Die Verfestigung der Armut hat in den letzten fünf Jahren in West- und Ostdeutschland noch einmal deutlich zugenommen und konzentriert sich auf gering qualifizierte Bevölkerungsgruppen. Eine Ausbreitung der Armut auf die breite Mitte der Gesellschaft ist dagegen nicht zu beobachten. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Wochenbericht des DIW Berlin 12/2007 anhand der in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung erhobenen Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP). Es gehe deshalb an der Realität vorbei, Armut in Deutschland als Problem einer kulturell verwahrlosten neuen Unterschicht zu deuten oder als kollektive Abstiegsbedrohung der gesamten Gesellschaft zu dramatisieren.
Die Einkommensarmut ist in Deutschland zuletzt sechs Jahre in Folge gestiegen, und zwar von 12 % im Jahr 1999 auf über 17 % in 2005. Armutslagen halten zudem länger an und sind zunehmend durch mehrfache Notlagen in verschiedenen Lebensbereichen (Wohnungsprobleme, Konsumdefizite, Arbeitslosigkeit oder fehlende Rücklagen) geprägt. Fast ein Zehntel der Bevölkerung lebt in verfestigter Armut. Hauptbetroffene verfestigter Armut sind nach wie vor Arbeiter, vor allem Arbeiterfamilien mit Migrationshintergrund oder mehreren Kindern. Das durchschnittliche ständige Einkommen der Personen, die in verfestigter Armut leben, liegt bei 43% des Durchschnittseinkommens, also deutlich unter der offiziellen Einkommensarmutsschwelle von 50 % des Durchschnittseinkommens. Oberhalb der verfestigten Armut gibt es eine Zone der Prekarität, in der sich die Armut noch nicht verfestigt hat, die Drohung dauerhafter Armut aber stets präsent ist. Das permanente Einkommen dieser Haushalte liegt mit 60 % leicht über der offiziellen Armutsschwelle. Während die verfestigte Armut seit Beginn der 90er Jahre ständig gewachsen ist, erweist sich die Zone der Prekarität weitgehend stabil. Die Armut greift also nicht so stark auf die Mitte der Gesellschaft über, wie mit der These von der sozialen Entgrenzung der Armut oftmals behauptet wird. Dies gilt besonders auch für Ostdeutschland, wo im Prozess der Angleichung an die westdeutschen Strukturen die Polarisierung fortgeschritten ist und damit sowohl die verfestigte Armut als auch der gesicherte Wohlstand zugenommen haben. Eine markante Besonderheit für Ostdeutschland ist der sprunghafte Anstieg der Armutsquoten bei den Routine-Dienstleistern in der jüngsten Zeit.