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Umstrittenes ANFA-Abkommen des Euro-Systems: keinerlei Belege für verbotene Finanzierung von Staatsdefiziten

Pressemitteilung vom 23. März 2016

Mehr Transparenz der Euro-Notenbanken würde die Glaubwürdigkeit des Eurosystems stärken

Der Vorwurf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unter dem Deckmantel des sogenannten ANFA-Abkommens verbotene Staatsfinanzierung betreibt, scheint angesichts der vorliegenden Daten unbegründet. Dafür gäbe es keine Belege, urteilt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nach einer Analyse der Vermögenspositionen in den Bilanzen der Notenbanken. Allerdings sei der Verdacht anhand dieser Daten auch nicht eindeutig zu widerlegen. Die DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth und ihr Kollege Philipp König raten deswegen zu mehr Transparenz: „Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit gegenüber den Motiven der Zentralbanken misstrauisch wird, birgt für die Geldpolitik im Euroraum das Risiko, dass das wichtigste Gut der Zentralbank beschädigt wird: ihre Glaubwürdigkeit.“

ANFA verhindert Konflikte mit der gemeinsamen Geldpolitik

Die nationalen Zentralbanken sind für geldpolitische Operationen des Euroraums sowie für eine Reihe von nationalen Aufgaben verantwortlich. Zu letzteren zählt auch die Verwaltung ihrer Portfolios. Damit dies nicht in Konflikt mit der gemeinsamen Geldpolitik gerät, gibt das Agreement on Net Financial Assets (ANFA) jährlich eine Obergrenze für die Nettofinanzanlagen in den Bilanzen der Nationalbanken vor – also für alle Vermögenswerte, die nicht im Zusammenhang mit der Geldpolitik stehen beziehungsweise nicht durch den Zahlungsverkehr oder die Mindestreservepflicht beeinflusst werden.
 
Die EZB hat das bis dahin vertrauliche Abkommen Anfang dieses Jahres offen gelegt, nachdem in der Öffentlichkeit Vorwürfe erhoben worden waren, dass über Anleihekäufe im Rahmen des ANFA-Abkommens verbotene monetäre Staatsfinanzierung stattfinde. Monetäre Staatsfinanzierung liegt dann vor, wenn eine Notenbank des Euroraums einem Mitgliedsstaat direkt Kredite zur Verfügung stellt oder dessen Schuldverschreibungen auf dem Primärmarkt, also unmittelbar bei der ersten Ausgabe vom Staat direkt erwirbt. Käufe von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt oder ihre Annahme als Besicherung für Refinanzierungsgeschäfte fallen dagegen nicht unter das Verbot.

Starke Ausweitung der Bestände an Staatsanleihen

Seit 2003 sind die Bestände an Staatsanleihen in den Bilanzen des Europäischen Systems der Zentralbanken ausgeweitet worden. Seit 2010 dürfte ein wesentlicher Teil davon auf die geldpolitischen Programme zum Ankauf von Staatsanleihen zurückzuführen sein. Während zwar auch die Positionen in den Bilanzen der nationalen Notenbanken angestiegen sind, in denen teilweise auch Staatsanleihen verbucht werden, dürfte dies zur Feststellung einer verdeckten monetären Staatsfinanzierung jedoch nicht ausreichen. Zum einen halten Notenbanken staatliche Schuldtitel auch zu Zwecken der Bilanzsteuerung und des Portfoliomanagements. Zum anderen ist aus den veröffentlichten Bilanzkennzahlen nicht ersichtlich, welche Notenbank Staatspapiere welcher Länder hält. Einen genauen Einblick in die einzelnen Transaktionen der nationalen Notenbanken mit Nettofinanzanlagen hat derzeit allein die Europäische Zentralbank (EZB), die das Verbot monetärer Staatsfinanzierung überwacht und in jüngster Zeit lediglich im Fall von Irland über Hinweise auf verbotene Wertpapierkäufe berichtete.

„Es ist von außen kaum nachvollziehbar, welche Motive und Strategien die Notenbanken mit ihren Anleihekäufen verfolgen. Hier wäre mehr Transparenz der nationalen Zentralbanken im Hinblick auf die Zusammensetzung ihrer Investments sicherlich zeitgemäß“, sagen Bernoth und König.

Links

Interview mit Philipp König (Print (PDF, 95.33 KB) und
O-Ton von Philipp König
Die nationalen Notenbanken sollten transparenter werden - Sieben Fragen an Philipp König
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