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Herbstgrundlinien 2015

DIW Wochenbericht 38 / 2015, S. 827-855

Ferdinand Fichtner, Guido Baldi, Franziska Bremus, Karl Brenke, Christian Dreger, Hella Engerer, Christoph Große Steffen, Simon Junker, Claus Michelsen, Katharina Pijnenburg, Maximilian Podstawski, Malte Rieth, Dirk Ulbricht, Kristina van Deuverden

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Abstract

Die deutsche Wirtschaft hält Kurs und wird in diesem Jahr wohl um 1,8 Prozent wachsen, im kommenden Jahr, bei leicht anziehender Dynamik, um 1,9 Prozent. Damit hält das DIW Berlin an seiner Prognose vom Sommer dieses Jahres fest. Der Beschäftigungsaufbau setzt sich fort; die Arbeitslosenquote sinkt in diesem Jahr auf 6,4 Prozent und verharrt dort. Die Inflation ist aufgrund der deutlich gesunkenen Ölpreise in diesem Jahr niedrig und liegt bei 0,4 Prozent; im kommenden Jahr beläuft sie sich auf 1,4 Prozent. Die Zuwächse der Weltwirtschaft dürften sich im Prognosezeitraum etwas erhöhen. Vor allem in den Industrieländern sorgen die erneut gesunkenen Energiepreise für weiterhin niedrige Inflationsraten. Hinzu kommen die in vielen Ländern stetigen Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt. Zusammen stützt dies die Kaufkraft der Haushalte und den Konsum. Im Euroraum schreitet die Erholung voran. Der Außenwert des Euro ist schwach, die Geldpolitik sehr expansiv und wichtige Handelspartner wachsen kräftig, so dass sich der Konsum gut entwickeln und im weiteren Verlauf auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen erholen dürfte. Für die Schwellenländer ist zunächst nicht mit kräftigem Wachstum zu rechnen. Stärkere Schwankungen an den Finanzmärkten führen zu schlechteren Finanzierungsbedingungen. Erst im kommenden Jahr, wenn etwa Russland und Brasilien die Rezession hinter sich lassen, dürfte sich die Konjunktur etwas stabilisieren. Die deutschen Exporte folgen weiter ihrem Aufwärtstrend: Ein kräftigerer Aufschwung in wichtigen Industrieländern, aber auch die fortgesetzte Erholung im Euroraum kompensieren die etwas schwächere Nachfrage aus den Schwellenländern. Per saldo trägt der Außenhandel jedoch kaum noch zum Wachstum bei, denn die Importe werden im Zuge der dynamischen Binnenkonjunktur deutlich steigen. Der Konsum stützt das Wachstum der deutschen Wirtschaft. Der Beschäftigungsaufbau setzt sich fort – die Zahl der Erwerbstätigen dürfte etwa mit dem Tempo der vorangegangenen Quartale steigen – und die Löhne legen spürbar zu, in diesem Jahr auch wegen der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Hinzu kommen deutliche Zuwächse bei den Sozialleistungen; dies liegt vor allem an kräftig steigenden Renten, aber auch den Flüchtlingen fließen Leistungen zu, die den privaten Verbrauch anschieben dürften. Die Investitionen werden sich dagegen insgesamt eher verhalten entwickeln. Die Sorgen um die Zukunft des Euroraums dürften die Investitionspläne dämpfen. Zudem bestehen erhebliche Unsicherheiten über die Entwicklung wichtiger Absatzmärkte, insbesondere in China, die sich zuletzt sogar intensiviert haben. Hinzu kommen ungelöste geopolitische Konflikte, vor allem die Spannungen mit Russland. Dennoch zeichnet sich eine moderate Ausweitung der Investitionen in Ausrüstungen ab. Bei robuster Auslandsnachfrage und ausgelasteten Kapazitäten in der Industrie dürften sie im Verlauf sogar anziehen, zumal die dynamische Binnennachfrage Impulse geben dürfte. Die Risiken für die Konjunktur bleiben indes hoch und haben zuletzt sogar zugenommen. Die bevorstehende Zinswende in den USA könnte zu unerwartet starken Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern führen; dies könnte angesichts der hohen privaten Verschuldung – gerade auch weil diese oftmals in Fremdwährung besteht – die konjunkturelle Dynamik in diesen Ländern zusätzlich dämpfen. Einer deutlichen Abkühlung der chinesischen Wirtschaft dürfte die Regierung zwar mit expansiven Maßnahmen begegnen, allerdings besteht das Risiko, dass sie nicht rechtzeitig oder aber nicht ausreichend gegensteuern kann. Auch hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der europäischen Integration schnell wieder aufflammen kann. Zudem weist die zuletzt hohe Volatilität der Ölpreise darauf hin, dass sich auf dem Markt noch kein stabiles Gleichgewicht eingestellt hat. Die damit verbundene Planungsunsicherheit könnte die Dispositionen vieler Unternehmen stärker dämpfen als hier unterstellt.

The German economy is on track, and will likely grow by 1.8 percent this year; in the coming year, with a slight increase in dynamics, it will grow by 1.9 percent. With these figures DIW Berlin confirms its forecast from this summer. Employment growth continues; the unemployment rate will decrease this year to 6.4 percent, where it will remain in 2016. Due to the sharp drop in oil prices this year, inflation is low and stands at 0.4 percent; next year it will climb to 1.4 percent. Global economic growth is likely to experience a slight increase during the forecast period. In the industrialized countries in particular, the renewed drop in energy prices keeps inflation rates low. In addition, many countries have experienced steady improvements in labor markets. Together, these two factors support consumption and the purchasing power of households. Recovery in the euro area is moving forward. The euro’s external value is low, the monetary policy is very expansionary, and major trading partners are growing vigorously; consumption is likely to develop well, and in the course of time, corporate investment is also expected to recover. In the emerging markets, growth will remain subdued this year. Higher financial market volatility is leading to deterioration in financing conditions. They are expected to contribute more to global growth next year, when for example Russia and Brazil have emerged from recession. German exports continue in their upward trend: A strong upturn in major industrial countries, as well as the continued recovery within the euro area, are compensating for the somewhat weaker demand from the emerging countries. In net terms, however, foreign trade is still barely contributing to growth, because imports will increase significantly as part of the dynamic domestic economy. Consumption is supporting the growth of the German economy. The low inflation substantially supports consumers’ purchasing power. But nominal incomes are also experiencing strong increases: The employment growth continues—the number of employed individuals is expected to rise at roughly the rate of previous quarters—and wages have noticeably increased, also due to the introduction of the minimum wage. Other important factors are the significant increases in social benefits; these are primarily due to a sharp increase in pensions, but also to the benefits being received by the refugees, which should give private consumption an additional boost. In contrast, investment will be rather subdued overall. Concerns about the future of the euro area are likely to dampen investment plans. Furthermore, considerable uncertainties about the development of important markets have recently intensified, particularly in China. There are also unresolved geopolitical conflicts, especially the tensions with Russia. Nevertheless, a moderate expansion of investment in equipment is emerging. With robust foreign demand and fully utilized capacities in the industry, these investments are expected to rise over time, especially since the dynamic domestic demand should provide an impetus. However, the risks to the economy remain high and in fact have recently increased. The impending interest rate turnaround in the U.S. could lead to unexpectedly strong capital outflows from the emerging countries; given the high private debt—especially since it is often in foreign currency—this could dampen economic momentum in these countries as well. Although a significant slump in the Chinese economy is expected to be handled with expansionary measures by the government, there is the risk that they may not take sufficient countermeasures in time. It has also been shown in the past that uncertainty about the further development of European integration can flare up quickly. In addition, the recently high volatility of oil prices shows that a new stable equilibrium still has not been established on the market. The planning uncertainty bound up with this could dampen the disposition of many corporations more strongly than assumed here.

Malte Rieth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Guido Baldi

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Kristina van Deuverden

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Vorstand

Hella Engerer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Themen: Konjunktur



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/120917

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