Pressemitteilung vom 10. Mai 2017
Repräsentative Befragung von IAB, BAMF und SOEP unter Geflüchteten: Vier von fünf Kindern im Alter von drei oder mehr Jahren gehen in eine Kita, aber nur jedes sechste im Alter unter drei Jahren – In der Schule bekommt etwa die Hälfte der Kinder eine Sprachförderung
Kinder von nach Deutschland geflüchteten Menschen gehen im Alter von drei oder mehr Jahren kaum seltener in eine Kindertageseinrichtung als andere in Deutschland lebende Kinder. Deutlichen Nachholbedarf gibt es jedoch im frühkindlichen Alter unter drei Jahren: In dieser Altersgruppe besucht nur jedes sechste Kind von Geflüchteten eine Kita – etwa halb so viele wie unter allen in Deutschland lebenden Kindern, die jünger als drei Jahre sind. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor, die erstmals repräsentativ für Deutschland Auskunft gibt über die Bildungsbeteiligung von Kindern mit Fluchthintergrund. Die Daten basieren auf der IAB-BAMF-SOEP Befragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter mehr als 4.500 erwachsenen Geflüchteten, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland kamen. Demzufolge nutzen Geflüchtete für ihre unter drei Jahre alten Kinder zu einem Anteil von gut 15 Prozent eine Kita, während die Nutzungsquote unter allen Kindern in Deutschland bei über 28 Prozent liegt.
„Dass Kinder mit Fluchthintergrund im Alter von unter drei Jahren vergleichsweise selten in eine Kita gehen, ist insofern problematisch, als die Grundlagen für eine erfolgreiche Integration und gesellschaftliche Teilhabe möglichst früh gelegt werden sollten und der spätere Bildungserfolg stark von der Bildungs- und Betreuungssituation im frühkindlichen Alter abhängt“, erklärt Frauke Peter, Bildungs- und Familienökonomin am DIW Berlin, die die Studie gemeinsam mit Ludovica Gambaro, Elisabeth Liebau und Felix Weinhardt verfasst hat. „Frühe Versäumnisse lassen sich später nur aufwendig wieder ausgleichen“, so Peter. Die Anstrengungen, dass Kinder Geflüchteter Bildungs- und Betreuungsangebote auch im frühkindlichen Alter nutzen, sollten daher erhöht werden.
Noch ist unklar, was genau den Ausschlag für oder gegen einen Kita-Besuch gibt
Im Alter ab drei Jahren besuchen Kinder Geflüchteter bis zur Einschulung zu 80 Prozent eine Kita – bei allen Kindern in Deutschland liegt die entsprechende Quote bei fast 95 Prozent. In beiden Altersgruppen gibt es einen Ost-West-Unterschied: In den neuen Bundesländern gehen mehr Kinder Geflüchteter im Alter von bis zu drei Jahren in eine Kita als in den alten Bundesländern. In der Altersgruppe der Kinder von drei bis sechs Jahren kehrt sich das Verhältnis um. Auf Basis der bisherigen Datenlage ist es jedoch nicht möglich, den Ursachen näher auf den Grund zu gehen. So kann nicht untersucht werden, ob die Erwerbstätigkeit, der Bildungsstand der Eltern oder Stadt-Land-Unterschiede einen Einfluss darauf haben, ob Kinder Geflüchteter in eine Kita gehen oder nicht. Sicher ist nur: Je älter das Kind, desto wahrscheinlicher geht es in eine Kita. Und, mit Blick auf Kinder zwischen drei und sechs Jahren: Je länger Kinder bereits in Deutschland und speziell in Westdeutschland leben und je eher sie in einer privaten Wohnung statt einer Gemeinschaftsunterkunft leben, desto häufiger besuchen sie eine Kita.
Das Forscherteam des DIW Berlin hat zudem den Schulbesuch von Kindern Geflüchteter untersucht. Angesichts der allgemeinen Schulpflicht hierzulande wenig überraschend, gehen mehr als 94 Prozent in eine Grund- oder Sekundarschule. Die Tatsache, dass rund fünf Prozent der Kinder nicht zur Schule gehen, wird in künftigen Befragungen aber noch eine größere Rolle spielen: „Es ist beispielsweise wichtig zu verstehen, ob diese Kinder aufgrund psychischer Faktoren oder aufgrund von Kapazitätsproblemen nicht in die Schule gehen“, sagt Studienautor Felix Weinhardt. Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte derjenigen Kinder Geflüchteter, die zur Schule gehen, bekommen keine gezielte Sprachförderung. „Vielleicht sprechen viele dieser Kinder bereits Deutsch – wahrscheinlicher ist jedoch, dass auch hier Nachholbedarf besteht“, so Weinhardt.