Pressemitteilung vom 19. Mai 2016
DIW Berlin untersucht in drei Studien Entwicklungen der Energie- und Wasserversorgung – Private Versorger arbeiten nicht effizienter als öffentliche – Konsolidierung der Trinkwasserbranche bringt kaum Vorteile
Immer mehr Städte und Gemeinden in Deutschland erzeugen und vertreiben wieder Strom, Gas und Wärme in Eigenregie: Die Zahl der öffentlichen Energieversorger ist in den Jahren 2003 bis 2012 um 17 Prozent gestiegen. Allerdings nahm die Zahl der privaten Versorger im selben Zeitraum um 49 Prozent zu und damit fast dreimal so stark. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. „Von einer Verdrängung privater Energieversorger durch Rekommunalisierungen kann keine Rede sein“, sagt Astrid Cullmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Unternehmen und Märkte des DIW Berlin. Gemeinsam mit ihren KollegInnen Maria Nieswand, Stefan Seifert und Caroline Stiel hat sie erstmals verfügbare Daten von Energiestatistiken, Jahresabschlüssen öffentlicher Fonds, Einrichtungen und Unternehmen sowie das Unternehmensregister ausgewertet. Auch die Umsatzentwicklung der Unternehmen liefert keine Anzeichen für einen Rekommunalisierungstrend. Im Gegenteil: Die öffentlichen Versorger haben weitere Umsatzanteile verloren. Sie erwirtschafteten im Jahr 2012 nur noch etwas mehr als ein Viertel der Umsätze im Energiesektor, obwohl sie die Mehrheit der Unternehmen stellen.
Dass die Zahl sowohl der öffentlichen als auch der privaten Energieversorger insgesamt immer weiter steigt, liegt nicht zuletzt an Umstrukturierungen der Branche im Zuge der Energiewende. So werden zahlreiche Unternehmen neu gegründet oder Bereiche aus bereits bestehenden Unternehmen ausgelagert, um neue Geschäftsfelder und Technologien zu erschließen.
Keine Effizienzunterschiede zwischen öffentlichen und privaten Energieversorgern
In einer zweiten Studie haben Cullmann, Nieswand, Seifert und Stiel untersucht, ob private Energieversorger effizienter wirtschaften als Energieunternehmen, die sich in staatlicher Hand befinden. Entgegen der landläufigen Vermutung ist dies jedoch nicht der Fall. „Unsere Analysen zeigen, dass kommunale Energieunternehmen ihre Leistung ebenso effizient erstellen wie private Unternehmen“, sagt Nieswand. „Das gilt nicht nur für den wettbewerblich organisierten Stromvertrieb. Auch die kommunalen Netzbetreiber arbeiten genauso effizient wie die privaten.“
Kritiker argumentieren immer wieder, dass öffentliche Unternehmen ihre Netze weniger effizient betreiben würden. „Das Ergebnis unserer Studie ist insofern bemerkenswert, als dass öffentliche Unternehmen anders als private nicht auf reine Gewinnmaximierung abzielen, sondern weitergehende Interessen verfolgen“, erklärt Stiel. So haben die kommunalen Unternehmen etwa auch energie- und klimapolitische und nicht zuletzt fiskalische Ziele. Soll nun die Energieversorgung generell wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden? Die ExpertInnen weisen darauf hin, dass aus ihrer allgemeinen Analyse keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Rekommunalisierungsvorhaben einzelner Kommunen zu ziehen sind: Rekommunalisierung müsse immer eine Einzelfallentscheidung sein.
Trinkwasserversorgung: kaum Kostenvorteile durch Unternehmenszusammenschlüsse
Einen weiteren Bereich der öffentlichen Versorgung hat der DIW-Wissenschaftler Michael Zschille in einer dritten Studie unter die Lupe genommen und die Entwicklung der Wasserversorgungsunternehmen untersucht. Mehr als 6.000 Trinkwasserversorger gibt es insgesamt in Deutschland – die Monopolkommission hat daher bereits in der Vergangenheit eine Konsolidierung des Sektors empfohlen. Die Ergebnisse der DIW-Analyse deuten allerdings eher nicht darauf hin, dass größere Versorger kostengünstiger arbeiten und Trinkwasser zu niedrigeren Preisen anbieten können. Ausnahmen gab es nur in Einzelfällen – etwa bei sehr kleinen Unternehmen. Zschille spricht sich daher gegen eine Zusammenlegung von Trinkwasserversorgungsgebieten und -unternehmen in Deutschland aus: „Das würde vermutlich zu Nachteilen für die Versorger sowie Verbraucherinnen und Verbraucher führen.“