Direkt zum Inhalt

Wachstumstempo der deutschen Wirtschaft normalisiert sich nach Jahren der Hochkonjunktur: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Winter 2018

DIW Wochenbericht 50 / 2018, S. 1080-1095

Claus Michelsen, Christian Breuer, Martin Bruns, Max Hanisch, Simon Junker, Thore Schlaak

get_appDownload (PDF  272 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.82 MB)

Die Jahre des überdurchschnittlichen Wachstums der deutschen Wirtschaft sind vorbei – unter dem Strich steht sie aber weiterhin nicht schlecht da. Zwar wird das hiesige Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr mit 1,5 Prozent deutlich weniger zunehmen als noch zu Jahresbeginn erwartet. Sorgen vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession dürften angesichts einer robusten Auslandsnachfrage und des anhaltenden Beschäftigungsaufbaus aber der Einschätzung weichen, dass sich nach Jahren des überdurchschnittlichen Wachstums das Tempo der deutschen Wirtschaft normalisiert. Der allmähliche Abbau der gut ausgelasteten Kapazitäten geht mit geringeren Zuwächsen des Bruttoinlandsprodukts einher; dies wird kurzfristig aber noch durch Nachholeffekte in der Automobilindustrie nach den Produktions- und Auslieferungsproblemen und durch die finanzpolitischen Einkommensschübe zum Jahresbeginn 2019 – Stichwort Sozialversicherungsbeiträge – überlagert werden.

Wie stark schwächt sich die deutsche Wirtschaft ab? Die Neubestellungen in der Industrie sind schon das ganze Jahr über rückläufig und das vom ifo Institut erhobene Geschäftsklima ist im November das dritte Mal in Folge gefallen. Unter diesen schwachen Vorzeichen ist eine technische Rezession, also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit sinkender Wirtschaftsleistung, zum Jahresende im Rahmen des Möglichen – immerhin ist das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal bereits geschrumpft (Abbildung 1). Allerdings war dies maßgeblich auf vorübergehende Probleme in der Automobilbranche zurückzuführen: Engpässe beim neuen Modell-Zertifizierungsverfahren hatten die Fahrzeugproduktion im Sommer belastet.

Die ausgefallene Produktion und der Verkauf der Autos dürften jedoch teilweise nachgeholt werden, voraussichtlich um den Jahreswechsel herum. Dies wird die Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr anschieben (Tabelle 1) und sich in kräftigeren Zuwächsen beim Konsum, beim Export sowie den Unternehmensinvestitionen niederschlagen. Vor allem aber bleiben die zwei Pfeiler des vorangegangenen, ausgeprägten Aufschwungs intakt: der Export und der private Konsum. Deswegen steht keine Rezession bevor, wohl aber eine Normalisierung des Tempos nach Jahren des überdurchschnittlichen Wachstums.

Tabelle 1: Entstehungsseite des Bruttoinlandsprodukts

2018 2019 20176 20186 20196 20206
I II III IV I II III IV
Bruttoinlandsprodukt1 0,4 0,5 −0,2 0,3 0,7 0,5 0,2 0,4 2,2 1,5 1,6 1,8
Effekt der Nettogütersteuern 0,0 0,2 −0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Bruttowertschöpfung2
insgesamt 0,4 0,3 −0,1 0,3 0,7 0,5 0,2 0,3 2,2 1,5 1,5 1,8
Verarb. Gewerbe −0,4 0,4 −1,0 0,2 1,3 0,7 0,2 0,4 2,7 1,4 1,7 2,8
Baugewerbe 1,1 1,4 1,2 0,7 0,6 0,6 0,5 0,5 2,4 3,7 2,9 2,7
Handel, Gastgew., Verkehr 1,0 0,2 −0,5 0,7 0,7 0,7 0,2 0,4 3,4 2,0 1,7 2,0
Unternehmensdienstleister 0,7 0,8 −0,5 0,8 1,1 0,9 0,4 0,6 2,6 1,8 2,7 2,3
Öff. Dienstl., Erziehung, Gesundheit 0,3 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 1,4 1,0 0,8 0,9
übrige Dienstleister3 0,7 0,1 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 1,6 1,4 1,0 0,9
Erwerbstätige4
insgesamt 210 87 117 107 85 74 67 66 627 576 350 254
Prod. Gewerbe (o. Bau) 54 38 21 21 20 16 13 12 89 135 77 40
Baugewerbe 18 2 11 3 4 3 2 2 38 40 16 8
Handel, Gastgew., Verkehr 49 4 26 19 19 17 16 14 107 100 72 59
Unternehmensdienstleister 15 12 7 20 17 17 17 17 142 72 64 62
Öff. Dienstl., Erziehung, Gesundheit 55 36 44 31 24 22 20 22 201 186 110 88
übrige Dienstleister3 22 −11 7 15 2 1 0 0 54 41 13 2
Produktivität5
insgesamt −0,1 0,1 −0,4 0,1 0,6 0,3 0,1 0,2 0,7 0,2 0,7 1,2
Prod. Gewerbe (o. Bau) −1,1 −0,2 −0,9 −0,2 1,2 0,4 0,1 0,3 1,3 −0,4 0,8 2,2
Baugewerbe 0,4 1,3 0,8 0,6 0,5 0,5 0,4 0,4 0,8 2,0 2,3 2,4
Handel, Gastgew., Verkehr 0,5 0,2 −0,8 0,5 0,5 0,5 0,1 0,3 2,3 1,0 1,0 1,4
Unternehmensdienstleister 0,5 0,6 −0,6 0,5 0,8 0,6 0,1 0,3 0,2 0,6 1,6 1,3
Öff. Dienstl., Erziehung, Gesundheit −0,2 −0,2 −0,2 −0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 −0,5 −0,7 −0,2 0,1
übrige Dienstleister3 0,4 0,0 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,6 0,7 0,7 0,9

1 Änderung des preis-, kalender- und saisonbereinigten Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum Vorquartal in Prozent.

2 Bruttowertschöpfung: insgesamt - preis-, kalender- und saisonbereinigtene Änderung im Vergleich zum Vorquartal in Prozent.

3 Die „übrigen Dienstleister“ umfassen die Bereiche Information und Kommunikation, Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Versicherungs- sowie sonstige Dienstleister.

4 Änderung der saisonbereinigten Zahl der Erwerbspersonen im Vergleich zum Vorquartal in Tausend.

5 (Arbeits-)Produktivität je Erwerbstätigem in Prozent.

6 Jahre: Änderungen (Wirtschaftsbereiche: Wachstumsbeiträge) gegenüber Vorjahr, basierend auf Ursprungswerten; Erwerbstätige - absolute Änderung in Tausend (Jahresmittel).

Quelle: DIW Wintergrundlinien 2018; Prognose ab dem vierten Quartal 2018.

Der weltwirtschaftliche Boom hat seinen Höhepunkt schon seit dem Frühjahr überschritten.infoVgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts den Bericht von Claus Michelsen et al. (2018): Weltwirtschaft und Euroraum: Hohe Unsicherheiten belasten Handel und Investitionen. DIW Wochenbericht Nr. 50, 1068–1078. Trotz zunehmender Handelsbarrieren ist die Auslandsnachfrage aber nach wie vor aufwärtsgerichtet: Die Wachstumsraten der Ausfuhren reichen zwar nicht mehr an das vergangene Jahr heran, sie geben aber auch nur graduell nach (Tabelle 2).

Tabelle 2: Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts

Saison- und kalenderbereinigte Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent

2018 2019 2020
I II III IV I II III IV I II III IV
Privater Verbrauch 0,5 0,3 −0,3 0,3 0,8 0,5 0,2 0,2 0,3 0,3 0,3 0,3
Öffentliche Konsumausgaben −0,5 0,8 0,2 0,5 0,6 0,5 0,3 0,5 0,5 0,5 0,3 0,3
Bruttoanlageinvestitionen 1,4 0,5 0,8 0,6 0,9 0,6 0,6 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7
Ausrüstungen 2,1 0,1 0,8 0,6 1,5 0,3 0,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8
Bauten 1,6 0,9 0,9 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,5 0,5 0,5 0,5
Sonstige Investitionen −0,5 0,3 0,2 0,7 0,8 0,8 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7
Lagerveränderung1 −0,1 0,2 0,7 −0,4 −0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Inländische Verwendung 0,4 0,7 0,8 0,0 0,7 0,5 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4
Außenbeitrag1 0,0 −0,2 −1,0 0,4 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Export −0,3 0,8 −0,9 1,0 1,3 0,7 0,7 0,8 0,8 0,7 0,7 0,7
Import −0,3 1,5 1,3 0,2 1,4 0,8 0,8 1,0 0,9 0,9 0,9 0,9
Bruttoinlandsprodukt 0,4 0,5 −0,2 0,3 0,7 0,5 0,2 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4

1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Wintergrundlinien 2018; Prognose ab dem vierten Quartal 2018.

Auch am Arbeitsmarkt zeichnet sich ein Tempoverlust ab: Eine wichtige, konjunkturreagible Größe ist die Zahl der LeiharbeiterInnen. Diese ist nach jahrelangem, deutlichem Aufwärtstrend seit ihrem Höchststand im vergangenen November gesunken. Da die Arbeitnehmerüberlassung vor allem von der Industrie zur Überbrückung konjunktureller Spitzen genutzt wird, deutet dies – da in einer Flaute zuvorderst die Leiharbeit reduziert wird – auf eine Abschwächung beim Beschäftigungsaufbau hin. Aber auch hier gilt: Ein Vorbote einer Rezession ist dies nicht unbedingt. Vielmehr scheinen die Unternehmen zunehmend bestrebt, ihre Stammbelegschaft auszuweiten. Anders als etwa im Winter 2012/13, als Deutschland tatsächlich in eine milde Rezession abglitt, hat die Industrie nämlich ihre Beschäftigung seit dem Jahreswechsel 2017/18 beschleunigt aufgebaut (Abbildung 2). Für einen anhaltenden, wenngleich leicht nachlassenden Beschäftigungsaufbau sprechen auch die zuversichtlichen Beschäftigungserwartungen der Unternehmen.infoDer vom ifo Institut erhobene Erwartungsindex für die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe liegt aktuell nur wenig unter seinem historischen Höchststand, wenngleich er im Trend leicht abwärts deutet. Die Arbeitslosenquote liegt im Durchschnitt dieses Jahres leicht über fünf Prozent und wird bis 2020 noch deutlich sinken (Tabelle 3).

Tabelle 3: Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2015 2016 2017 2018 2019 2020
Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) 1,7 2,2 2,2 1,5 1,6 1,8
Erwerbstätige im Inland (1000 Personen) 43071 43642 44269 44844 45194 45448
Erwerbslose, ILO 1949 1775 1621 1468 1298 1158
Arbeitslose, BA 2795 2691 2533 2341 2170 2049
Erwerbslosenquote, ILO2 4,6 4,1 3,8 3,4 3,0 2,7
Arbeitslosenquote, BA2 6,4 6,1 5,7 5,2 4,8 4,5
Verbraucherpreise3 0,3 0,5 1,8 1,9 2,0 2,0
Lohnstückkosten4 1,8 1,2 1,5 2,5 2,6 1,8
Finanzierungssaldo des Staates5
in Mrd. Euro 23,9 28,7 34,0 56,1 45,9 38,4
in Prozent des BIP 0,8 0,9 1,0 1,7 1,3 1,1
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP 8,9 8,5 8,0 7,3 7,1 6,9

1 In Preisen des Vorjahres.

2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA).

3 Verbraucherpreisindex.

4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde.

5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Wintergrundlinien 2018; Prognose ab dem Jahr 2018.

Im Zuge der günstigen Arbeitsmarktlage profitieren die ArbeitnehmerInnen weiter von spürbaren Lohnsteigerungen. Schon deswegen bleibt der Konsum ein Pfeiler des Wachstums. Hinzu kommt, dass zum Jahresauftakt 2019 die von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen in Kraft treten. Diese münden in einem spürbaren Einkommensschub bei den privaten Haushalten, den diese zu einem guten Teil ausgeben dürften – sowohl für heimische als auch für ausländische Waren und Dienstleistungen.

Bei alldem bleiben die Unternehmensinvestitionen zwar aufwärtsgerichtet; angesichts der enormen geopolitischen Risiken, etwa mit Blick auf zukünftige Handelsbeziehungen, können sie sich aber nur wenig von ihrem niedrigen Niveau lösen. Nur die Wohnungsbauinvestitionen der privaten Haushalte setzen ihren Aufwärtstrend kaum gebremst fort.

Alles in allem wächst die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr – trotz des Rücksetzers im dritten Quartal – mit 1,5 ProzentinfoDas 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, liegt für dieses Jahr zwischen 1,3 und 1,8 Prozent und für das kommende Jahr zwischen 1,0 und 2,1 Prozent. (Abbildung 3) noch nahezu so stark, wie es dem langfristigen, angebotsseitig vorgegebenen Trend entspricht, und lastet die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten nach wie vor gut aus (Abbildung 4). In der Herbstprognose waren die drastischen Produktionskürzungen in der Automobilindustrie nicht in diesem Umfang eingestellt; die Prognose lag deswegen drei Zehntel höher. Trotz der ölpreisbedingt vorübergehend höheren Teuerung liegt die Inflation im Jahresdurchschnitt bei 1,9 Prozent.

Im Jahr 2019 kurbeln die finanzpolitischen Impulse die Konjunktur an. Die grundsätzliche Tendenz zu einer Normalisierung des Wachstumstempos wird dadurch überlagert, die leichte Überauslastung schmilzt deswegen – bei einem Wachstum von 1,6 Prozent – kaum ab. Auch die Nachholeffekte in der Automobilindustrie werden das Wachstum wohl anschieben. Da aber annahmegemäß nur ein Teil der Produktionsausfälle ausgeglichen wird und die Entwicklung insgesamt eine geringfügig schwächere Dynamik aufweist als noch im Herbst erwartet worden war, wird die Prognose für 2019 um ein Zehntel gesenkt. Angesichts der anhaltend hohen Auslastung zieht die Teuerung im Verlauf etwas an und erreicht im Jahresdurchschnitt zwei Prozent.

Im Jahr 2020 wächst die deutsche Wirtschaft um 1,8 Prozent, was aber maßgeblich an einer höheren Zahl an Arbeitstagen liegt. Ohne die (dreieinhalb) zusätzlichen Tage fiele das Plus mit 1,4 Prozent niedriger aus als in den Vorjahren; die Impulse aus dem Ausland lassen weiter leicht nach, der Beschäftigungsaufbau verliert etwas Tempo, die finanzpolitischen Impulse laufen aus und die Geldpolitik ist weniger expansiv ausgerichtet. Die Überauslastung baut sich angesichts dieser Abschwächung zwar etwas ab, die Inflation verharrt aber bei zwei Prozent.

Die Finanzpolitik ist vor allem im kommenden Jahr expansiv ausgerichtet, dennoch erzielt die öffentliche Hand weiter hohe Überschüsse; diese sinken von 56 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 38 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Die vorliegende Konjunkturprognose ist mit hoher Unsicherheit behaftet. Ausmaß und zeitliche Einordnung möglicher Nachholeffekte in der Automobilindustrie sind auf Grundlage vorliegender Daten kaum quantifizierbar und basieren daher auf Annahmen; blieben die Nachholeffekte aus, würde vor allem die Wachstumsrate im kommenden Jahr geringer ausfallen. Mögliche Auswirkungen im Zusammenhang mit der Dieselproblematik und damit verbundenen Fahrverboten sind nicht unterstellt, könnten die Konjunktur aber dämpfen. Außerdem wäre die offene deutsche Wirtschaft in besonderem Maße betroffen, falls die Handelsverflechtungen, etwa im Zuge der Konflikte zwischen den USA und China oder aufgrund des BrexitinfoVgl. den Kasten zum Brexit in Michelsen et al. (2018), a.a.O., 1073., stärker als bislang eingeschränkt werden.

Inflation: Leichter Aufwärtstrend hält an

In diesem Jahr hatten kräftige Ölpreisanstiege die Teuerung befeuert: Zuletzt lag sie bei 2,5 Prozent. Mittlerweile haben die Ölpreise wieder merklich nachgegeben – annahmegemäß sinken sie im Prognosezeitraum weiter (Tabelle 4) – und so dürfte die Gesamtrate rasch wieder auf etwa zwei Prozent nachgeben.infoDas 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, liegt für dieses Jahr zwischen 1,9 und 2,0 Prozent und für das kommende Jahr zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Die Kernrate, die Teuerung ohne den Einfluss von Energie- und Nahrungsmittelpreisen, dürfte dagegen zunehmend zur Inflation beitragen – in diesem Jahr liegt sie bei 1,5 Prozent und steigt in den kommenden beiden Jahren über 1,9 auf 2,1 Prozent im Jahr 2020 an. Angesichts ausgelasteter Kapazitäten nutzen die Unternehmen ihre Preissetzungsspielräume wohl stärker und geben neben den in diesem Jahr gestiegenen Rohstoffkosten insbesondere die spürbar zulegenden Arbeitskosten an die VerbraucherInnen weiter. Würden die Ölpreise nicht wie hier unterstellt im weiteren Verlauf entsprechend der Futures-Kurse sinken, sondern beispielsweise mit einer Jahresrate von zwei Prozent steigen, fiele die Inflation im kommenden wie auch im darauffolgenden Jahr mit 2,2 beziehungsweise 2,1 Prozent höher aus.

Tabelle 4: Annahmen dieser Prognose

2018 2019 2020
EZB-Leitzins 0,0 0,1 0,1
Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent −0,3 −0,3 −0,2
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger Restlaufzeit 1,1 1,3 1,4
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Restlaufzeit 0,5 0,5 0,8
Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,18 1,14 1,14
Tarifliche Monatslöhne Änderung gegenüber Vorjahr in Prozent, einschließlich Sonderzahlungen 2,8 2,7 2,4
Erdölpreis US-Dollar/Barrel 72,1 63,7 63,8
Erdölpreis Euro/Barrel 61,1 55,9 56,0

Quelle: DIW Wintergrundlinien 2018.

Arbeitsmarkt: Kurzfristige Aussichten ungetrübt

Der Beschäftigungsaufbau hat im dritten Quartal etwas an Tempo gewonnen. Dabei lag der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung über dem Zuwachs der Erwerbstätigen insgesamt. Demgegenüber war der rückläufige Trend bei ausschließlich geringfügig beschäftigten Personen sowie bei der Zahl der Selbständigen ungebrochen.

Für das laufende Quartal deuten vorliegende Monatswerte auf einen Beschäftigungsaufbau von rund 120000 Personen hin. Zu Jahresbeginn 2019 dürften sich dann die Nachfrageimpulse durch die expansive Finanzpolitik bemerkbar machen und den anhaltenden Beschäftigungsanstieg stützen, vor allem aber in einer temporären Ausweitung der Arbeitszeit münden. Ab Jahresmitte 2019 wird sich der Beschäftigungsaufbau wegen des gemächlicheren Tempos der Produktion wohl abschwächen (Abbildung 5).

Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im Zuge des kräftigen Beschäftigungsaufbaus im Prognosezeitraum weiter zurückgehen. Darüber hinaus wird sich in den kommenden Jahren die Demografie bemerkbar machen: Einerseits werden geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen, andererseits hält der Trend zur akademischen Ausbildung und somit Verlängerung der Ausbildungszeit der nachwachsenden Generationen an. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich in diesem Jahr auf 2,3 Millionen, im kommenden Jahr auf 2,2 Millionen und im Jahr 2020 auf 2,1 Millionen Personen. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent im laufenden Jahr, 4,8 Prozent im kommenden Jahr und 4,5 Prozent im Jahr 2020.infoDas 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, fällt für dieses Jahr rundungsbedingt mit der Prognose zusammen; für das kommende Jahr liegt es zwischen 4,5 und 5,1 Prozent.

Die Löhne sind im vergangenen Quartal kräftig gestiegen: Die Bruttostundenlöhne legten im Vorjahresvergleich um 3,0 Prozent zu, die Löhne je Erwerbstätigem um 3,4 Prozent. Bei der tariflichen Entlohnung waren insbesondere flexible Gehaltszahlungen spürbar: Die tariflichen Stundenlöhne legten um 2,5 Prozent zu – einschließlich Sonderzahlungen um 3,7 Prozent, was die günstige konjunkturelle Lage während der vergangenen Tarifverhandlungen widerspiegelt.

Im kommenden Jahr wird sich der Lohnauftrieb wohl etwas verstärken. Die tariflichen Stundenlohnanhebungen (ohne Sonderzahlungen) dürften mit rund 2,5 Prozent auf einem ähnlichen Niveau verbleiben wie im laufenden Jahr (Tabelle 5). Dies zeigen Tarifvereinbarungen an, die zum überwiegenden Teil bereits vorliegen und im kommenden Jahr wirksam werden.infoFür die Jahre 2019 und 2020 liegen bereits für rund 70 beziehungsweise 30 Prozent der Beschäftigten (in tarifgebundenen Unternehmen) gültige Tarifvereinbarungen vor. Auslaufende Tarifverträge werden im Normalfall nicht nahtlos verlängert. Deswegen liegt der Anteil der ArbeitnehmerInnen mit gültigen Tarifverträgen durchschnittlich bei 83 Prozent. Da sich ArbeitnehmerInnen bei zunehmenden Knappheiten auf dem Arbeitsmarkt in einer guten Verhandlungsposition befinden, dürfte sich die Lohndrift etwas verstärken. Entsprechend legen die Effektivlöhne pro Stunde etwas kräftiger zu als im Jahr 2018 – um zwei Zehntel-Prozentpunkte auf etwa 2,9 Prozent. Bei den Bruttomonatslöhnen dürfte sich darüber hinaus die Arbeitszeitausweitung zu Jahresbeginn bemerkbar machen und die Löhne je Erwerbstätigen steigen spürbar um 3,4 Prozent an.

Tabelle 5: Lohnentwicklung in Deutschland

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent

2016 2017 2018 2019 2020
Verdienst
je ArbeitnehmerIn 2,4 2,5 3,2 3,4 3,1
je Stunde 2,8 2,4 2,7 2,9 2,6
Lohndrift
Monat 0,4 −0,3 0,6 1,0 0,7
Stunde 0,7 −0,4 0,1 0,4 0,2
Tariflohn (ohne Sonderzahlungen)
je Monat/Stunde 2,1 2,9 2,6 2,5 2,4
durchschnittliche Arbeitszeit −0,9 1,0 0,5 0,5 −1,1

Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Wintergrundlinien 2018.

Im Jahr 2020 dürfte der Zuwachs bei den Stundenlöhnen mit rund 2,6 Prozent geringer ausfallen, wie auch die tarifliche Vergütung mit rund 2,4 Prozent (ohne Sonderzahlungen). Zwar werden sich bei der Lohnentwicklung die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um voraussichtlich vier Prozent bemerkbar machen. Dem steht jedoch entgegen, dass die Rückkehr zur Parität bei den Beitragszahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung die Bruttolohnzuwächse wohl etwas dämpfen wird. Nicht zuletzt schlägt zu Buche, dass im Jahr 2020 kalenderbedingt relativ viele Arbeitstage anfallen und die meisten Beschäftigten Arbeitsverträge haben, die fixe Monatsgehälter vorsehen, was rechnerisch die Stundenlohnentwicklung dämpft; je ArbeitnehmerIn fallen die Lohnzuwächse mit 3,1 Prozent zwar höher aus, verlieren aber an Tempo, auch weil die Arbeitszeit je Erwerbstätigem im Vergleich zu 2019 sinkt.

Privater Verbrauch: Vorübergehend stärker

Der private Verbrauch hatte mit einem unerwarteten Rücksetzer zur gesamtwirtschaftlichen Schrumpfung im dritten Quartal beigetragen. Dabei standen die Vorzeichen für den Konsum weiterhin günstig: Der Arbeitsmarkt entwickelte sich gut und die Löhne stiegen kräftig. Und auch dieses Jahr dürfte die Lohnsumme das Vorjahresergebnis um üppige 4,8 Prozent übertreffen und trotz eines Tempoverlusts selbst im Jahr 2020 noch um knapp vier Prozent zulegen.

So dürfte die jüngste Schwäche beim Konsum auch maßgeblich auf die Probleme in der Automobilbranche zurückgehen: Mangels Zulassung mussten viele VerbraucherInnen im Sommer ihre Kfz-Käufe zurückstellen – die Umsätze im Kfz-Handel brachen im September deutlich ein.infoSeit September 2018 dürfen innerhalb der Europäischen Union nur noch Fahrzeuge verkauft werden, die nach dem WLTP-Standard auf ihren Verbrauch und ihre Emissionen getestet wurden. Dies muss für jedes Modell und jede Modellvariante separat durchgeführt werden. Für die Fahrzeuge deutscher Hersteller, die in vergleichsweise vielen Versionen erhältlich sind, bedeutet dies einen erheblichen Testaufwand. Diesem wurden die Automobilhersteller hierzulande nicht Herr. Gleichzeitig legten die Haushalte auffällig hohe Geldbeträge zur Seite. Vorübergehend hat aber auch die ölpreisbedingt höhere Teuerung die Kaufkraft der VerbraucherInnen belastet; infolgedessen gaben auch die Umsätze im übrigen Einzelhandel nach. Nach und nach bekommen viele Fahrzeugmodelle, allen voran wohl die absatzstärksten, die Zertifizierung nach dem neuen Testverfahren. Denkbar ist, dass einige Kunden zwischenzeitlich auf andere Hersteller ausgewichen sind. Zu erwarten ist aber, dass viele Käufe nun nachgeholt werden. Dies wird den Konsum spürbar ankurbeln (Kasten), auch wenn der Preisauftrieb zumindest im Schlussquartal noch überdurchschnittlich ausfällt.

Um eine modellbasierte Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung am aktuellen Rand für jede Verwendungskomponente des Bruttoinlandsprodukts zu erstellen, sollte möglichst vielen relevanten Einflussfaktoren Rechnung getragen werden. Aus diesem Grund übersteigt in der Praxis die Zahl der vorliegenden Indikatorvariablen für die jeweilige Verwendungskomponente bei weitem die Anzahl der Variablen, die aus statistischen Gründen in traditionelle Eingleichungsmodelle aufgenommen werden können. Die Prognosen des DIW Berlin beruhen deshalb auf den Vorhersagen aus zwei Modellklassen, die durch die Möglichkeit zur Aufnahme einer hohen Anzahl erklärender Variablen charakterisiert sind. Einerseits kommen Faktormodelle zur Prognose der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts zur Anwendung. Andererseits werden die Verwendungskomponenten mit sogenannten Model-Averaging-Ansätzen prognostiziert.infoFür eine Erläuterung, vgl. Fichtner, F., Brenke, K., Junker, S., Michelsen, C., Schlaak, T., & van Deuverden, K. (2017). Deutsche Wirtschaft in Wohlfühlkonjunktur. DIW-Wochenbericht, 84(24), 475-485.

Für das Bruttoinlandsprodukt zeichnet sich für das laufende Vierteljahr ein Quartalszuwachs von 0,3 Prozent ab (Abbildung). Einer sich insgesamt etwas abschwächenden Dynamik stehen erste Nachholeffekte in der Automobilindustrie zum Jahreswechsel gegenüber: Aufgrund von Problemen beim neuen Zulassungsverfahren WLTP ist die Produktion von Kraftwagen und deren Vorprodukten im dritten Quartal um 7,4 Prozent gefallen. Wird unterstellt, dass die Produktion ansonsten allenfalls stagniert hätte, ergibt sich ein Ausfall von mindestens 7,5 Milliarden Euro. Wird dieser zu einem großen Teil in den kommenden Monaten nachgeholt, fallen deswegen selbst die gesamtwirtschaftlichen Zuwächse spürbar kräftiger aus, als aufgrund der sich abschwächenden, zugrundeliegenden Dynamik zu erwarten wäre. Zuletzt gab es erste Anzeichen für eine zumindest leichte Belebung in der Automobilbranche: Die Zahl der Neuzulassungen ist (saisonbereinigt) leicht gestiegen, wie auch die vom Verband der Automobilindustrie berichtete Zahl an neu produzierten Pkw. Die Pkw-Produktion indes konnte das Niveau nach der Belebung im September im Oktober nicht ganz halten. Offenbar werden zunächst die Lagerbestände abgebaut, bis die Produktion weiter schrittweise hochgefahren wird; dafür sprechen die zuletzt deutlich gestiegenen Umsätze und die wieder gestiegenen Ausfuhren bei weiterhin hohen Auftragsbeständen. Auch die Umsatzsteuereinnahmen sind (saisonbereinigt) im Oktober höher ausgefallen, nachdem sie im September – zeitgleich mit den eingebrochenen Umsätzen im Pkw-Einzelhandel – deutlich gesunken waren (siehe Abbildung 7, Teil 11).

Entsprechend dürfte auch der Konsum der privaten Haushalte durch nachgeholte Pkw-Käufe angeschoben werden und um insgesamt 0,3 Prozent zulegen. Dämpfen dürfte dabei, dass der Preisauftrieb im Schlussquartal voraussichtlich noch einmal hoch ausfallen wird: Die gesunkenen Ölpreise werden sich erst verzögert in niedrigeren Spritpreisen niederschlagen, da wohl der Brand der Raffinerie in Ingolstadt und der infolge der Dürre niedrige Rheinpegel zu Engpässen bei der Distribution von Kraftstoffen geführt haben.

Die Exporte, im dritten Quartal nicht zuletzt wegen der Effekte im Automobilsektor deutlich rückläufig, dürften im Winter ähnlich von Nachholeffekten geprägt sein. Die Exporterwartungen, auch unter Herstellern von Kraftwagen und -teilen, haben sich leicht aufgehellt. Der Bestand ausländischer Bestellungen ist im September deutlich gestiegen, insbesondere in der Automobilbranche, was ebenfalls für Nachholeffekte spricht. Zum Auftakt des Schlussquartals sind die realen Exporte nach vier vorangegangenen Rückgängen wieder deutlich ausgeweitet worden.

Die Importe dürften im vierten Quartal kaum zulegen. Trotz rückläufiger Exporte im dritten Quartal wurden noch Vorleistungsgüter in erheblichen Umfang eingeführt. Der zeitgleiche Anstieg der Lagerhaltung spricht dafür, dass zunächst auf Vorräte zurückgegriffen werden dürfte, was die Importe im Schlussquartal wohl dämpfen wird. Der zuletzt kräftige Anstieg der nominalen Einfuhren war maßgeblich auf die deutlich höheren Ölpreise zurückzuführen; in realer Abgrenzung sind die Importe im Oktober nur wenig gestiegen und liegen noch gut ein halbes Prozent unter dem Durchschnitt des Vorquartals.

Für die Ausrüstungsinvestitionen geben die Indikatoren unterschiedliche Richtungen vor. Zuletzt zeigten die Auftragseingänge und die Umsätze im Inland deutlich nach oben. Dies gilt noch ausgeprägter für die Umsätze von Maschinen und elektronischen Datenverarbeitungserzeugnissen. Aber auch der Kfz-Absatz hat sich nach dem schweren Einbruch in den Sommermonaten wieder erholt. Auch Kredite wurden von den Unternehmen wieder verstärkt nachgefragt. Gleichzeitig sank aber die Auslastung der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ebenso wie deren Zuversicht über die Entwicklung in den kommenden Monaten. Ebenfalls deutet die Volatilität an den Aktienmärkten auf eine größere Verunsicherung der Anleger hin.

Die Bauproduktion gab zwar im Oktober leicht nach, liegt aber immer noch deutlich, um gut ein Prozent, höher als im Durchschnitt des dritten Quartals. Die Auftragsbestände sind hoch und zuletzt wurden wieder vermehrt Bauleistungen in Auftrag gegeben. Die gute Lage spiegelt sich auch in den Stimmungsindikatoren wider – noch nie haben mehr UnternehmerInnen von guten Geschäften berichtet als im Herbst dieses Jahres. Dies gilt für alle Bausparten.

Hinzu kommen ab dem Jahreswechsel zusätzliche Einkommen für ArbeitnehmerInnen, deren Sozialabgaben im Zuge der wieder paritätisch finanzierten Krankenversicherungsbeiträge gedämpft werden. Vor allem deshalb steigen die Löhne netto betrachtet im kommenden Jahr stärker als brutto. Zudem werden 2019 und 2020 Grund- und Kinderfreibeträge angehoben, die Tarifeckwerte verschoben und die Gleitzone der Sozialversicherungsbeiträge ausgeweitet. Und auch die monetären Sozialleistungen steigen kräftig: Im kommenden Jahr trägt die Erweiterung der Mütterrente und die Erhöhung des Kindergeldes dazu bei und im Jahr 2020 die Umsetzung der Grundrente. Alles in allem dürfte der private Konsum um gut ein Prozent in diesem Jahr und rund anderthalb Prozent in den beiden kommenden Jahren zulegen.

Ausrüstungsinvestitionen: Investitionsbereitschaft gebremst

Nach einem schwachen zweiten Quartal haben die Unternehmen im dritten Quartal wieder etwas mehr in Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge investiert, konnten aber nicht an die hohen Wachstumsraten vom Jahresbeginn 2018 anknüpfen. Der Staat hat seine Investitionstätigkeit nicht ausgeweitet. Ein Grund für die gedämpfte Investitionstätigkeit der Unternehmen war wohl auch, dass weniger Kfz produziert und ausgeliefert worden sind. Dies hat mutmaßlich zu geringerer Nachfrage nach Vorleistungen, aber auch zu geringeren Investitionen in den gewerblichen Fuhrpark geführt. Für das Winterhalbjahr ist hier mit Nachholeffekten zu rechnen, sodass die Ausrüstungsinvestitionen trotz des derzeit weniger günstigen Ausblicks ausgeweitet werden dürften. Nach wie vor vorteilhaft ist auch die Auftragslage im verarbeitenden Gewerbe – entsprechend ist auch die Kapazitätsauslastung dort weiterhin hoch. Im weiteren Verlauf lassen eine Entschleunigung der Weltkonjunktur sowie leicht verschlechterte Finanzierungsbedingungen aufgrund der weniger expansiven Geldpolitik einen Tempoverlust bei den Ausrüstungsinvestitionen erwarten. Belasten dürfte auch weiterhin das unsichere weltwirtschaftliche Umfeld.

Bauinvestitionen: Stimmungshoch am Baggerloch

Die Bauinvestitionen entwickelten sich im dritten Quartal des Jahres 2018 weiter kräftig. Vor allem der Wohnungsbau knüpft an die starken Zuwachsraten vom Vorquartal an. Der Wirtschaftsbau dämpfte hingegen leicht. Für das vierte Quartal ist mit einer weiterhin deutlichen Ausweitung zu rechnen, da die Auftragsbücher in allen Bausparten prall gefüllt sind und die Auftragsreichweite einen neuerlichen Rekordwert im wiedervereinigten Deutschland erreicht hat. Die Zuwächse der Bauinvestitionen dürften jedoch in den kommenden beiden Jahren leicht nachlassen. Darauf deuten zunächst etwas trübere Geschäftserwartungen hin, nur geringe Impulse bei den neu genehmigten Wohnungsbauten, die tendenziell restriktivere Geldpolitik, aber auch Beschränkungen bei den Produktionskapazitäten: Die Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, qualifizierte Beschäftigte zu finden. Stützen dürfte hingegen weiterhin die sehr günstige Finanzlage der öffentlichen Hand, die voraussichtlich auch in eine höhere Bautätigkeit mündet.

Auch wegen der weiter gestiegenen Kapazitätsauslastung hat sich der Auftrieb der Baupreise in den Sommermonaten nochmals beschleunigt und wird in diesem Jahr voraussichtlich bei 4,8 Prozent liegen. Dies bremst die reale Nachfrage nach Bauleistungen. Die Preise für gewerbliche Bauten dürften dieses Jahr um 5,1 und die Preise für Bauten der öffentlichen Hand um 5,6 Prozent steigen. Grund hierfür sind die steigenden Rohstoffpreise sowie ein höheres Lohnniveau.

Außenhandel: Erholung in Sicht

Die Importe nahmen im dritten Quartal mit einem Plus von insgesamt 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu. Der stärkste Zuwachs stammt hier aus den USA. Die Einfuhren aus dem Euroraum und den weiteren EU-Ländern schwächten sich hingegen ab. Die deutschen Exporteure sahen sich mit einem deutlichen Einbruch ihrer Ausfuhren konfrontiert (Abbildung 6). Zwar stiegen die Exporte der Dienstleistungen, gleichzeitig fielen aber die stärker gewichteten Warenexporte. Letztere Entwicklung dürfte im Wesentlichen der Automobilindustrie zuzuschreiben sein. Im Zuge der neuen Abgastests kam es zu erheblichen Verzögerungen im Export bereits fertig gestellter Pkw und Lkw.

Im vierten Quartal dürften sich der Exportstau langsam lösen und die Ausfuhren – angetrieben durch die Nachholeffekte im Automobilsektor – wieder zulegen. Die Auslandsnachfrage, die mit deutschen Exportanteilen gewichtete Importnachfrage der wichtigsten Handelspartner, hat sich bereits vom schwachen Jahresauftakt erholt und wird den Export weiterhin tragen. Sie entwickelt sich zwar im Vergleich zum relativ starken Jahr 2017 weniger dynamisch, verliert aber im Prognosezeitraum nur noch geringfügig an Schwung. Hinzu kommt, dass eine sich verbessernde preisliche Wettbewerbsfähigkeit die Ausfuhren zusätzlich anregt.

Auch die Importe stehen im vierten Quartal ganz im Zeichen der Auswirkungen der neuen Abgastests. Die Verzögerungen in der Weiterverarbeitung aus dem dritten Quartal dürften nun nachgeholt werden; teilweise wird dabei auch auf zuvor bereits importierte Zwischengüter zurückgegriffen. Für die Zuwachsrate der Importe bedeutet dies zunächst einen empfindlichen Dämpfer. Zum Jahresbeginn 2019 hingegen werden die Effekte des Koalitionsvertrags wirksam und sich im Zuge stärkeren Konsums auch positiv auf die Importe auswirken. Die prognostizierte Ausweitung der Exporte wird ebenfalls durch die benötigten Zwischengüter die Einfuhren anschieben. Die Zuwachsraten der Importe werden leicht über denen der Exporte liegen und in der Summe den Außenbeitrag senken. Der Überschuss der Leistungsbilanz baut sich leicht ab; nach 7,3 Prozent in diesem Jahr dürfte er bis zum Jahr 2020 knapp unter sieben Prozent sinken.

Die seit Jahresbeginn gestiegenen Ölpreise haben bis in das dritte Quartal hinein für stark steigende Importpreise gesorgt. Zusammen mit moderaten Preiszuwächsen bei den Exporten hat diese Entwicklung die seit Jahresbeginn anhaltende Verschlechterung der Terms of Trade fortgesetzt. Auch die Prognose für das letzte Quartal 2018 folgt diesem Trend. Die zuletzt wieder gesunkenen Ölpreise setzen sich aufgrund des anhaltenden Niedrigwassers vieler wichtiger Flüsse in Deutschland und den damit verbundenen Lieferengpässen vorerst nicht durch. Erst mit Jahresbeginn dürfte sich die Situation entspannen. Sinkende Energiepreise im ersten Quartal 2019 werden die Terms of Trade bei steigenden Exportpreisen ins Positive drehen. Zwar werden im weiteren Verlauf auch die Importpreise wieder steigen, aber mit geringeren Zuwachsraten als die Exportpreise. So werden die Terms of Trade ab der zweiten Jahreshälfte 2019 in etwa neutral ausfallen.

Öffentliche Finanzen: Weiterer Rekord bei den Überschüssen

Im laufenden Jahr dürfte der Finanzierungssaldo des Gesamtstaates ein Rekordniveau von rund 56 Milliarden Euro (1,7 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt, Tabelle 6) erreichen. Dazu hat – neben den anhaltend hohen Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen – in der ersten Jahreshälfte beigetragen, dass sich die Ausgaben aufgrund von Sondereffekten und der verzögerten Regierungsbildung nur moderat erhöhten. Für die kommenden beiden Jahre ist jedoch ein langsamer Rückgang (auf rund 38 Milliarden Euro beziehungsweise 1,1 Prozent im Jahr 2020) zu erwarten. Bereinigt um konjunkturelle Effekte liegt der Finanzierungssaldo bei 1,3 Prozent im laufenden Jahr und bei jeweils 1,0 Prozent in den Jahren 2019 und 2020. Die Schuldenquote wird weiter sinken, von rund 60 Prozent (in Relation zum BIP) am Ende des laufenden Jahres auf rund 54 Prozent Ende 2020.

Tabelle 6: Ausgewählte finanzwirtschaftliche Indikatoren1 1991 bis 2020

In Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts

Staatseinnahmen Staatsausgaben Finanzierungssaldo Nachrichtlich: Zinssteuerquote2
insgesamt darunter: insgesamt darunter:
Steuern Sozialbeiträge Zinsausgaben Bruttoinvestitionen
1991 43,2 22,0 16,3 46,4 2,6 3,1 −3,2 11,9
1992 44,6 22,4 16,7 47,2 3,1 3,3 −2,6 13,7
1993 44,9 22,3 17,2 48,0 3,1 3,1 −3,1 14,0
1994 45,4 22,4 17,7 47,9 3,2 2,9 −2,5 14,5
19953 45,2 22,0 18,1 48,2 3,4 2,6 −3,0 15,6
1996 45,4 21,8 18,7 48,9 3,4 2,5 −3,5 15,6
1997 45,1 21,5 19,0 48,1 3,3 2,3 −2,9 15,5
1998 45,2 21,9 18,7 47,7 3,3 2,3 −2,5 15,1
1999 46,0 22,9 18,5 47,7 3,0 2,3 −1,7 13,3
20004 45,6 23,2 18,1 47,1 3,1 2,3 −1,5 13,5
2001 43,8 21,4 17,8 46,9 3,0 2,3 −3,1 14,0
2002 43,3 21,0 17,8 47,3 2,9 2,2 −3,9 14,1
2003 43,6 21,1 18,0 47,8 2,9 2,1 −4,2 13,8
2004 42,6 20,6 17,6 46,3 2,8 1,9 −3,7 13,5
2005 42,8 20,8 17,4 46,2 2,7 1,9 −3,4 13,2
2006 43,0 21,6 16,9 44,7 2,7 2,0 −1,7 12,5
2007 43,0 22,4 16,1 42,8 2,7 1,9 0,2 11,9
2008 43,4 22,7 16,1 43,6 2,7 2,1 −0,2 11,8
2009 44,3 22,4 16,9 47,6 2,6 2,4 −3,2 11,8
2010 43,0 21,4 16,5 47,4 2,5 2,3 −4,4 11,6
2011 43,8 22,0 16,4 44,7 2,5 2,3 −1,0 11,4
2012 44,3 22,5 16,5 44,3 2,3 2,2 0,0 10,2
2013 44,5 22,9 16,5 44,7 2,0 2,1 −0,1 8,6
2014 44,6 22,8 16,4 44,1 1,6 2,0 0,6 7,0
2015 44,5 22,9 16,4 43,7 1,4 2,1 0,8 6,1
2016 44,8 23,2 16,6 43,9 1,2 2,2 0,9 5,1
2017 45,0 23,4 16,7 43,9 1,0 2,2 1,0 4,4
2018 45,4 23,6 16,8 43,7 0,9 2,4 1,7 3,9
2019 45,2 23,5 16,9 43,9 0,9 2,4 1,3 3,6
2020 44,9 23,3 16,9 43,9 0,8 2,5 1,1 3,4

1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.

3 Ohne Vermögenstransfers im Zusammenhang mit der Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR (per saldo 119,6 Milliarden Euro).

4 Ohne Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (50,8 Milliarden Euro).

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Wintergrundlinien 2018.

Der Anstieg der staatlichen Einnahmen wurde im laufenden Jahr durch die Verschiebung der Tarifeckwerte und reduzierte Beitragssätze zur Sozialversicherung bei den Einkommen der abhängig Beschäftigten nur leicht gebremst. Infolge einer kräftigen Lohnentwicklung sind die Einnahmen aus Steuern und Beiträgen zudem spürbar gestiegen. In den beiden kommenden Jahren dämpfen dagegen die Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge sowie eine Verschiebung der Tarifeckwerte. Die Sozialbeiträge werden hingegen von verschiedenen – sich teilweise kompensierenden – Effekten beeinflusst: Im kommenden Jahr steht der Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung ein entsprechender Anstieg in der Pflegeversicherung gegenüber. Hier wird zudem unterstellt, dass die Gleitzone der Sozialversicherungsbeiträge ausgeweitet wird: Sie endet ab dem Jahr 2019 bei 1300 Euro statt bisher 850 Euro; so werden GeringverdienerInnen, die bisher im sogenannten Bereich der Midijobs verdienen, stärker entlastet. Gleichzeitig reduziert sich der Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung für Selbstständige. Die staatlichen Vermögenseinkommen werden im laufenden Jahr aufgrund der erhöhten Abführung der Bundesbank deutlich zunehmen. Die vom Staat empfangenen Transfers fallen in diesem Jahr aufgrund einer einmaligen Strafzahlung der Volkswagen AG wegen des Dieselskandals und einer einmaligen Schlichtungszahlung von Toll Collect besonders hoch aus. Insgesamt steigen die staatlichen Einnahmen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr, in den kommenden beiden Jahren nimmt diese Quote infolge der fiskalischen Maßnahmen aber ab.

Die Arbeitnehmerentgelte des Staates werden aufgrund von Tariflohnsteigerungen und eines Beschäftigungsaufbaus vergleichsweise deutlich expandieren, die sozialen Sachleistungen in der Summe dagegen nur moderat: Der Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung stehen rückläufige Ausgaben aufgrund der abnehmenden Effekte der Fluchtmigration gegenüber. Die monetären Sozialleistungen werden im laufenden Jahr infolge der Rentenanpassungen zur Jahresmitte ebenfalls stärker zunehmen als im Vorjahr. Im kommenden Jahr kommt es zu Leistungsausweitungen wie der Erweiterung der Mütterrente und der Erhöhung des Kindergeldes. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die beschlossene Grundrente noch im Jahr 2020 umgesetzt wird. Die staatlichen Bruttoinvestitionen werden dynamisch zunehmen. So steigen die Preise im Bereich der staatlichen Bauinvestitionen und Sparanstrengungen treten aufgrund der günstigen Finanzlage der öffentlichen Haushalte weiter in den Hintergrund. Die staatliche Ausgabenquote wird insgesamt im laufenden Jahr geringer als im Vorjahr ausfallen, in den kommenden Jahren aber aufgrund der expansiven finanzpolitischen Maßnahmen wieder steigen (Tabelle 7).

Tabelle 7: Finanzpolitische Maßnahmen1

Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (−) in Milliarden Euro gegenüber 2017

2018 2019 2020
Einnahmen der Gebietskörperschaften
Alterseinkünftegesetz −1,3 −2,7 −4,1
Erhöhung von Kindergeld, Grund- und Kinderfreibetrag 2017 und 2018, Verschiebung der Tarifeckwerte −3,6 −4,0 −4,1
Altkapitalerstattungen 2008 und 2009 2,4 2,5 2,5
Erhöhung des Grundfreibetrags −1,0 −2,9
Erhöhung der Kinderfreibeträge 2019 und 2020 −0,3
Tarifverschiebung 2019 und 2020 −2,0 −4,2
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben −0,6 −1,1
Lkw-Maut (Ausweitung auf alle Bundesstraßen und Anhebung der Mauttarife zum 1. Januar 2019) 0,8 2,6 2,7
Einnahmen der Sozialversicherungen
Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2018 um 0,1 Prozentpunkt auf 18,6 Prozent −1,3 −1,4 −1,4
Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2019 5,9 6,1
Senkung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2018 −0,8 −0,9 −1,0
Senkung der Insolvenzgeldumlage zum 1. Januar 2018 um 0,03 Prozentpunkte −0,3 −0,3 −0,3
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte im Jahr 2019 6,3 6,6
Ausweitung der Gleitzone bei Midijobs zum 1. Januar 2019 −0,5 −0,5
Änderung der Bemessungsgrundlage von Selbstständigen in der gesetzlichen Krankenversicherung −0,8 −0,8
Ausgaben der Gebietskörperschaften
Parität beim Zusatzbeitrag zur GKV: Beschäftigte im Öffentlichen Dienst −0,9 −0,9
Ausbau der Kinderbetreuung −0,5 −1,0
Baukindergeld −0,2 −0,5 −0,9
Kinderzuschlag −0,2 −0,4
Erhöhung des Kindergeldes um 10 Euro/Monat ab dem 1. Juli 2019 −0,9 −1,7
Aufstockung des BAFöG −0,2 −0,5
Austiegsfortbildung in der beruflichen Bildung −0,1 −0,2 −0,2
Zusätzliche Mittel für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt −0,3 −0,9 −1,0
Familiengeld in Bayern −0,2 −0,7 −0,7
Verteidigung −0,5 −3,5 −4,5
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe −0,2 −0,8 −1,4
Mehrpersonal innere Sicherheit −0,3 −0,6
Zusätzliche investive Ausgaben −1,0 −2,5 −5,0
Ausgaben der Sozialversicherungen
Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung −0,6 −1,3 −1,4
Mütterrente II −3,8 −3,9
Pflegepersonalstärkungsgesetz −1,4 −1,7
Grundrente −1,2
Insgesamt −7,2 −15,5 −29,8
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent −0,2% −0,4% −0,8%

1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen, ohne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Banken- und EU-Schuldenkrise.

Quelle: Bundesregierung; DIW Wintergrundlinien 2018.

Themen: Konjunktur



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, ecoomic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2018-50-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/190782

keyboard_arrow_up