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Gönnt deutschen Kommunen das Gleiche wie Griechenland!

Blog Marcel Fratzscher vom 5. Juli 2018

Der Beitrag ist am 05. Juli 2018 als Gastbeitrag in der Welt erschienen.

Der Bundestag hat jüngst einer Umstrukturierung der Schulden für Griechenland zugestimmt und damit den Weg frei gemacht für eine letzte Tranche aus dem Hilfspaket und vor allem für Schuldenerleichterungen. Mit diesem Beschluss, der einem Schuldenschnitt gleich kommt, wird die Regierung in Athen wieder handlungsfähig, um nötige Reformen umzusetzen und Eigenverantwortung zu übernehmen. Eine Entscheidung, die auch im Interesse Deutschlands richtig ist.

Allen kritischen Stimmen aus Deutschland zum Trotz: Eine Umstrukturierung der Schulden für Griechenland liegt auch im deutschen Eigeninteresse. Mit rund 180 Prozent Staatsschulden gemessen an seiner jährlichen Wirtschaftsleistung schreckt Griechenland derzeit viele Investoren ab.

Doch nur wenn wieder Investitionen in das Land fließen, können neue Jobs entstehen und kann sich die Wirtschaft erholen – und nur dann wird der griechische Staat auch in Zukunft seine Schulden bedienen können. Kurzum: Ein starkes Wirtschaftswachstum ist die beste Sicherheit dafür, dass Griechenland seine Schulden bedient und damit die deutschen SteuerzahlerInnen auch in Zukunft geschützt sind.

Wenn diese Logik auf Griechenland zutrifft, wieso dann nicht auch auf die deutschen Kommunen? Knapp ein Drittel aller deutschen Kommunen ächzt unter hohen Schulden, viele sind so stark überschuldet, dass sie in Haushaltsverwahrung durch ihre Länder sind, also gar keine eigenverantwortlichen Entscheidungen mehr treffen können.

In einem massiven und zunehmenden Süd-Nord Gefälle machen die Kommunen im Süden Überschüsse und tätigen zum Teil das Siebenfache an kommunalen Investitionen pro Kopf von Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Dabei sind kommunale Investitionen in der föderalen Struktur Deutschlands ungeheuer wichtig und machen mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen aus.

Teufelskreis durch Schuldenbremse

Die staatliche Förderbank KfW schätzt in ihrem Kommunalpanel, dass die deutschen Kommunen einen Investitionsbedarf von knapp 159 Milliarden Euro haben. Das Problem der finanzschwachen Kommunen ist dabei erwiesenermaßen nicht, dass sie schlecht wirtschaften, sondern dass sie mit hohen Sozialausgaben belastet sind und zu wenige Möglichkeiten haben, selbst Steuereinnahmen zu generieren.

So bleibt finanzschwachen Kommunen in wirtschaftlich schweren Zeiten meist keine andere Alternative, als Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu kürzen. Die Schuldenbremse erlaubt den Kommunen keinerlei Neuverschuldung. Viele mussten dadurch auch so massiv Personal abbauen, beispielsweise in den Bauämtern, dass sie die zusätzlichen Gelder des Bundes für Investitionen gar nicht in Anspruch nehmen können.

Ein Teufelskreis, bei dem finanzschwache Kommunen immer weiter hinter die Standards der finanzstarken Kommunen zurückfallen und junge, gut ausgebildete Menschen abwandern. Unternehmen siedeln sich dann lieber in reicheren Kommunen an, wo die Gewerbesteuern häufig geringer und viele gut qualifizierte Menschen verfügbar sind, was wiederum die regionalen Unterschiede vergrößert. An diesem Teufelskreis hat auch die Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs kaum etwas geändert.

Wenn also Deutschland Griechenland eine Umstrukturierung seiner Schulden zugesteht, sollte es dies auch für seine eigenen überschuldeten Kommunen tun, um diesen wieder finanzpolitische Autonomie zu ermöglichen.

Ein Schuldenschnitt für die finanzschwachen deutschen Kommunen wäre ein wichtiger Schritt, um langfristig gleichwertige Lebensbedingungen herzustellen, und eine kluge Entscheidung, um mehr Wachstum und Wohlstand in Deutschland zu generieren.

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