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Weltwirtschaft und Euroraum: Schwacher Welthandel, aber binnenwirtschaftliche Kräfte weitgehend intakt: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Frühjahr 2019

DIW Wochenbericht 11 / 2019, S. 154-161

Claus Michelsen, Guido Baldi, Geraldine Dany-Knedlik, Hella Engerer, Stefan Gebauer, Malte Rieth

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Das weltwirtschatliche Umfeld bleibt rau. Im vierten Quartal 2018 stagnierten die Wachstumsraten global, besonders traf es den Außenhandel. Für 2019 prognostiziert das DIW Berlin ein Wachstum der Weltwirtschaft von 3,7 Prozent, für das Folgejahr 3,6 Prozent. Positive Impulse werden durch Nachholeffekte – etwa bei der europäischen Automobilindustrie – und von der weiterhin guten Entwicklung an den Arbeitsmärkten erwartet, die den Konsum stützen dürfte. Der Ausblick für den Welthandel wird jedoch geprägt von Handelskonflikten, politischen Unsicherheiten und einer Abschwächung der chinesischen Konjunktur. Zwar zeichnet sich im Handelskonflikt zwischen den USA und China eine Entschärfung ab, dafür deutet sich eine Auseinandersetzung um europäische Exporte von Kraftfahrzeugen und Autoteilen in die USA an. Die Gefahr eines ungeordneten Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU und die politische Situation in Italien sorgen für Unsicherheit in Europa. Vor diesem Hintergrund wird die Geldpolitik im Prognosezeitraum voraussichtlich expansiv ausgerichtet sein.

Die Expansion der Weltwirtschaft schwächte sich im Schlussquartal 2018 weiter ab (Abbildung 1). Sowohl in den entwickelten Volkswirtschaften als auch in den Schwellenländern stagnierten die Wachstumsraten zumeist oder waren leicht rückläufig. Hierzu dürfte eine Reihe von Unsicherheiten beigetragen haben, die insbesondere den Außenhandel und die Investitionen belasteten. Dazu kamen temporäre Faktoren, die in einigen großen Volkswirtschaften die Konjunktur dämpften.

Im Prognosezeitraum (2019 und 2020) werden die Sondereffekte, wie die temporäre Stilllegung der amerikanischen Bundesverwaltung, wegfallen. Es wird wohl zu Nachholeffekten kommen, auch weil die europäische Automobilindustrie ihre Produktionsausfälle aus dem vergangenen Jahr teilweise aufholen dürfte. Die Binnenkonjunktur ist in den meisten Ländern weitgehend intakt. So verbessert sich die Lage an den Arbeitsmärkten weiterhin, wenn auch mit vermindertem Tempo. Zudem dürften niedrige Energiepreise im laufenden Jahr für steigende Kaufkraftgewinne bei den privaten Haushalten sorgen.

Demgegenüber bleibt das weltwirtschaftliche Umfeld rau. Handelskonflikte, politische Unsicherheiten und eine Abschwächung der chinesischen Konjunktur prägen den Ausblick für den Welthandel. Dieser wird wohl schwach bleiben und die Investitionstätigkeit der Unternehmen dämpfen. Alles in allem dürfte sich die globale Produktionsausdehnung in diesem Jahr daher auf 3,7 Prozent und im nächsten Jahr auf 3,6 Prozent abschwächen (Tabelle).

Tabelle: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Weltwirtschaft

In Prozent

Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Arbeitslosenquote in Prozent
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2017 2018* 2019 2020 2017 2018* 2019 2020 2017 2018* 2019 2020
Euroraum 2,5 1,7 1,3 1,5 1,4 1,7 1,5 1,7 9,0 8,2 7,8 7,5
ohne Deutschland 2,5 1,8 1,4 1,5 1,4 1,7 1,5 1,5 11,4 10,4 10,0 9,8
Frankreich 2,3 1,5 1,5 1,5 1,1 1,8 1,5 1,5 9,4 9,1 8,7 8,4
Italien 1,6 0,8 0,4 1,0 1,3 1,2 1,0 1,1 11,3 10,6 10,4 10,3
Spanien 3,0 2,5 2,3 2,0 2,0 1,7 1,7 1,6 17,2 15,3 14,3 14,1
Niederlande 3,0 2,5 1,8 1,7 1,3 1,6 2,4 1,9 4,8 3,9 3,7 3,7
Vereinigtes Königreich 1,8 1,4 1,2 1,4 2,7 2,4 2,0 2,1 4,5 4,2 4,4 4,4
USA 2,2 2,9 2,4 1,8 2,1 2,4 2,0 2,0 4,4 3,9 3,7 3,5
Japan 1,9 0,7 1,0 0,9 0,6 0,8 1,1 1,2 2,8 2,4 2,4 2,4
Südkorea 3,1 2,7 2,7 2,4 1,9 1,5 2,0 2,7 3,7 3,8 3,0 3,0
Mittel- und Osteuropa 5,0 4,5 3,6 3,3 1,7 2,2 2,4 2,8 4,6 3,7 3,4 3,3
Türkei 7,4 2,6 −0,2 2,9 11,2 16,3 15,9 12,3 10,9 10,8 11,8 11,8
Russland 1,6 2,0 1,8 1,9 3,5 3,1 4,6 4,1 5,1 4,7 4,6 4,5
China 6,8 6,6 6,2 6,0 1,4 1,7 2,3 2,4 4,0 4,0 4,0 4,0
Indien 6,4 7,5 6,1 5,7 3,5 3,9 5,8 6,1
Brasilien 1,1 1,2 1,0 1,1 3,4 3,7 5,3 6,5 12,8 12,3 8,4 6,2
Mexiko 2,3 2,2 2,0 1,6 6,0 4,9 4,1 3,2 3,4 3,3 4,8 4,8
Entwickelte Volkswirtschaften 2,3 2,2 1,9 1,6 1,8 2,0 1,8 1,9 5,3 4,8 4,6 4,4
Schwellenländer 5,6 5,6 5,0 4,9 2,8 3,3 4,2 4,2 5,2 5,0 4,8 4,6
Welt 4,2 4,2 3,7 3,6 2,4 2,8 3,2 3,3 5,3 4,9 4,7 4,5

* Beruht teilweise auf vorläufigen Angaben.

Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.

Vor diesem Hintergrund wird die Geldpolitik im Prognosezeitraum voraussichtlich expansiv ausgerichtet sein. Sowohl in den USA als auch im Euroraum zeichnet sich eine Verschiebung der geplanten Leitzinsanhebungen ab. Dies dürfte nicht nur in diesen beiden Wirtschaftsräumen, sondern auch in vielen Schwellenländern für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen. Die Finanzpolitik wird ebenfalls leicht stimulierend ausgerichtet sein, wenngleich die Konjunktureffekte der Steuersenkungen in den USA auslaufen und in Japan eine Mehrwertsteueranhebung in diesem Jahr ansteht.

Es besteht eine Reihe von Risiken für die Weltwirtschaft. Zwar zeichnet sich im Handelskonflikt zwischen den USA und China eine Entschärfung ab. Dafür deutet sich eine Auseinandersetzung um europäische Exporte von Kraftfahrzeugen und Autoteilen in die USA an. Eine Eskalation mit gegenseitigen Zollanhebungen würde nicht nur die Exporte, sondern wohl auch die Investitionen in beiden Regionen belasten. Die Gefahr eines ungeordneten Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU ist weiterhin hoch. Ein Austritt ohne Abkommen Ende März würde den Handel zwischen beiden Wirtschaftsräumen erschweren und wohl unmittelbar die Produktion belasten. Schließlich sorgt die politische Situation in Italien für Unsicherheit in Europa, wenngleich die Einigung zwischen der EU-Kommission und der Regierung in Rom die Lage zuletzt etwas entspannt hat. Eine Verschlechterung der italienischen Finanzierungsbedingungen würde die ohnehin gebeutelte, drittgrößte Wirtschaft des Euroraums bremsen.

USA: Trotz Gegenwind lässt Dynamik nur leicht nach

Die US-Wirtschaft ist im vierten Quartal des Jahres 2018 um annualisiert 2,6 Prozent gewachsen. Im Vergleich zu vorhergehenden Quartalen hat sich der Anstieg der privaten Konsumausgaben etwas verlangsamt. Im ersten Quartal des laufenden Jahres dürfte die Wirtschaft nur verhalten zulegen. Da sich die politischen Parteien Ende des Jahres 2018 nicht auf ein Budget für das laufende Fiskaljahr einigen konnten, kam es ab Ende Dezember zu einer fünfwöchigen Stilllegung weiter Teile der amerikanischen Bundesverwaltung.infoDer Budgetstreit und die Stilllegung der Verwaltung wurden verursacht durch eine politische Auseinandersetzung um den Bau einer Mauer an einigen Grenzabschnitten zu Mexiko. Gemäß Schätzungen des Congressional Budget Office dürfte dies das Wachstum im ersten Quartal um annualisiert mindestens 0,4 Prozentpunkte verringern.infoCongressional Budget Office (2019): The Effects of the Partial Shutdown Ending in January 2019 (online verfügbar, abgerufen am 05. März 2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).

In den kommenden Quartalen wird dieser Rückgang durch Nachholeffekte wohl größtenteils ausgeglichen. Die Auswirkungen des amerikanisch-chinesischen Handelsstreits und die damit verbundene Unsicherheit dämpfen die konjunkturelle Entwicklung.infoIm Laufe des Februars 2019 haben sich die Positionen der beiden Regierungen gemäß öffentlichen Äußerungen zwar angenähert. Eine zuvor für den 1. März 2019 angedrohte Anhebung der US-Importzölle auf chinesische Produkte wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Ob es zu einer dauerhaften Einigung im amerikanisch-chinesischen Handelsstreit kommt, bleibt aber weiterhin fraglich. Auch bei den Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union bestehen weiterhin Unsicherheiten – insbesondere beim Handel mit Fahrzeugen. Bis Mitte Mai wird die amerikanische Regierung entscheiden, ob sie die Zölle auf Fahrzeugimporte – etwa aus der Europäischen Union – erhöhen wird. Zudem laufen die stimulierenden Effekte der im Winter 2017/2018 beschlossenen Steuersenkungen allmählich aus. Vor diesem Hintergrund wird sich die Lage am Arbeitsmarkt etwas langsamer verbessern als bislang. In den vergangenen drei Monaten wurden durchschnittlich 241000 neue Stellen geschaffen. Angesichts einer etwas nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik und eines moderaten Preisdrucks dürfte die US-Notenbank ihre Leitzinsen im Prognosezeitraum – wenn überhaupt – nur noch geringfügig anheben. Zudem wird innerhalb der Notenbank darüber diskutiert, ob der Prozess der Bilanzverkürzung ausgesetzt wird. Alles in allem wird die Wirtschaft im Jahr 2019 wohl um 2,4 Prozent zulegen. Im Jahr 2020 dürfte die Wachstumsrate bei 1,8 Prozent liegen.

Japan: Schwacher Außenhandel belastet Konjunktur

Das Bruttoinlandsprodukt in Japan legte im Schlussquartal 2018 um 0,3 Prozent zu, nachdem die Produktion im dritten Quartal rückläufig war. Die anziehende konjunkturelle Entwicklung wurde von einem deutlichen Zuwachs des privaten Verbrauchs getragen. Dämpfend auf die Konjunktur wirkte wie im Vorquartal ein schwacher Außenhandel.

Auch im Prognosezeitraum wird dieser wohl das Wachstum reduzieren. Zwar dürften die kürzlich in Kraft getretenen Handelsabkommen den Außenhandel stützen. infoDas transpazifische Handelsabkommen (CPTPP) und das Japan-EU Free Trade Agreement. Eine schwächere Nachfrage aus den großen Absatzmärkten Japans – vor allem aus China – wird die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen allerdings wohl belasten. Der private Konsum dürfte die Produktion hingegen vorerst stützen, da die Verbraucherinnen und Verbraucher von der expansiv ausgerichteten Finanzpolitik sowie einer weiterhin guten Lage auf dem Arbeitsmarkt profitieren. Für Oktober dieses Jahres ist jedoch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent vorgesehen. Diese wird den privaten Verbrauch im weiteren Verlauf voraussichtlich etwas dämpfen. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,0 Prozent und im kommenden Jahr um 0,9 Prozent steigen.

China: Weiter expansive Finanzpolitik stützt Konjunktur

Die chinesische Konjunktur verlor zum Jahresende 2018 leicht an Dynamik; das Bruttoinlandsprodukt wuchs im vierten Quartal um 1,5 Prozent. Das Wachstum wurde vor allem vom privaten Verbrauch gestützt. Hingegen hat sich der Außenhandel im Vergleich zum Vorquartal weiterhin abgeschwächt.

Dieser dürfte sich auch im Prognosezeitraum nur moderat entwickeln. Zuletzt zeichnete sich zwar eine Entschärfung der Auseinandersetzung zwischen den USA und China ab. Die seitens der USA bisher ergriffenen protektionistischen Maßnahmen dürften die Ausfuhren chinesischer Verbrauchs- und Gebrauchsgüter jedoch noch reduzieren. Zudem wird wohl eine schwächere Entwicklung der Binnenwirtschaft den Außenhandel dämpfen. Positive Impulse werden wohl hingegen von einer weiterhin expansiv ausgerichteten Geldpolitik sowie zusätzlichen finanzpolitischen Maßnahmen wie Steuersenkungen und Infrastrukturinvestitionen ausgehen. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in 2019 um 6,2 Prozent und im Jahr 2020 um 6,0 Prozent wachsen.

Euroraum: Verhaltene Konjunktur setzt sich fort

Im Euroraum stabilisierte sich das Wachstum im Schlussquartal 2018, nachdem sich die Expansion in den ersten drei Quartalen des Jahres stetig verlangsamt hatte. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal erneut um 0,2 Prozent. Dabei dämpfte insbesondere ein geringer Beitrag der Bruttoinvestitionen die Konjunktur. Begünstigt wurde die wirtschaftliche Entwicklung im Schlussquartal hingegen vom privaten Verbrauch und einem positiven Außenhandelsbeitrag.

Auch im Prognosezeitraum wird die weiterhin gute Lage auf dem Arbeitsmarkt den privaten Konsum wohl stützen. So liegt die Arbeitslosigkeit in den großen Mitgliedsstaaten des Währungsraums seit letztem Jahr nahe oder bereits unterhalb ihres strukturellen Niveaus (Abbildung 2). Eine weiterhin rückläufige Arbeitslosigkeit – wenngleich weniger stark als zuletzt – und die damit einhergehenden Engpässe beim Arbeitsangebot werden den zuletzt beobachtbaren Anstieg der Nominallöhne verstärken (Abbildung 3). Daneben dürften die zuletzt gefallenen Ölpreise den privaten Verbrauch in diesem Jahr stützen, ebenso wie die in einigen Mitgliedstaaten beschlossenen finanzpolitischen Maßnahmen, wenngleich letztere voraussichtlich etwas geringer als zuletzt geplant ausfallen. So sieht der mit der EU nachverhandelte Haushaltsentwurf der italienischen Regierung deutlich geringere Transferleistungen als ursprünglich vor.infoVgl. Stefan Gebauer et al. (2019): Italien braucht neue Impulse für Wachstumsbranchen. DIW Wochenbericht Nr. 9, 111-121 (online verfügbar) für eine Diskussion des derzeit vorliegenden Haushaltsplans und die Eignung der enthaltenen Maßnahmen zur Lösung struktureller Probleme in Italien. Zudem kommt die Umsetzung bereits beschlossener sozialpolitischer Maßnahmen in den Niederlanden nur langsam voran. In Frankreich wird die Finanzpolitik hingegen aufgrund der anhaltenden Gelbwestenproteste etwas expansiver ausgerichtet sein. Insgesamt dürfte der private Verbrauch die Expansion im gesamten Prognosezeitraum begünstigen, wenngleich weniger stark als im vergangenen Jahr.

Einige der finanzpolitischen Maßnahmen sowie die weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen dürften die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit leicht anregen. Insgesamt werden die Investitionen wohl aber nur geringfügig zur Produktionsausweitung beitragen. Hierauf deuten die zuletzt rückläufigen Einkaufmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes sowie gesunkene Auftragseingänge der Industrie hin. Vor allem die Unternehmen werden sich aufgrund anhaltend hoher politischer Unsicherheiten wohl mit größeren Ausgaben zurückhalten.

So sind etwa die Modalitäten des Brexit kurz vor dem geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU weiterhin ungeklärt. Außerdem ist die Unsicherheit über die Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten stark angestiegen. Die Einführung von Zöllen auf Automobilprodukte aus der Europäischen Union seitens der USA sowie angekündigte Retorsionsmaßnahmen der EU bergen ein erhebliches Eskalationspotential.

Die schwelenden Handelskonflikte dürften den Außenhandel belasten. Zudem wird sich die Nachfrage nach europäischen Waren und Dienstleistungen – insbesondere aus China – im Zuge der nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik nur schwach entwickeln. Die jüngste Abwertung des Euro sowie das kürzlich in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU werden den Außenhandel der Währungsunion hingegen begünstigen. Unter der hier getroffenen Annahme, dass es zu einem Austrittsabkommen der EU und dem Vereinigten Königreich kommt und dass der Handelskonflikt mit den USA nicht weiter eskaliert, dürfte der Wachstumsbeitrag des Außenhandels im Prognosezeitraum weiterhin positiv sein – wenngleich weniger groß als im Vorjahr.

Aufgrund der Abkühlung der Konjunktur in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hat der Rat der Europäischen Zentralbank zuletzt einen expansiveren geldpolitischen Kurs angekündigt als zu Beginn dieses Jahres. So wird die Vergabe zielgerichteter Langfristkredite im Rahmen der „targeted longer-term refinancing operations“ (TLTRO) durch eine dritte Auflage beginnend im September 2019 fortgesetzt.infoBei den „TLTRO“-Programmen bietet das Europäische System der Zentralbanken Kreditinstituten Langfristkredite zu verminderten Zinssätzen an, um die Kreditvergabe der Banken an die Realwirtschaft zu fördern. Die Laufzeit des nun angekündigten Programms („TLTRO III“) beträgt eineinhalb Jahre. In dieser Zeit können Banken zweckgebundene Kredite mit einer Laufzeit von zwei Jahren bei der EZB aufnehmen, die Maturität hat sich somit im Vergleich zum vorherigen Programm halbiert. Zudem machten die Währungshüter deutlich, dass mit einer ersten Zinsanhebung nicht wie bisher in der zweiten Jahreshälfte 2019, sondern frühestens im ersten Halbjahr 2020 zu rechnen ist.

Aufgrund der gesunkenen Energiekosten sind die Verbraucherpreise zuletzt weniger stark gestiegen. Die Teuerung lag mit 1,4 Prozent im Januar deutlich unterhalb des Inflationsziels der Zentralbank von knapp zwei Prozent. Im Prognosezeitraum dürfte eine anziehende Lohndynamik die Inflationsentwicklung allerdings anschieben. Insgesamt dürfte sich das Wachstum im Euroraum auf 1,3 Prozent in diesem Jahr sowie 1,5 Prozent im nächsten Jahr abschwächen.

Vereinigtes Königreich: Brexit-Unsicherheit bremst Unternehmensinvestitionen

Im Vereinigten Königreich wuchs das Bruttoinlandsprodukt erneut nur schwach, die Expansionsrate lag im vierten Quartal 2018 bei 0,2 Prozent. Positive Impulse gingen vom privaten und öffentlichen Verbrauch aus, während der Außenhandelsbeitrag negativ war. Daneben belastete die rückläufige Investitionstätigkeit die britische Wirtschaft, wobei die Unternehmensinvestitionen das vierte Quartal in Folge schrumpften. Maßgeblich trug hierzu die anhaltende Unsicherheit über die zukünftigen Beziehungen Großbritanniens mit der Europäischen Union bei.infoVgl. etwa Bank of England (2019): Inflation Report February (online verfügbar) oder die seitens der britischen Notenbank im vierten Quartal erhobenen Umfrageergebnisse des „Desicion Maker’s Panel Survey“ (online verfügbar).

Aufgrund dieser Unsicherheit dürfte die binnenwirtschaftliche Entwicklung auch im Prognosezeitraum nur moderat zum Wachstum beitragen. So werden sich Unternehmen und KonsumentInnen mit größeren Ausgaben wohl so lange zurückhalten, bis sowohl die Ausgestaltung des EU-Austritts abschließend geklärt ist, als auch die künftigen Beziehungen nach dem Brexit an Kontur gewinnen.infoDieser Prognose liegt weiterhin die technische Annahme eines „weichen“ Brexit zugrunde. Es wird ein Austritt Großbritanniens mit einem Abkommen und einer sich anschließenden mindestens zweijährigen Übergangsphase unterstellt. Dies gilt im Rahmen dieser Prognose als das wahrscheinlichste Szenario. In diesem Szenario blieben die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Prognosezeitraum weitestgehend unverändert. Die Effekte eines dennoch möglichen „harten“ Brexit werden in Kasten 3 im Bericht zur deutschen Wirtschaft in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts diskutiert. Daneben werden die privaten Haushalte reale Einkommenszuwächse – bedingt durch eine anhaltend hohe Beschäftigung, steigende Löhne im öffentlichen Sektor und einer rückläufigen Teuerung – wohl vermehrt für die Ersparnisbildung nutzen. Diese liegt zum einen auf historisch niedrigem Niveau, zum anderen dürfte sich die Sparneigung aufgrund einer weiterhin nur mäßigen Entwicklung der Vermögenswerte in den Händen privater Haushalte weiter erhöhen. Der Außenhandelsbeitrag wird wohl aufgrund der geringen Importnachfrage im Prognosezeitraum positiv sein. Die schwächere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aus dem Euroraum sowie der seit Jahresbeginn wieder leicht gestiegene Außenwert des britischen Pfund dürften die Exporte belasten, sodass der Wachstumsbeitrag des Außenhandels voraussichtlich gering ausfallen wird. Die britische Wirtschaft wird in diesem und im kommenden Jahr wohl um jeweils 1,2 und 1,4 Prozent wachsen.

Mittel- und Osteuropa: schwache Auslandsnachfrage

Im Schlussquartal 2018 hat sich insbesondere in den beiden großen Volkswirtschaften Polen und Rumänien die Wachstumsdynamik verringert. Dies ist offenbar auf eine geringere Auslandsnachfrage zurückzuführen; in Rumänien gingen auch die Investitionen zurück.infoDies ist auch auf Sondereffekte zurückzuführen. So wurde zum Jahresende die Einführung einer Bankensteuer beschlossen, was bereits im Vorfeld die Unsicherheit erhöhte und Investitionsentscheidungen verzögerte. Demgegenüber stützten in Tschechien sowohl Konsum als auch Investitionen die Konjunktur.

Bei rückläufigen Auftragseingängen – auch aus dem Ausland – sind am Jahresanfang 2019 die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe für Polen und Tschechien unter die Expansionsschwelle gesunken. In den meisten Ländern wird die Konjunktur bei steigenden Einkommen und moderater Preissteigerung vor allem vom privaten Konsum gestützt.infoDie polnische Regierung hat im Vorfeld der Wahlen die Einführung einer „13. Rente“, die Ausweitung des Kindergeldes „500+“ sowie die Befreiung junger Erwachsener unter 26 Jahren von der Einkommenssteuer angekündigt; die Maßnahmen sollen einem Umfang von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2019 und zwei Prozent im Jahr 2020 entsprechen. Der Rückgang der Arbeitslosenquote ist bei gestiegener Erwerbstätigenquote indes nahezu zum Stillstand gekommen. Zunehmende Engpässe beim Arbeitsangebot dürften zu weiteren Lohnzuwächsen führen und die Wettbewerbsfähigkeit mindern. Im laufenden Jahr wird das Wachstum wohl 3,6 Prozent erreichen und sich im Folgejahr auf 3,3 Prozent verringern.

Russland: Konsumentenvertrauen eingetrübt

Das russische statistische Amt hat in einer ersten Schätzung für das Gesamtjahr 2018 eine Wachstumsrate von 2,3 Prozent gemeldet, nachdem die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Quartalen nur um 1,6 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode gestiegen war. Das Wachstum wurde vor allem vom Export gestützt. Für das unerwartet gute Gesamtergebnis sollen auch gestiegene Bautätigkeiten verantwortlich sein. Allerdings blieb der Zuwachs bei den Investitionen offenbar moderat und auch die Steigerung des privaten Konsums war geringer als im Vorjahr.

Zum Jahresauftakt zeichnet sich kein Aufschwung ab. Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich nicht verbessert und die Einkommen nehmen real nicht weiter zu; das Konsumentenvertrauen hatte sich zum Jahresende sogar leicht eingetrübt. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Jahresanfang dürfte vorübergehend dämpfend wirken. Im Vorfeld der Steuererhöhung hatte die russische Zentralbank den Leitzins nochmals leicht angehoben, um Inflationsrisiken entgegenzuwirken. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe ging zuletzt zurück und liegt nur noch leicht über der Expansionsschwelle. Die wertmäßige Entwicklung der Exporte dürfte von gegenläufigen Effekten geprägt sein: Russland hatte im Rahmen der OPEC-Plus Verhandlungen im Dezember 2018 eine schrittweise Kürzung seiner Ölexporte zugesagt. Der wieder gestiegene Ölpreis wird sich hingegen günstig auf die russischen Einnahmen aus Ölexporten und damit den föderalen Haushalt auswirken.

Für die Jahre 2019 bis 2024 hat die russische Regierung sogenannte Nationale Projekte in zwölf Bereichen im Umfang von circa 65 Milliarden Dollar pro Jahr aufgelegt;infoGefördert werden sollen vor allem Infrastrukturprojekte, aber auch Vorhaben in den Bereichen Bildung, Kultur sowie Wirtschaft. Sogenannte Nationale Projekte waren bereits für die Periode 2012-2018 aufgelegt worden, allerdings in geringerem Gesamtumfang. Es gibt sehr unterschiedliche Einschätzungen darüber, inwieweit die Umsetzung dieser Projekte gelungen ist. dies entspricht umgerechnet etwa vier Prozent des BIP des Jahres 2018. Ungeklärte Finanzierungsfragen und teilweise äußerst detaillierte Zielvorgaben dürften die Umsetzung von Projekten indes erschweren. Russland unterliegt international weiterhin Sanktionen. Die Europäische Union hat ihre Sanktionen gegenüber Russland zunächst bis Ende Juli 2019 verlängert. In diesem Jahr dürfte die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts 1,8 Prozent betragen und im nächsten Jahr nur wenig darüber liegen.

Geraldine Dany-Knedlik

Co-Leitung Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

Malte Rieth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Guido Baldi

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Hella Engerer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Themen: Konjunktur



JEL-Classification: E22;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, ecoomic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-11-2

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/195137

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