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Rente mit 67: Der Arbeitsmarkt für Ältere wird entscheidend sein

DIW Wochenbericht 16/17 / 2019, S. 275-283

Hermann Buslei, Patricia Gallego-Granados, Johannes Geyer, Peter Haan

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  • Anhebung der Altersgrenzen hilft, die Kosten des demografischen Wandels besser zu bewältigen
  • Prognose des Rentenzugangs in den kommenden Jahren und Diskussion der Probleme für die betroffenen Gruppen
  • Weiterer Anstieg des durchschnittlichen Zugangsalters in die Altersrente um langfristig zwischen 1,2 und 1,5 Jahre zu erwarten
  • Soziale Folgen der Anhebung der Altersgrenzen hängen entscheidend von der Arbeitsmarktentwicklung ab
  • Bei weiterer Anhebung der Altersgrenzen müssen Lösungen für unterschiedliche Risikogruppen gefunden werden

„Je nachdem wie gut sich die Menschen an die Anhebung der Altersgrenzen anpassen können, hat das unterschiedliche Konsequenzen. Insbesondere Menschen mit geringer Bildung, in manuellen Berufen oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen haben Probleme.“ Johannes Geyer

Die „Rente mit 67“ ist ein zentraler rentenpolitischer Baustein zur Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels. Sie sieht vor, dass das Regelrenteneintrittsalter zwischen 2012 und 2031 von 65 auf 67 Jahre steigt. Allerdings geht diese Strategie nur dann auf, wenn es den Menschen gelingt, ihren Erwerbsaustritt auch wirklich in ein höheres Alter zu verschieben. Unter den aktuell sehr günstigen Arbeitsmarktbedingungen gelingt dies deutlich mehr Menschen als noch vor zehn Jahren. Allerdings bestehen große Unsicherheiten, ob sich dieser Trend so fortsetzen kann. Anhand des am DIW Berlin entwickelten Dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo) werden die Wirkungen der Anhebung der Altersgrenzen unter zwei verschiedenen Arbeitsmarktszenarien simuliert. Das durchschnittliche Zugangsalter in die Altersrente wird in den kommenden Jahren nach den Schätzungen um weitere 1,2 bis 1,5 Jahre steigen. Falls die Beschäftigungsquoten der 60- bis 67-Jährigen auf dem heutigen Niveau verharren, werden aber weiterhin rund 40 Prozent (bei optimistischer Prognose nur 20 Prozent) aller Rentenzugänge nicht aus einem Beschäftigungsverhältnis erfolgen. Deshalb müssen gerade bei einer weiteren Anhebung der Altersgrenzen Lösungen für unterschiedliche Risikogruppen gefunden und die Möglichkeiten für einen gleitenden Ausstieg aus dem Erwerbsleben verbessert werden.

Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist ein zentrales rentenpolitisches Ziel.infoDer Bericht basiert auf Ergebnissen des von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Projektes “Verhaltens- und Verteilungswirkungen von Rentenreformen” (Projektnummer: 2014-792-4, Webseite: https://www.boeckler.de/11145.htm?projekt=2014-792-4). Sie soll dazu beitragen, die volkswirtschaftlichen Folgen des demografischen Wandels zu bewältigen. Ein Mittel dafür ist die Anhebung der Regelaltersgrenze. Neben Deutschland haben viele weitere Länder aufgrund vergleichbarer demografischer Verschiebungen ähnliche Maßnahmen eingeleitet.infoSo steigt das Renteneintrittsalter in vielen Ländern der Europäischen Union in den kommenden Jahren weiter an. Einige Länder wie Dänemark und die Niederlande heben das Renteneintrittsalter in Zukunft in Abhängigkeit der Entwicklung der Lebenserwartung an. Es gibt allerdings auch zahlreiche Ausnahmen. So haben etwa Österreich und einige Länder Osteuropas das Renteneintrittsalter nicht über 65 Jahre angehoben. European Commission (2017): The 2018 Ageing Report – Underlying Assumptions & Projection Methodologies. Institutional Paper 065, Tabelle II.A2.2 (online verfügbar). Allerdings ist die Anhebung der Regelaltersgrenze noch nicht hinreichend für ein späteres Erwerbsaustrittsalter. Aus der Perspektive der Beschäftigten stellt sich die Frage, ob eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit überhaupt im anvisierten Umfang möglich ist. Besondere Risiken entstehen dadurch, dass sich die Gesundheit mit dem Alter verschlechtert, und durch geringe Wiederbeschäftigungschancen von älteren Arbeitslosen. Bei Erwerbslosigkeit kommt es zu keinen weiteren Beitragszahlungen in die GRV und bei einem eventuellen vorzeitigen Renteneintritt wird die Rente durch Abschläge gemindert. Deswegen könnte die Erhöhung des Regelrenteneintrittsalters zu einer stärkeren Einkommensungleichheit nach dem Renteneintritt beitragen.

Die Beschäftigung von Personen im rentennahen Alter zwischen 60 und 65 Jahren ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.infoAllein in der kurzen Zeit zwischen 2012 und 2017 ist beispielsweise laut Mikrozensus die Erwerbstätigkeit von Personen im Alter 62 bei den Männern von 57 auf 71 Prozent und bei den Frauen von 38 auf 61 Prozent angestiegen. Siehe Statistisches Bundesamt (2017): Fachserie 1 Reihe 4.1.1 und Fachserie 1 Reihe 4.1. Allerdings profitieren nicht alle Gruppen von diesem positiven Trend. Für manche Personen ist ein Übergang in den Ruhestand aus Beschäftigung nur schwer zu realisieren, stattdessen erfolgt der Übergang aus Erwerbslosigkeit. Der beobachtete Beschäftigungsanstieg geht vor allem auf einen längeren Verbleib im Beruf zurück und nicht auf einen verstärkten Wiedereinstieg älterer Erwerbsloser in den Arbeitsmarkt.infoSo zeigt Brussig, dass sich die Erwerbstätigenquoten ab dem Alter 60 stark nach den ausgeübten Berufen differenzieren. Martin Brussig (2010): Erwerbstätigkeit im Alter hängt vom Beruf ab, Altersübergangsreport 2010-05 (online verfügbar). Das zeigt sich auch bei der Abschaffung der Rente für Frauen ab dem Jahrgang 1952. Der Wegfall der Option, mit 60 Jahren in eine Altersrente zu wechseln, hatte ungefähr für die Hälfte der betroffenen Frauen zur Folge, dass sie bis zum Renteneintritt (in der Regel drei Jahre) in der Erwerbslosigkeit blieben. Die beschäftigten Frauen blieben in Beschäftigung. Die Rückkehr in den Arbeitsmarkt ist eine seltene Ausnahme. Siehe Johannes Geyer et al. (2019): Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen: Mehr Beschäftigung, aber höheres sozialpolitisches Risiko, DIW Wochenbericht Nr. 14 (online verfügbar). Für Personen mit geringerer Beschäftigungsstabilität steigen daher soziale Risiken im Übergang zum Ruhestand. Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können, und solche, die im höheren Erwerbsalter arbeitslos werden, haben somit ein überdurchschnittlich hohes Risiko eines Übergangs in den Ruhestand aus Arbeits- oder Erwerbslosigkeit und damit ein höheres Risiko für Altersarmut. Dieses Risiko verstärkt sich, da das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung parallel zur Anhebung der Altersgrenzen in den kommenden Jahren absinken wird.infoLaut dem letzten Rentenversicherungsbericht der Bunderegierung sinkt das Sicherungsniveau vor Steuern von 48,3 Prozent (2017) bis 2032 auf 44,9 Prozent (Rentenversicherungsbericht 2018, online verfügbar). Simulationsrechnungen für die späteren Jahre zeigen, dass das Niveau auch danach weiter zurückgehen wird.

In dem vorliegenden Bericht werden die langfristigen sozialpolitischen Folgen der Anhebung des Regelrenteneintrittsalters anhand eines komplexen Mikrosimulationsmodells bis zum Jahr 2032 analysiert. Bis zum Jahr 2031 oder mit dem Jahrgang 1964 ist die Einführung der Rente mit 67 abgeschlossen. Es wird untersucht, wie gut sich die betroffenen Kohorten an die neuen Altersgrenzen anpassen können. Hierbei wird nur der Eintritt in die Altersrente untersucht und nicht der Eintritt in die Erwerbsminderungsrente.infoDurchschnittlich liegt der Anteil der Renten wegen Erwerbsminderung bei rund 18 Prozent aller Rentenzugänge eines Jahres. Siehe Deutsche Rentenversicherung (2018): Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV-Schriften Band 22 (online verfügbar). Anhand sozio-ökonomischer Merkmale werden Unterschiede verschiedener sozialer Gruppen beispielsweise nach Bildung, Geschlecht oder Erwerbshistorie auf dem Arbeitsmarkt modelliert. Die Grundlage der folgenden Berechnungen bildet das am DIW Berlin entwickelte dynamische Mikrosimulationsmodell DySiMo (Kasten 1).

Die Anhebung des gesetzlich vorgesehenen Rentenzugangsalters wird im Allgemeinen mit der 2007 beschlossenen „Rente mit 67“ identifiziert. Allerdings umfasst die Anhebung des gesetzlichen Rentenzugangsalters eine ganze Reihe von Rentenreformen, die den vorgezogenen Bezug einer Altersrente weniger attraktiv gemacht und die Möglichkeiten des Bezugs eingeschränkt haben. Das Muster des Anstiegs des tatsächlichen, durchschnittlichen Rentenzugangsalters ist maßgeblich durch diese Reformen bedingt (Abbildung 2). Ein erster Schritt war die schrittweise Einführung von Abschlägen für den vorzeitigen Renteneintritt durch das Rentenreformgesetz 1992. Ursprünglich sollten die Abschläge erst ab 2001 eingeführt werden. Die Einführung geschah dann aber schneller. Insbesondere wurden durch das „Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“ (1996) und das „Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz“ Abschläge ab 1997 (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und für langjährig Versicherte) und ab 2000 (Altersrente für Frauen) eingeführt. Diese Reformen führten zu einem späteren Renteneintritt der betroffenen Jahrgänge. 1999 wurde schließlich das Auslaufen der Altersrente für Frauen und der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem Jahrgang 1952 beschlossen.

Im Jahr 2001 folgte eine Reform der Erwerbsminderungsrente, die den Berufsschutz abgeschafft und sie insgesamt weniger attraktiv gemacht hat. Im Jahr 2005 regelte das RV-Nachhaltigkeitsgesetz die Anhebung der Altersgrenze für die frühestmögliche Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 2006 auf 63 Jahre. 2007 wurde schließlich die Erhöhung der Regelaltersgrenze ab 2012 beschlossen, die einen Übergang von 65 auf 67 Jahre bis 2031 vorsieht. Ein temporäres Abweichen von diesem Kurs zum späteren Rentenzugang war die Absenkung der abschlagsfreien Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte im Jahr 2015. Von dieser Möglichkeit machen viele Personen Gebrauch. Deswegen stagniert das Rentenzugangsalter aktuell. Wie wir in der Simulation zeigen, ist das aber nur ein temporärer Effekt.

Das Renteneintrittsalter wird weiter steigen

Seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ist das durchschnittliche Zugangsalter in Altersrente von rund 62 Jahren auf gut 64 Jahre für Frauen und Männer auch dank der guten Arbeitsmarktlage gestiegen. Ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung waren eine Reihe von Rentenreformen, die seit 1992 den vorzeitigen Bezug einer Altersrente eingeschränkt und durch die Einführung von Abschlägen weniger attraktiv gemacht haben (Kasten 2). Der Anstieg des durchschnittlichen Zugangsalters wurde seit 2014 lediglich durch die Absenkung des gesetzlich vorgesehenen Zugangsalters von 65 auf 63 Jahren bei der Rente für besonders langjährig Versicherte vorübergehend gedämpft. Allerdings steigt das gesetzliche Zugangsalter dieser besonderen Rentenart wieder auf 65 Jahre mit dem Jahrgang 1964.

Die Grundlage für die Vorausberechnungen in diesem Bericht ist das dynamische Mikrosimulationsmodell DySiMo des DIW Berlin, das im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Projektes “Verhaltens- und Verteilungswirkungen von Rentenreformen” (Projektnummer: 2014-792-4) entwickelt wurde. Dynamische Simulationsmodelle können nicht nur den Rechtsrahmen für einen bestimmten Querschnitt abbilden und variieren, sondern sie erschaffen neue künstliche Querschnitte der zugrundeliegenden Population. Dabei wird eine relativ große Zahl von Variablen berücksichtigt, um die Heterogenität in der Population zu modellieren. Für jede dieser Variablen muss ein entsprechender Prozess zur Fortschreibung spezifiziert werden. Diese Modelle sind beispielsweise zur Analyse der langfristigen Auswirkungen einer politischen Maßnahme geeignet. Außerdem können sie die langfristigen Veränderungen der Bevölkerung flexibel modellieren.

DySiMo simuliert für eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung zentrale demografische und ökonomische Prozesse und lässt den Datensatz dynamisch altern. Das Modell enthält zudem ein Steuer-Transfer Simulationsmodell, das die verfügbaren Einkommen der Haushalte simuliert. Die zentrale Datenbasis bildet das Sozio-ökonomische Panel (SOEP).infoDas SOEP ist eine seit 1984 durchgeführte repräsentative Wiederholungsbefragung der deutschen Bevölkerung. Jedes Jahr werden rund 30000 Personen in etwa 11.000 Haushalten interviewt. Mehr Details zum SOEP finden sich in Gert Wagner et al. (2008): Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Multidisziplinäres Haushaltspanel und Kohortenstudie für Deutschland – Eine Einführung (für neue Datennutzer) mit einem Ausblick (für erfahrene Anwender). AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv 2, Nr. 4, 301-328. Darüber hinaus werden auch Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung genutzt, um die Prozesse zu modellieren.

Für die Berechnungen im Modell Dysimo wird – ohne dies im Modell selbst zu erklären – ein Pfad für die aktuellen Rentenwerte, das Durchschnittsentgelt und den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung vorgegeben. Diese Werte dienen der Bestimmung der Rentenzahlungen, den erworbenen Rentenansprüchen und den zu leistenden Beiträgen. Die verwendeten Werte für Rentenniveau, Durchschnittsentgelt und Beitragssätze sind das Ergebnis einer Simulation für das geltende Recht in einer aktuellen Fassung des Modells PenPro.infoHermann Buslei (2017): Erhöhung der Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus trägt spürbar zur Konsolidierung der Rentenfinanzen und Sicherung der Alterseinkommen bei. DIW Wochenbericht Nr. 48 (online verfügbar). Das Modell PenPro ist ein semi-aggregiertes Modell und dient im Wesentlichen der Vorausberechnung des Aktuellen Rentenwertes und des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung unter geltendem Recht und unter Reformvarianten und/oder alternativen Annahmen über die als exogen angenommene sozio-ökonomische Entwicklung, insbesondere die künftige Entwicklung der Erwerbsbeteiligung.

Im Folgenden werden der vergangene Verlauf des Renteneintrittsalters bis zum Jahr 2015 und der simulierte Verlauf bis zum Jahr 2032 unter der Annahme von zwei unterschiedlichen Arbeitsmarktszenarien dargestellt.infoDySiMo simuliert die gesamte Erwerbsbiografie der Personen und so kann bestimmt werden, ob die Voraussetzungen für den Eintritt in eine Altersrente für eine Person vorliegen. Zudem enthält es ein Übergangsratenmodell für den Eintritt in die Altersrente. In diesem Modell werden eine Reihe biografischer und sozio-ökonomischer Eigenschaften berücksichtigt. Die Erwerbszustände werden auf Jahresbasis bestimmt. Unterjährige Veränderungen können nicht abgebildet werden. Da die Heraufsetzung der Altersgrenzen teilweise in kleinen monatlichen Schritten geschieht, muss definiert werden, ab wann die Personen im Modell ein Jahr höhere Regelaltersgrenze gilt. Das sind hier die Jahre 2019 und 2028. In der Abbildung 1 wurde auf die Daten ein Zeitreihenfilter gelegt, um die Effekte dieser sprunghaften Änderungen zu glätten. In Szenario S1 werden die altersspezifischen Erwerbsquoten des Jahres 2017 bis zum Jahr 2032 konstant gehalten. Trotz dieser Annahme kann es zu Änderungen in den aggregierten Erwerbsquoten kommen, da die einzelnen Geburtskohorten unterschiedlich stark besetzt sind. In Szenario S2 steigt die altersspezifische Erwerbsquote an. Bei der Berechnung wird ein kohortenspezifischer Trend bei Personen ab dem Alter 50 angenommen, der die positive Entwicklung aus den vergangen Jahren fortschreibt.

Um die Annahmen der Szenarien zu verdeutlichen, werden Erwerbsquoten für Frauen und Männer im Startjahr der Simulation (2014) und für das Jahr 2032 präsentiert (Abbildung 1). Im Szenario S2 steigt die Erwerbstätigkeit bei den 60 bis 67-Jährigen Männern bezogen auf alle Männer dieser Altersgruppe von 43 auf 55 Prozent, bei den Frauen von 35 auf knapp 49 Prozent.

Basierend auf diesen Annahmen werden die Rentenzugangsalter für Männer und Frauen bis zum Jahr 2032 simuliert (Abbildung 2).infoFür den Zeitraum vor 2015, siehe Kasten 1. In beiden Szenarien steigt das Renteneintrittsalter in eine Altersrente bis zu Beginn der 2030er Jahre weiter an. Im Durchschnitt liegt das Rentenzugangsalter im Jahr 2032 im Szenario S2 bei ungefähr 65,8 Jahren und damit ungefähr 0,3 Jahre höher als im Szenario S1. Ein Grund für das niedrigere Renteneintrittsalter in Szenario S1 ist, dass nichterwerbstätige Personen, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben in Rente überzugehen als erwerbstätige Personen. Wie beim beobachteten Renteneintrittsalter (bis zum Jahr 2015) zeigen sich auch bei den Simulationen nur geringe Unterschiede für Männer und Frauen.

Deutliche Unterschiede in der Anpassung an die neuen Altersgrenzen

Das Alter bei Rentenzugang unterscheidet sich nach verschiedenen sozioökonomischen Eigenschaften. Da bei einem früheren Renteneintritt die Rente durch Abschläge gemindert wird, haben diese Unterschiede direkte Auswirkungen auf die Altersrenten der Gruppen.

Diese Unterschiede werden durch eine Darstellung der Differenz im Renteneintrittsalter zwischen 2015 und 2032 für die beiden Szenarien dargestellt (Tabelle 1). Grundsätzlich gehen alle sozioökonomischen Gruppen in beiden Szenarien später in die Altersrente (verglichen mit 2015 gut 1,5 Jahre in Szenario S2 und 1,2 Jahre in Szenario S1). Allerdings zeigt sich, dass Personen mit höherer Bildung und Alleinstehende ihren Renteneintritt stärker in ein höheres Alter verschieben. Beispielsweise verschieben höher gebildete Personen ihren Renteneintritt um rund 1,6 Jahre im Szenario S1 und um zwei Jahre im Szenario S2. Personen mit geringer oder mittlerer Bildung verschieben den Renteneintritt nur um ein beziehungsweise 1,4 Jahre. Informativ ist ein Blick auf den Erwerbsstatus vor Renteneintritt. Hier zeigt sich, dass erwerbslose Personen in Szenario S1 ihren Renteneintritt stärker nach hinten verschieben als in Szenario S2. Bei Personen, die bis zum Renteneintritt erwerbstätig bleiben ist es umgekehrt. Differenziert man die Erwerbstätigen, so zeigt sich eine etwas höhere Anpassung bei Teilzeitbeschäftigten. Zudem zeigt sich eine etwas höhere Anpassung bei Personen mit weniger als 30 Entgeltpunkten, also mit eher niedrigen Rentenanwartschaften.infoDie Rentenanwartschaften an die gesetzliche Rente werden in Entgeltpunkten beziffert. Vereinfacht dargestellt, ergibt sich aus dem Produkt der Summe der Entgeltpunkte und dem aktuellen Rentenwert die Bruttorente. Bei einem aktuellen Rentenwert von 32,03 Euro ergibt sich bei 30 Entgeltpunkten eine Bruttorente von ungefähr 960 Euro.

Tabelle 1: Änderung des durchschnittlichen Rentenzugangsalters in Jahren nach Szenarien zwischen den Jahren 2015 und 2032

Differenz zwischen dem simulierten Rentenzugangsalter im Jahr 2032 (S1, S2) und dem beobachteten Rentenzugangsalter im Jahr 2015

Eigenschaften Gesamt Männer Frauen
S1 S2 S1 S2 S1 S2
Geringe/mittlere Bildung 1,07 1,37 1,18 1,51 0,97 1,26
Höhere Bildung 1,62 1,98 1,74 2,01 1,45 1,89
Beschäftigt vor Renteneintritt 1,01 1,59 1,21 1,73 0,76 1,40
Teilzeitbeschäftigt 0,90 1,56 1,53 1,89 0,74 1,43
Vollzeitbeschäftigt 1,09 1,61 1,15 1,69 0,86 1,38
Erwerbslos vor Renteneintritt 1,47 1,38 1,65 1,41 1,35 1,36
Weniger als 30 Entgeltpunkte 1,27 1,60 1,60 1,97 1,08 1,38
Ostdeutschland 1,11 1,33 1,05 1,64 1,16 1,11
Westdeutschland 1,21 1,54 1,43 1,67 1,00 1,40
Alleinstehend 1,96 2,10 1,91 2,08 2,03 2,10
Verheiratet 1,01 1,40 1,25 1,62 0,75 1,17
Insgesamt 1,24 1,56 1,40 1,72 1,10 1,40

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis eines dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo).

Die Erwerbsquote älterer Personen variiert stark nach Geschlecht, Bildung und Gesundheit

Auch die simulierten Erwerbsquoten zeigen deutliche Unterschiede. In den letzten Jahren ist die Erwerbstätigkeit kontinuierlich gestiegen und hat insbesondere bei den Älteren zugelegt. Beide hier verwendeten Szenarien unterstellen eine positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit (Abbildung 1). Auch die Alterserwerbstätigkeit steigt in den Simulationen an, jedoch unterscheidet sich dieser Anstieg deutlich zwischen den sozioökonomischen Gruppen. Es werden die Erwerbstätigenquoten der Personen im Alter zwischen 60 und 67 Jahren bezogen auf die erwerbsfähige Bevölkerung im selben Alter – also ohne Personen, die bereits eine Rente beziehen – gezeigt (Tabelle 2). Im Durchschnitt liegt die Erwerbsquote hier bei 73 Prozent, sie verringert sich leicht bis 2032 in Szenario S1 (69 Prozent)infoDer Rückgang der Erwerbsquote in Szenario S1 ist durch unterschiedlich stark besetzte Geburtskohorten bedingt. Zudem gehen die Erwerbsquoten bei den höher gebildeten überdurchschnittlich zurück, da diese im Ausgangspunkt eine sehr hohe Erwerbsquote aufweisen und in diesem Szenario ein größerer Anteil von Personen nicht mehr in die Rente gehen kann, aber auch nicht erwerbstätig ist. und steigt in Szenario S2 auf 85 Prozent. Es zeigen sich große Unterschiede in der Erwerbstätigkeit nach bestimmten sozio-ökonomischen Gruppen. So haben Personen mit mittlerem oder niedrigem Bildungsabschluss im Jahr 2015 eine Erwerbstätigenquote von 67 Prozent – verglichen mit 86 Prozent bei Personen mit höherem Bildungsabschluss. Die niedrigste Erwerbstätigenquote (62 Prozent) beobachten wir bei Personen mit einem schlechten Gesundheitszustand. Diese Unterschiede lassen sich grundsätzlich auch im Jahr 2032 in den unterschiedlichen Szenarien beobachten, insbesondere bei Szenario S1 (63 Prozent). Allerdings zeigt sich in Szenario S2 ein wichtiger Sachverhalt: Personen mit guten Arbeitsmarktchancen kommen bereits im Jahr 2015 auf relativ hohe Erwerbsquoten im höheren Alter. Daher können die Quoten selbst bei einer sehr positiven Entwicklung nur moderat steigen. Umgekehrt gilt das für Gruppen, die im Jahr 2015 unterdurchschnittliche Erwerbsquoten aufweisen – für diese Gruppen müssten die Erwerbsquoten in größerem Umfang steigen. Und das ist vermutlich für diese Menschen bei eingeschränkter Gesundheit, niedriger Qualifikation oder ähnlichen sozio-ökonomischen Eigenschaften ohne weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nur schwer zu realisieren.

Tabelle 2: Erwerbsbeteiligung der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 60 und 67 Jahren für die Jahre 2014 und 2032

Beobachtete Erwerbsquote in Prozent im Jahr 2015, simulierte Erwerbsquote im Jahr 2032 (S1, S2)

Eigenschaften Insgesamt Männer Frauen
2014 2032 – S1 2032 – S2 2014 2032 – S1 2032 – S2 2014 2032 – S1 2032 – S2
Durchschnitt 73,4 69,4 85,3 82,7 77,1 91,7 66,0 62,1 79,2
Geringe/mittlere Bildung 67,3 64,3 82,3 78,1 72,3 89,4 60,7 57,9 76,5
Höhere Bildung 86,2 79,2 90,9 88,8 84,7 95,4 82,4 72,3 85,5
Schlechter Gesunheitszustand 61,6 63,3 82,2 72,7 69,4 89,8 53,7 57,7 76,1
Verheiratet 74,5 70,1 85,8 85,9 78,3 92,8 64,3 62,0 78,6
Alleinstehend 71,2 67,4 83,7 74,5 73,6 88,1 69,1 62,3 80,6
Ostdeutschland 74,6 72,9 84,8 75,9 76,9 88,9 73,6 69,0 80,7
Westdeutschland 73,2 68,8 85,3 84,2 77,1 92,2 64,2 61,0 79,0

Anmerkung: Personen, die bereits in Rente sind, wurden ausgeschlossen.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis eines dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo).

Die steigenden Erwerbsquoten Älterer haben zur Folge, dass der Anteil der Älteren, die aus Erwerbs- oder Arbeitslosigkeit in die Rente wechseln, seit Jahren rückläufig ist. Im Jahr 2017 ging bei ungefähr zehn Prozent aller Zugänge in die Altersrente eine Phase kürzerer oder längerer Arbeitslosigkeit voraus. Zehn Jahre zuvor betraf dies rund ein Viertel der Zugänge.infoDeutsche Rentenversicherung (2018): a.a.O. Dazu kommen Personen, die zwar nicht aus registrierter Arbeitslosigkeit kommen, aber aus Erwerbslosigkeit in die Rente gehen. Umgekehrt kommt heute fast die Hälfte aller Zugänge in die Altersrente aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.infoFür die Entwicklung bis 2010, siehe Martin Brussig (2012): Weiter steigendes Renteneintrittsalter, mehr Renteneintritte aus stabiler Beschäftigung, aber zunehmend geringere Altersrenten bei Langzeitarbeitslosen. Altersübergangsreport (online verfügbar). Dies spiegelt sich auch in den Simulationen wider.

Wenn die Erwerbstätigkeit mit den Altersgrenzen steigt, können mehr Renteneintritte nach Erwerbslosigkeit vermieden werden

Es wird für den Beginn der Simulation im Jahr 2015 geschätzt, dass rund 40 Prozent der Übergänge in eine Altersrente aus Erwerbslosigkeit erfolgen, immerhin 24 Prozent sogar nach mindestens zwei Jahren ohne Erwerbstätigkeit. Diese Gruppe wird näher betrachtet und mit den sonstigen Altersübergängen verglichen (Tabelle 3).infoDie Erwerbslosigkeit umfasst nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern alle Zustände, die keine Erwerbstätigkeit beinhalten. Die Erwerbszustände in DySiMo mussten für die Auswertung der Rentenzugänge aggregiert werden. Deswegen können wir an dieser Stelle leider nicht weiter zwischen verschiedenen Formen der Nichterwerbstätigkeit differenzieren. Ausgeschlossen werden Personen, die vor dem Bezug einer Altersrente Selbständig oder in einem Beamtenverhältnis waren. Zudem werden keine Personen betrachtet, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Der Anteil der Frauen, die eine längere Unterbrechung vor dem Rentenzugang hat, liegt in den Jahren 2015-2019 bei 30 Prozent und damit doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil der Männer. Dieser Anteil geht für Männer und Frauen im Szenario S2 mit steigender Erwerbstätigkeit stark zurück. Er liegt dann insgesamt bei 21 Prozent in den Jahren zwischen 2020 und 2024 und später bei rund 13 Prozent. Szenario S1 zeigt ein anderes Bild. Hier steigt der Anteil von 24 auf 39 Prozent in den Jahren 2030-2032. Ein Grund dafür ist die Annahme konstanter Erwerbsquoten bei steigenden Altersgrenzen beim Renteneintritt. Auch im Szenario S1 zeigt sich ein Unterschied zwischen Männern und Frauen: bei den Männern verdoppelt sich der Anteil von 15 auf 30 Prozent, bei den Frauen steigt er zwar weniger stark an, aber betrifft dann fast die Hälfte der Übergänge in die Altersrente.infoDie Übergangsquoten der erwerbslosen Personen mit geringem oder mittlerem Bildungsabschluss zeigen, dass die Arbeitsmarktrisiken für diese Gruppe höher sind (Tabelle 3, unterer Teil). 28 Prozent der Personen mit geringem oder mittlerem Bildungsabschluss gehen aus einer längeren Periode der Erwerbslosigkeit in die Altersrente. Dieser Anteil steigt im Szenario S1 auf 44 Prozent, in Szenario S2 geht er auf 16 Prozent zurück.

Tabelle 3: Anteil der Übergänge in die Altersrente nach mindestens zwei Jahren Nichterwerbstätigkeit

Simulierte Anteile in Prozent nach Szenarien für die Jahre zwischen 2015 und 2032 (S1, S2)

Gesamt Männer Frauen
S1 S2 S1 S2 S1 S2
Alle
2015–2019 24,0 24,0 14,8 14,8 30,9 30,9
2020–2024 31,4 21,4 24,2 13,8 38,5 28,8
2025–2029 34,4 14,8 23,1 6,4 44,2 22,1
2030–2032 38,8 12,6 30,2 4,1 46,8 20,2
Personen mit geringem und mittlerem Bildungsabschluss
2015–2019 28,4 28,4 16,9 17,0 35,6 35,5
2020–2024 35,1 24,4 28,1 17,3 41,1 30,6
2025–2029 38,8 17,1 27,3 8,6 48,2 24,2
2030–2032 43,6 15,9 36,1 7,0 49,6 22,2

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis eines dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo).

Niedrige Renten nach Übergängen in die Altersrente aus Erwerbslosigkeit

Es wird das Verhältnis der Bruttorenten zwischen denjenigen, die nach mindestens zwei Jahren Erwerbslosigkeit in die Altersrente eintreten und Personen, die direkt aus einem Beschäftigungsverhältnis übergehen, untersucht (Tabelle 4).infoEine längere Erwerbsunterbrechung vor Renteneintritt dient hier als Indikator für problematische Altersübergänge. Klar ist aber auch, dass nicht alle Übergänge nach einer längeren Phase der Erwerbslosigkeit problematisch sein müssen und dass umgekehrt nicht alle Übergänge aus Beschäftigung als problemlos betrachtet werden können. In den Jahren 2015-2019 beträgt dieses Verhältnis im Durchschnitt rund 66 Prozent. Das bedeutet, dass von Personen, die aus Erwerbslosigkeit in die Rente eintreten, im Vergleich zu Personen die aus Beschäftigung in Rente übergehen, nur 66 Prozent der gesetzlichen Rente erzielen. Dies ist etwas höher bei Männern (77 Prozent) als bei Frauen (73 Prozent). Im Szenario mit stagnierender Erwerbstätigkeit steigt dieses Verhältnis über die Zeit an, im Szenario S2 sinkt es. Auf den ersten Blick kann diese Entwicklung überraschend wirken. Der Grund ist, dass im Szenario S2 verstärkt Menschen mit hohen Arbeitsmarktrisiken im höheren Alter erwerbslos bleiben. Es kommt zu einer Negativselektion. Deswegen sinkt das Verhältnis der Bruttorenten. Im Szenario S1 werden mehr Menschen mit besseren Arbeitsmarkteigenschaften arbeitslos. Diese Effekte dominieren den dargestellten Trend.

Tabelle 4: Verhältnis der durchschnittlichen Bruttorenten nach Übergängen in die Altersrente nach mindestens zwei Jahren Nichterwerbstätigkeit und nach direkten Übergängen aus Erwerbstätigkeit

Simulierte Verhältnisse in Prozent nach Szenarien für die Jahre zwischen 2015 und 2032 (S1, S2)

Gesamt Männer Frauen
S1 S2 S1 S2 S1 S2
Alle
2015–2019 66,2 66,1 77,2 77,1 73,0 72,7
2020–2024 71,2 66,2 83,0 76,4 71,2 69,0
2025–2029 74,0 63,1 88,2 69,6 73,8 70,4
2030–2032 86,0 62,2 91,1 69,7 81,7 70,4
Personen mit geringem und mittlerem Bildungsabschluss
2015–2019 71,6 71,4 79,1 78,9 72,1 71,6
2020–2024 71,2 67,2 84,1 76,5 70,9 69,8
2025–2029 73,9 63,9 85,5 69,3 73,3 68,9
2030–2032 80,4 63,9 93,0 69,0 78,3 71,9

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis eines dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo).

Auch die Haushaltseinkommen bei Übergängen aus Erwerbslosigkeit sind niedrig

Das Verhältnis der Bruttorenten ist ein Indikator für die Unterschiede, die sich aus dem unterschiedlichen Zugang in die Altersrente ergeben. Ein anderer Indikator für die Wohlfahrtsposition der Personen ist das verfügbare Haushaltseinkommen. Hier wurde ebenfalls das Verhältnis der Einkommen von Personen, die nach längerer Erwerbslosigkeit in Rente gegangen sind, und denen, die den direkten Übergang aus Erwerbstätigkeit vollzogen haben, gebildet (Tabelle 5). Im Durchschnitt beträgt der Unterschied rund zehn Prozent zu Beginn der Simulation. Das bedeutet, dass Menschen mit längerer Erwerbslosigkeit zum Zeitpunkt des Renteneintritts ein um zehn Prozent niedrigeres verfügbares Einkommen besitzen als Personen, die direkt aus Erwerbstätigkeit übergehen. Da die Einkommen und auch die Renten von Männern in der Regel eine größere Bedeutung für die Haushaltseinkommen haben, ist dieser Effekt noch stärker für Männer. Hier beträgt der Unterschied rund 23 Prozent, während er bei Frauen bei etwa sechs Prozent liegt. Über den Simulationszeitraum sinkt das Verhältnis leicht ab, etwas stärker im Szenario S2.

Tabelle 5: Verhältnis des durchschnittlich verfügbaren Haushaltseinkommens nach Übergängen in die Altersrente nach mindestens zwei Jahren Nichterwerbstätigkeit und nach direkten Übergängen aus Erwerbstätigkeit

Simulierte Verhältnisse in Prozent nach Szenarien für die Jahre zwischen 2015 und 2032 (S1, S2)

Gesamt Männer Frauen
S1 S2 S1 S2 S1 S2
Alle
2015–2019 90,1 89,5 77,4 78,0 94,0 93,3
2020–2024 84,2 85,0 75,1 75,9 90,8 85,3
2025–2029 83,7 81,6 78,3 72,4 90,2 84,8
2030–2032 83,6 82,5 73,0 68,9 90,9 84,6
Personen mit geringem und mittlerem Bildungsabschluss
2015–2019 94,7 93,5 85,1 85,7 93,6 91,7
2020–2024 90,2 85,3 79,9 78,6 92,7 90,6
2025–2029 89,0 84,3 80,6 74,1 91,4 87,6
2030–2032 91,1 86,4 81,9 74,3 93,8 93,8

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis eines dynamischen Mikrosimulationsmodells (DySiMo).

Fazit: Den entlastenden fiskalischen Wirkungen stehen große sozialpolitische Risiken gegenüber

Die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit ist eine der zentralen rentenpolitischen Herausforderungen der alternden Gesellschaft. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist bereits in den vergangenen Jahren stark gestiegen und nach unseren Schätzungen ist es wahrscheinlich, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Zudem gibt es bereits Diskussionen über eine weitere Anhebung der Altersgrenzen. Den entlastenden fiskalischen Wirkungen stehen allerdings große sozialpolitische Risiken gegenüber. Trotz des günstigen Arbeitsmarktumfeldes ist die kontinuierliche Erwerbstätigkeit bis zum Renteneintritt längst nicht die Regel. Nur bei einer sehr günstigen weiteren Arbeitsmarktentwicklung werden Übergänge aus Erwerbslosigkeit in die Altersrente abnehmen. Jedoch zeigen unsere Simulationen auch, dass Menschen mit typischen „Risikofaktoren“ wie beispielsweise geringer Bildung oder relativ schlechter Gesundheit sich weniger gut an die neuen Altersgrenzen anpassen können. Diesen Menschen könnten günstigere Bedingungen für einen gleitenden Übergang aus dem Erwerbsleben in die Rente helfen.infoPeter Haan und Songül Tolan (2017): Teilzeitrente: Ihre Auswirkungen auf Beschäftigung und öffentliche Haushalte. DIW Wochenbericht Nr. 48, 1081-1088 (online verfügbar). Die sogenannte Flexi-Rente, die 2017 in Kraft trat, erreicht dieses Ziel bisher nicht. Sie erlaubt es Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Renteneinkommen zu kombinieren. Dies ist in der Regel aber erst ab dem Alter 63 – und damit vermutlich zu spät – möglich. Jedenfalls wird diese Möglichkeit bisher nicht genutzt.

Neben der Frage, wie man den Arbeitsmarkt für Ältere so gestaltet, dass es für viele Menschen möglich ist, ihre Erwerbstätigkeit lange auszuüben, steht die Frage der Absicherung bei langfristigen Erwerbsunterbrechungen. Mit den jüngsten Reformen der Erwerbsminderungsrente wurde ein Schritt getan, um dieses Risiko wenigstens für Neuzugänge wieder besser abzusichern. Darüber hinaus sind weitere flankierende Maßnahmen notwendig, um auch die finanziellen Belastungen von Älteren zu begrenzen, die vor der Regelaltersgrenze mit Abschlägen in Rente gehen (müssen) oder aus Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit in Rente gehen. Derzeitige Reformvorschläge wie die Grundrente gehen in diese Richtung, jedoch würden sie wegen der Zugangsvoraussetzung von vorgeschlagenen 35 Beitragsjahren nicht alle Ältere erreichen. Auch für Menschen mit sehr langen Erwerbsunterbrechungen, die nicht auf die vorausgesetzten Beitragsjahre kommen und deren Renten besonders von der Anhebung der Regelaltersgrenze negativ betroffen sind, müssen zusätzliche Reformen eingeführt werden, wenn es das Ziel ist, den Lebensstandard von allen älteren Menschen abzusichern.

Hermann Buslei

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

Johannes Geyer

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat



JEL-Classification: J14;J18;J22;J26
Keywords: retirement age, early retirement, pension reform, unemployment, labor supply, dynamic microsimulation
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-16-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/198015

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