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Die deutsche Wirtschaft steht unter dem Strich weiterhin gut da: Interview

DIW Wochenbericht 50 / 2018, S. 1096

Claus Michelsen, Erich Wittenberg

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Herr Michelsen, nach Jahren überdurchschnittlichen Wachstums hat sich die deutsche Wirtschaft zuletzt weniger kräftig entwickelt. Steht der deutschen Wirtschaft ein Abschwung bevor? Tatsächlich hat sich die deutsche Wirtschaft gerade in den Sommermonaten sogar zurück entwickelt, sie ist im dritten Quartal nämlich geschrumpft. Wir haben aber bereits in unserer Sommer-Prognose davon gesprochen, dass die deutsche Wirtschaft sich abkühlen und auf einen Abschwung einschwenken wird. Das findet jetzt tatsächlich statt. Allerdings ist das in erster Linie das Ergebnis einer Sonderkonjunktur in der Automobilwirtschaft, die große Probleme hatte, ihre Autos nach neuen Prüfstandards zu zertifizieren.

Mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie? Wir rechnen für dieses Jahr noch mit einer Wachstumsrate von 1,5 Prozent. Das ist eine deutliche Abwärtsrevision unserer Prognose aus dem Sommer und hat vor allem mit dem erwähnten Sondereffekt in der Automobilwirtschaft zu tun. Für das kommende Jahr rechnen wir mit 1,6 Prozent Wachstum und für das Jahr 2020 mit 1,8 Prozent. Diese 1,8 Prozent gehen aber vor allem darauf zurück, dass mehr Arbeitstage zur Verfügung stehen. Rechnet man diese zusätzlichen dreieinhalb Arbeitstage heraus, liegen wir 2020 bei 1,4 Prozent Wachstum.

Wie groß ist die Gefahr, dass Deutschland in eine Rezession abgleitet? Die Gefahr einer Rezession ist aus unserer Sicht eher gering. Technisch kann das durchaus sein, denn man spricht von einer Rezession, wenn die Wirtschaft zwei Quartale in Folge schrumpft. Das ist im Rahmen des Möglichen, denn der Sondereffekt in der Automobilwirtschaft ist schwer zu quantifizieren. Allerdings sind die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft und der Ausblick recht ordentlich, denn nach wie vor läuft das Auslandsgeschäft relativ gut. Wir denken auch, dass die Binnenwirtschaft sich wieder kräftiger entwickeln wird. Vor allen Dingen wird der private Konsum durch die Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind und zu Jahresbeginn 2019 wirksam werden, angeschoben. Aber auch die Investitionstätigkeit verlief bis in den Sommer hinein sehr gut. Gerade auch in der Bauwirtschaft rechnen wir da weiterhin mit einem Aufwärtstrend.

Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise und die Inflation in Deutschland? Momentan erleben wir einen merklichen Preisauftrieb. Die letzte Monatsrate, die vom Statistischen Bundesamt berichtet wurde, wies einen Anstieg der Verbraucherpreise von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Allerdings ist das ein temporärer Effekt, denn die Ölpreise haben kräftig angezogen. Diese sind mittlerweile wieder gefallen und das sollte im Prognosezeitraum auch die Preissteigerungsraten wieder deutlich reduzieren. Wir rechnen für das kommende Jahr mit 1,9 Prozent. Um diese Marke herum dürfte die Inflation auch im Jahr 2020 liegen.

Setzt sich der Beschäftigungsaufbau in Deutschland fort? Die Arbeitsmarktlage ist weiterhin äußerst positiv. Bis zuletzt haben die Unternehmen ihre Stammbelegschaft kräftig ausgeweitet. Eine Sonderentwicklung sehen wir bei der Leiharbeit, denn die hat deutlich abgenommen. Ein Signal für eine Rezession sehen wir darin aber nicht, denn die Leiharbeit hat die konjunkturelle Spitze aus dem Winterhalbjahr abgefedert. Diese Spitze liegt jetzt hinter uns, was aber noch lange nicht heißt, dass es nun steil bergab geht.

Wie stark sind die konjunkturellen Auswirkungen der internationalen Handelskonflikte zwischen den USA und dem Rest der Welt? Bislang waren insbesondere die Auswirkungen des Konfliktes zwischen China und den USA für die Weltwirtschaft noch sehr überschaubar. Auch die chinesische und die US-amerikanische Wirtschaft waren von den bisher eingeführten Zöllen und Maßnahmen nicht besonders stark betroffen. Das kann sich allerdings ändern, wenn die Konflikte eskalieren. Speziell wenn die USA Zölle auf Automobile erheben würden, hätte das für Europa und insbesondere auch für Deutschland sehr negative Konsequenzen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

Themen: Konjunktur

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