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Stahl, Zement, Aluminium: EU-Emissionshandel könnte effektive Anreize zur CO2-Reduktion bei Grundstoffen setzen

Pressemitteilung vom 6. Juli 2016

Ein internationales Forscherkonsortium unter Beteiligung des DIW Berlin hat Reformmöglichkeiten des EU ETS geprüft – Ergebnis: Durch die Kombination aus dynamischer Zertifikatszuteilung und einer Verbrauchsabgabe können die Anreize des Emissionshandels wirksamer werden, ohne die Wettbewerbsposition der europäischen Grundstoffindustrie zu schwächen

Das europäische Emissionshandelssystem EU ETS könnte trotz international unterschiedlicher CO2-Preise wirksamere Anreize als gegenwärtig schaffen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase der Grundstoffindustrie zu reduzieren. Das zeigt die Untersuchung eines internationalen Forscherkonsortiums, an dem auch Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) beteiligt sind. Gelingen könnte dies den Forschern zufolge durch die Kombination einer dynamischen Zertifikatszuteilung mit einer den Emissionshandel ergänzenden Verbrauchsabgabe auf CO2-intensive Grundstoffe wie Stahl, Zement und Aluminium.

Weil es derzeit keine weltweit einheitlichen CO2-Preise gibt, können international handelnde Hersteller die Kosten für CO2-Zertifikate nur zu einem Teil an die Grundstoffpreise weitergeben, ohne dass ihre Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Damit gehen Anreize für Produzenten, Nutzer und Endverbraucher verloren, in klimafreundliche Produktionsprozesse zu investieren und auf höherwertige, klimafreundlichere Materialien umzusteigen“, erläutert Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin. Aber die Kombination von dynamischer Zertifikatszuteilung und Verbrauchsabgabe könnte ein Preissignal für die Vermeidung von CO2 setzen und damit wirtschaftliche Anreize entlang der gesamten Wertschöpfungskette herstellen, ohne die europäischen Produzenten im internationalen Wettbewerb zu schwächen. „Diese Verbesserung wäre innerhalb des Europäischen Emissionshandels mit moderatem administrativen Aufwand umsetzbar und würde für Endverbraucher in Europa zur selben Belastung führen wie ein weltweit wirksamer CO2-Preis“, fasst Roland Ismer von der Universität Erlangen-Nürnberg zusammen.

40 Prozent der Industrie-Emissionen entstehen bei der Stahl- und Zementproduktion

Allein die Produktion von Stahl und Zement ist für 40 Prozent der industriellen CO2-Emissionen innerhalb des EU ETS verantwortlich. Hersteller und Nutzer könnten wesentlich zur Reduktion klimaschädlicher Gase beitragen. Dazu sollten Grundstoffhersteller freie Zertifikate nicht mehr entsprechend ihrer früheren, sondern ihrer aktuellen Produktionsmengen erhalten. Für jede Tonne Stahlproduktion bekommt der Produzent so viele Zertifikate, wie entsprechend der Benchmark für eine effiziente Produktion benötigt werden. Somit fallen nur Kosten für die darüber hinausgehenden Emissionen an. Das schafft Anreize für Effizienzverbesserungen und weniger CO2 -Ausstoss. Allerdings fallen für den Großteil der Emissionen keine Kosten an, sie werden deswegen auch nicht an die Verkaufspreise weitergegeben. Deswegen muss ein Preissignal für CO2-Ausstoss durch eine ergänzende Konsumabgabe auf die Verwendung der Grundstoffe geschaffen werden. „Das setzt Anreize für Industrie und Bauwirtschaft, die Grundstoffe effizienter zu nutzen. Zugleich entstehen klare Rahmenbedingungen für Innovationen und Investitionen in klimafreundliche Prozesse“, so die Forscher. Für Endkunden bleibt die die Wirkung moderat. Wenn der CO2-Preis von aktuell fünf Euro wieder auf 30 Euro steigt, führt das beispielsweise bei einem Auto zu einem Preisanstieg von rund 90 Euro.

Kein Wettbewerbsnachteil für die europäische Industrie

Der Studie zufolge könnte die Verbrauchsabgabe bei allen Produktions- und Verbrauchsentscheidungen wirksam werden, ohne die europäische Industrie im internationalen Wettbewerb zu benachteiligen. Die Produzenten könnten die Abgabe innerhalb der EU im Rahmen eines Abgabenaussetzungsverfahrens an die Verarbeiter und Endkunden weitergeben. Bei Exporten könnte die Abgabenpflicht erlassen werden, um eine Wettbewerbsverzerrung für europäische Produzenten zu vermeiden. Für in die EU importierte Grundstoffe und Waren mit nennenswerten Anteilen solcher Stoffe soll sie hingegen gelten. So werden europäische Produzenten auch auf dem europäischen Markt nicht benachteiligt. Die Erlöse aus der Abgabe kommen in nationale Treuhandfonds und könnten statt der entgangenen Auktionserlöse genutzt werden, um Klimaschutz und Innovation zu fördern.

„Dieser Ansatz macht sowohl die Sorge der Industrie vor möglicherweise zu geringer Zertifikate-Zuteilung überflüssig, als auch die umweltpolitische Furcht vor fehlenden Anreizen bei zu großer Zuteilung", so Neuhoff und Ismer. „Der Ansatz löst den zentralen Konflikt des Emissionshandels, schafft eine Grundlage für einen konstruktiven Diskurs zur Strukturreform des EU ETS und öffnet einen Weg, damit der europäische Emissionshandel wieder eine stärkere Rolle beim Klimaschutz einnehmen kann.“

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