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Über die Krise zur Einheit? 25 Jahre monetärer Integrationsprozess in Europa

DIW Wochenbericht 27 / 2015, S. 639-649

Ferdinand Fichtner, Philipp König

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Abstract

Am 1. Juli 1990 wurde mit dem Wegfall der Kapitalverkehrskontrollen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die erste Stufe auf dem Weg zum Euro genommen. Der Weg dorthin war auch durch einen Kompromiss zwischen zwei Denkschulen gekennzeichnet – derjenigen, die davon ausging, dass der Schaffung der Zentralbank die weitergehende ökonomische Konvergenz und politische Integration folgen würde, und derjenigen, die die gemeinsame Währung erst als Krönung europäischer Zusammenarbeit und wirtschaftlicher Konvergenz ansah. Der Kompromiss, wie er im Maastricht-Vertrag verankert wurde – einerseits eine schnelle Einführung der gemeinsamen Währung und andererseits verstärkte finanzpolitische Zusammenarbeit – hat in den ersten Jahren der Währungsunion nicht dazu geführt, dass die institutionellen Grundlagen der Union gefestigt und der politische Integrationsprozess fortgesetzt wurde. In der Folge kam es zu wirtschaftlichen Divergenzen und Spannungen im Euroraum, die sich in den vergangenen Jahren zu einer Krise ausgewachsen haben. Erst als Reaktion auf diese Krise wurden notwendige Änderungen am institutionellen Gefüge der Währungsunion vorgenommen. Viel spricht dafür, dass solche Spannungen und sogar das Auftreten von Krisen als Impuls für eine weitergehende Integration bei der ursprünglichen Gestaltung der Währungsunion bewusst in Kauf genommen wurden. Allerdings erweist sich dies als hochriskantes politisches Kalkül, da es Gefahr läuft, die gesellschaftliche Unterstützung für den Integrationsprozess zu verlieren und damit die Gemeinschaftswährung in ihrer Existenz gefährdet. Um das europäische Projekt voranzubringen, darf sich die Politik nicht auf die Eigengesetzlichkeit von Krisen verlassen, sondern muss aktiv – und im demokratischen Diskurs mit der Bevölkerung – die weiteren Integrationsschritte vorantreiben und das institutionelle Fundament der Währungsunion festigen.

On July 1, 1990, when capital controls in the European Economic Community were removed, the path was paved for the introduction of the euro. This path was marked by a compromise between two schools of thought—those who assumed that the creation of the European Central Bank would be followed by greater economic convergence and political integration, and those who saw the single currency as the coronation of European cooperation and economic convergence. In the initial years following the introduction of the single currency, the compromise as set down in the Maastricht Treaty—the speedy introduction of the single currency, on the one hand, and better cooperation in fiscal policy matters on the other—neither strengthened the institutional foundations of the monetary union nor advanced the political integration process. This resulted in economic divergence and tension in the euro area, which in recent years culminated in a severe crisis. It was only in response to this crisis that some of the necessary changes to the institutional structures of the monetary union were made. There is much evidence to suggest that, when the monetary union was originally being created, such tension and even crisis situations were consciously tolerated because of the stimulus for deeper integration this would provide. Such political manoevering is very risky, however, since it can lead to the loss of public support for the integration process, thereby threatening the very existence of the common currency. To advance the European project, it is imperative that governments do not rely on the momentum inherent in crisis situations, but instead press ahead with the next stages of integration and take an active approach to bolstering the institutional foundations of the currency union.

Themen: Geldpolitik, Europa



JEL-Classification: E42;F15;F33;F45;N14
Keywords: monetary integration, crises, institutions, European Monetary Union,economic integration, capital movements
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111674

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