Pressemitteilung vom 14. Februar 2018
DIW-Studie liefert neue Erkenntnisse zur Frage, wo die Mietpreisbremse wirkt – Regulierung greift aufgrund der Mechanik der Preisbremse nur, wenn Mieten zuvor durchschnittlich um mindestens 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen sind – Politik sollte Anreize für Wohnungsbau weiter erhöhen
Die Mietpreisbremse kann in ihrer bisherigen Form nur dann wirken, wenn die Neuvertragsmieten in einer Region in den vier Jahren vor der Einführung im Durchschnitt um mindestens 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Hintergrund ist die konkrete Ausgestaltung der Mietpreisbremse, die derzeit in 313 von rund 11.000 Städten und Gemeinden in Deutschland gilt, in denen etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt. Der Maßstab für die maximal zulässige Neuvertragsmiete ist die ortsübliche Vergleichsmiete, die als Durchschnittswert auf Basis abgeschlossener Mietverträge aus den vorangegangenen vier Jahren berechnet wird, zuzüglich zehn Prozent. Dieser Spielraum zur Mieterhöhung auf Seiten der VermieterInnen sorgt dafür, dass die Regulierung rein rechnerisch erst ab der 3,9-Prozent-Schwelle greifen kann, wie die Studienautoren errechneten.
„Die Mietpreisbremse greift nur in bestimmten Regionen mit besonders starken Mietanstiegen und erreicht damit nur kleine Teile der Bevölkerung. Das heißt jedoch nicht, dass die Mietpreisbremse grundsätzlich eine Fehlkonstruktion ist – dort wo sie wirken kann, tut sie es auch“, erklärt DIW-Immobilienökonom Claus Michelsen, der die Studie gemeinsam mit Konstantin Kholodilin vom DIW Berlin und Andreas Mense von der Uni Erlangen-Nürnberg erstellt hat. Man müsse sich genau anschauen, wo überhaupt die Voraussetzungen erfüllt sind, damit die Regulierung greifen kann.
Mancherorts sind die Neuvertragsmieten dank der Mietpreisbremse sogar einmalig gesunken
In solchen Regionen wirkt die Mietpreisbremse sehr wohl und dämpft den Anstieg der Mieten dauerhaft. In Gegenden, in denen die Neuvertragsmieten für bestehende Wohnungen zuvor jährlich um mehr als 4,8 Prozent kletterten, gingen die Mieten mit Einführung der Mietpreisbremse im Durchschnitt sogar einmalig um rund drei Prozent zurück – beispielsweise in Teilen von Berlin-Mitte und -Neukölln, München-Laim und -Schwabing, im Stuttgarter Heusteigviertel oder im Innenstadtbereich von Bielefeld. „Die Mietpreisbremse wirkt in Regionen, in denen die Mieten zuvor stark gestiegen sind, und ist unter dem Strich besser als ihr Ruf – die Erwartungen waren vielerorts schlicht zu hoch“, sagt Andreas Mense von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Bisherige Studien – auch des DIW Berlin – deuteten darauf hin, dass sich der Anstieg der Mieten seit Einführung der Mietpreisbremse im Juni 2015 insgesamt nicht spürbar verlangsamt hat. Dieses Ergebnis ist weiterhin gültig. Die aktuelle Studie ist aufgrund ihres Untersuchungsdesigns jedoch weitaus differenzierter und kann erstmals jene Regionen, in denen die Mietpreisbremse gilt und tatsächlich auch wirkt, von jenen Regionen trennen, in denen das nicht der Fall ist.
Dafür haben die drei Studienautoren über 200.000 Mietinserate von Online-Plattformen ausgewertet und auf der Ebene von Postleitzahlbezirken regulierte und unregulierte Wohnungen verglichen, die eine ähnliche Lage und Qualität haben. Dabei zeigte sich zudem, dass die Mieten für neu gebaute Wohnungen, die nicht unter die Mietpreisbremse fallen, deutlich schneller steigen als früher. Nach Ansicht von Michelsen, Mense und Kholodilin dürfte das – entgegen der Einschätzung vieler KritikerInnen der Mietpreisbremse – dazu führen, dass langfristig mehr neue Wohnungen gebaut werden.
Reform der Grundsteuer könnte helfen, dem Wohnungsmangel zu begegnen
Die Autoren warnen jedoch davor, in der Mietpreisbremse die alleinige Lösung des Wohnungsmarktproblems zu sehen. Noch immer steigt die Nachfrage nach Wohnraum in vielen Städten und Ballungszentren schneller, als neue Wohnungen gebaut werden. Eine Preisregulierung könne höchstens Zeit verschaffen und die Mieten so lange im Zaum halten, bis sich die Lage am Wohnungsmarkt entspannt. „Daran, dass die Politik noch mehr Anreize für den Neubau von Wohnungen setzen muss, führt jedoch kein Weg vorbei“, betont DIW-Ökonom Konstantin Kholodilin.
So könnten die Kommunen mehr Flächen für den Wohnungsbau aktivieren, auch mithilfe einer Reform der Grundsteuer, die GrundstücksbesitzerInnen nicht länger stärker belastet, wenn sie neue Gebäude bauen oder bestehende aufstocken. Die sogenannte Nachverdichtung auf bereits erschlossenen Grundstücken böte die Möglichkeit, schnell und vergleichsweise günstig Wohnraum zu schaffen, da nicht erst teure Baugrundstücke erworben werden müssten. Zudem wären öffentliche Zuschüsse denkbar, um mögliche Eigenkapitalengpässe bei InvestorInnen abzumildern.
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Nachgeforscht: bei Claus Michelsen über die Mietpreisbremse
Interview mit Claus Michelsen: "Die Politik muss noch mehr für den Wohnungsbau tun" (Print (PDF, 0.83 MB) undThemen: Immobilien und Wohnen