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Mit einem „EU-Pakt für Innovation“ gegen die Populisten

Medienbeitrag vom 23. Mai 2019

Ein wesentliches Ziel der EU ist die Annäherung von Wohlstand und wirtschaftlicher Entwicklung zwischen seinen Mitgliedstaaten. Seit 2010 läuft aber vor allem in der Euro-Zone die Entwicklung zwischen der südlichen Peripherie und den übrigen Ländern auseinander.

Dabei mangelt es in den südlichen Ländern weder an Kapital noch an innovativen Ideen. Vielmehr schaffen schlecht funktionierende staatliche Institutionen ein investitionsfeindliches regulatorisches Umfeld und verhindern damit Investitionen und die Entwicklung eines produktiven Innovationssystems. Auf letzteres sind Innovatoren aber angewiesen, wenn sie aus Ideen innovative Produkte machen wollen.

Innerhalb der EU-Binnenmarkts können sich Innovatoren und Investoren mit geringem Aufwand in den Ländern niederlassen, die aus ihrer Sicht über geeignete Rahmenbedingungen verfügen. Die EU ist aber, was die institutionellen Rahmenbedingungen für Gründung, Betrieb oder Abwicklung eines Unternehmens angeht, ein Flickenteppich.

Ebenso unterschiedlich ist die Qualität staatlicher Institutionen und der Innovationssysteme. Die skandinavischen und baltischen Länder haben ein sehr unternehmensfreundliches Klima, gefolgt von Frankreich, Deutschland oder Polen. Dagegen sind die staatlichen Institutionen etwa in Italien oder Griechenland qualitativ schlechter. Bei den Rahmenbedingungen für Unternehmensinnovationen gibt es auch ein Nord-Süd-Gefälle und – im Unterschied zum Unternehmensklima – ein West-Ost-Gefälle.

Daraus ergibt sich innerhalb der EU eine Schieflage: Wertschöpfung und Beschäftigung wachsen in den Ländern stärker, die bessere Rahmenbedingungen und Innovationssysteme haben. Beschleunigt wird diese Entwicklung seit den 2000er-Jahren durch die Wanderung der innovativen Köpfe, etwa aus Italien, Griechenland, Spanien oder Portugal in andere Teile der EU mit besseren Rahmenbedingungen.

Dadurch verschlechtern sich die Aussichten für eine Erholung in deren Heimatländern – auch, weil diese Menschen nicht mehr da sind, um politischen Druck für eine Verbesserung der Institutionen auszuüben.

Spanien etwa hat dies erkannt, Strukturreformen durchgeführt und den Exodus der Innovatoren gestoppt. Die wissensintensiven Dienstleistungen – etwa im „Gründer-Hot-Spot“ Barcelona – haben jüngst das Wirtschaftswachstum beflügelt. Dort, wo die Politik den Wettbewerb der Standorte nicht angenommen hat, stagniert die Wirtschaft.

Die europäische Kohäsionspolitik, mit der eine Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU gefördert werden soll, versucht seit langem, etwa über Strukturfonds der wirtschaftlichen Divergenz etwas entgegen zu setzen. Aber der Zugang zu diesen Fonds ist an keinerlei Anreize für Reformanstrengungen geknüpft. Die Höhe zugänglicher Strukturfonds ändert sich nicht, solange die wirtschaftliche Entwicklung in einem Land stagniert. Gleichzeitig haben diese Fonds in den betroffenen Ländern nichts am Exodus heimischen Kapitals und der Innovatoren geändert.

Mit Geld allein – die Niedrigzinspolitik der EZB eingeschlossen - lassen sich Nachteile überregulierter Ökonomien nicht kompensieren. Ohne eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen wird die Schieflage in der EU bleiben. Und Reformappelle reichen hier nicht aus. Die EU muss neue Impulse setzen und Mitgliedstaaten Anreize für Reformen geben. Dazu braucht die EU einen „Pakt für Innovation“, bestehend aus drei Elementen.

  • Erstens, der Weiterentwicklung der Strukturfonds hin zu nachhaltigen Investitionen in regionale Innovationssysteme. Diese Mittel sollen etwa zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung, von innovativen Projekten oder der digitalen Infrastruktur verwendet werden.
  • Der Zugang zu den Fonds wird, zweitens, an Strukturreformen hin zu effizienteren staatlichen Institutionen und besseren regulatorischen Rahmenbedingungen geknüpft. Die Reforminhalte und ihr Fahrplan werden – mit dem vorrangigen Ziel der regulatorischen Harmonisierung – zwischen nationalen Regierungen und der EU verbindlich vereinbart. Um Anreize für Reformen dauerhaft aufrecht zu erhalten, erfolgt der Zugang zu weiteren Mitteln erst, wenn Vorhaben nachweislich umgesetzt wurden.
  • Drittens erhalten die Staaten bei der Entwicklung besserer staatlicher Institutionen Beratung und Unterstützung von der EU. Einen „Structural Reform Service“ bietet die EU bereits jetzt den Mitgliedstaaten an.

Es bedarf eines Kraftakts zwischen EU-Kommission und allen reformbereiten Regierungen, um eine Reformagenda zu vereinbaren. Ein solcher Pakt würde aber dem Ziel der Annäherung neues Gewicht verleihen. Anstatt nationalistischen Populisten die Bühne zu überlassen, kann die EU-Kommission somit dem Europaskeptizismus etwas Wirkungsvolles entgegensetzen und den nächsten Schritt zur Vollendung des EU-Binnenmarktes einleiten, um ein wirtschaftlich starkes Europa aufzubauen.

Der Gastbeitrag von Alexander Kritikos ist am 23. Mai 2019 bei Handelsblatt.com erschienen.

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