zu fördern (Abbildung 3). Diese deskriptiven Ergebnisse bleiben auch dann erhalten, wenn für die Effekte anderer Einflussfaktoren kontrolliert wird.


Abbildung 2: Der Übergang vom Studium in die erste Vollzeit- oder Teilzeit-beschäftigung (Anteil der Übergänge in Prozent)



Abbildung 3: Der Übergang vom Studium in die erste ausbildungsadäquate Beschäftigung (Anteil der Übergänge in Prozent)

Die beiden dargestellten Untersuchungen auf der Basis deutscher Daten beziehen sich jedoch auf die „alten“ Magister- und Diplom-Studiengänge. Ob und wie die studentische Erwerbserfahrung den Arbeitsmarkteintritt von Bachelor- und Master-Absolventen beeinflussen kann, ist meines Wissens nicht bekannt.

Fazit

Vor dem Hintergrund der hohen studentischen Erwerbsbeteiligung und der empirischen Hinweise darauf, dass eine hohe Erwerbsintensität den Studienerfolg negativ beeinflussen kann und bestimmte studentische Erwerbserfahrung dem Arbeitsmarkteinstieg zugutekommen kann, erscheint eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Studieren und Arbeiten“ sehr wichtig. Mehr empirische Evidenz darüber, ob bestimmte sozioökonomische Gruppen von bestimmten Arten studentischer Erwerbstätigkeit mehr oder weniger profitieren oder verlieren, könnte unser Verständnis über die sozioökonomischen Ungleichheiten beim Studienverlauf und dem Arbeitsmarkteinstieg verbessern. Dabei kann die zukünftige Forschung von den Beschränkungen der bisherigen Forschung lernen. Folgende Punkte sollten in Zukunft stärker berücksichtigt werden:

  1. Viele der oben erwähnten Studien beziehen sich auf Erhebungen in einzelnen Universitäten. Für eine Generalisierbarkeit der empirischen Befunde ist jedoch die Verwendung repräsentativer Daten erforderlich.
  2. Eine differenzierte Betrachtung der studentischen Tätigkeiten ist wichtig. In der bisherigen Forschung wurde jedoch die studentische Erwerbstätigkeit oft vereinfachend als die wöchentliche Anzahl von Arbeitsstunden konzipiert und selten wurden die Effekte unterschiedlicher Arten von Tätigkeiten untersucht.  
  3. Studiendesigns zur Identifikation kausaler Zusammenhänge sind erforderlich. D.h. die Folgen einer Erwerbstätigkeit im Studium müssen methodisch allein darauf zurückgeführt werden.

Quellen

Body, K.M., Bonnal, M., Giret, J.F. (2014): Does Student Employment Really Impact Academic Achievement? The Case of France, Applied Economics, 46(25): 3061-3073.

Callender, C. (2008): The Impact of Term-Time Employment on Higher Edeucation Studentsʼ Academic Attainment and Achievement, Journal of Education Policy, 23(4): 359-377.

Darolia, R. (2014): Working (and Studying) Day and Night: Heterogeneous Effects of Working on the Academic Performance of Full-Time and Part-Time Students, Economics of Education Review, 38: 38-50.

EUROSTUDENT (2008): Social and Economic Conditions of Student Life in Europe. Final Report Eurostudent III 2005-2008. Bielefeld. http://www.eurostudent.eu/download_files/documents/Synopsis_of_Indicators_EIII.pdf

Franzen, A. und Hecken, A. (2002): Studienmotivation, Erwerbspartizipation und der Einstieg in den Arbeitsmarkt, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 54(4): 733-752.

Hovdhaugen, E. (2013): Working while studying: the impact of term-time employment on dropout rates, Journal of Education and Work.

Middendorff, E., Apolinarski, B., Poskowsky, J., Kandulla, M., Netz, N. (2013): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012, 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung.
http://www.sozialerhebung.de/download/20/soz20_hauptbericht_gesamt.pdf

Moulin, S., Doray, P., Laplante B., Street, M.C. (2013): Work intensity and non-completion of university: longitudinal approach and causal inference, Journal of Education and Work, 26(3): 333-356.

Robert, P. und Saar, E. (2012): Learning and Working: The Impact of the “Double Status Position” on the Labour Market Entry Process of Graduates in CEE Countries, European Sociological Review, 28 (6): 742-754.

Triventi, M. (2014): Does Working during Higher Education affect Studentsʼ academic Progression?, Economics of Education Review, 41: 1-13.

Weiss, F., Klein, M., Grauenhorst, T. (2014): The Effects of Work Experience during Higher Education on Labour Market Entry: Learning by Doing or an Entry Ticket?, Work, employment and Society, 28(5): 788-807.

Wenz, M. und Yu, W. (2010): Term-Time Employment and the Academic Performance of Undergraduates, Journal of Education Finance, 35(4): 358-373.


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111855

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